2.7.2012: nachrichten | ||||
2.7.2012 Gesundheitstipp kritisiert Healthclaims Diese Woche im Gesundheitstipp: eine Stichprobe zeigt: Viele versprochene Zusatznutzen für die Gesundheit sind nicht bewiesen ausser jenen zu Vitamin B1 und Ballaststoffen.
Diese Woche im Konsummagazin Gesundheitstipp: Ständig kommen neue Produkte auf den Markt, die angeblich die Gesundheit fördern. Mehr als 60 solche Anpreisungen hat das Bundesamt für Gesundheit BAG bewilligt. Doch jetzt zeigt eine Bewertung von Experten: Viele dieser Versprechen sind nicht wissenschaftlich bewiesen. Und selbst wenn die Werbesprüche korrekt sind, haben nicht alle Produkte einen Nutzen für die Gesundheit. Der Gesundheitstipp kaufte verschiedene Lebensmittel bei Grossverteilern und liess die Anpreisungen von den Pharmakologen Jürg Gertsch und Bernhard Lauterburg beurteilen. Nur bei zwei Aussagen sind sich die beiden Experten einig, dass sie nützen: jene zu Vitamin B1 und jene zu Ballaststoffen. Kritisch bewertet Lauterburg hingegen die Behauptung, dass Joghurts mit Milchsäurebakterien die Verdauung und das Immunsystem unterstützen: «Die Lebensmittelindustrie konnte nie beweisen, dass die probiotischen Joghurts den versprochenen Nutzen bringen.» Und die cholesterinsenkenden Margarinen überzeugen Lauterburg nicht: «Die künstlich zugesetzten Sterine können sich in den Blutgefässen einlagern und deren Funktion verschlechtern.» Auch das deutsche Bundesinstitut warnt vor einem Risiko fürs Herz. Das Gesundheitsamt in Bern rät ebenfalls von Margarine mit Sterinen ab. Jürg Gertsch ist zwar einverstanden mit der Aussage, dass Ballaststoffe die Verdauung günstig beeinflussen. Zu finden ist sie etwa auf den Verpackungen des Familia Body Balance Müesli und von Roland Knäckebrot. Für fragwürdig hält es Gertsch jedoch, wenn die Migros einen mit Ballaststoffen angereicherten Joghurtdrink als verdauungsfördernd anpreist: «Vollkornbrot und Müesli enthalten meist mehr Ballaststoffe.» EU hat 220 Health Claims bewilligt Jetzt droht eine noch viel grössere Schwemme an gesundheitlichen Versprechen. Denn Ende Mai hat die Europäische Union eine Liste mit 220 gesundheitlichen Anpreisungen bewilligt. In der Liste sind auch Binsenwahrheiten wie «Wasser trägt zur Erhaltung einer normalen Regulierung der Körpertemperatur bei». Der Berner Pharmakologe Bernhard Lauterburg sagt: «Solche Anpreisungen erwecken den Anschein, dass die Hersteller die Konsumenten für dumm halten. Die meisten Menschen trinken ohnehin so viel Wasser, wie sie brauchen.» Das BAG will in den nächsten Monaten entscheiden, welche EU-Anpreisungen in der Schweiz erlaubt werden. Schon jetzt ist der Markt in Bewegung. Vor wenigen Wochen hat die EU die Aussage bewilligt, Beta-Glucan könne das Cholesterin senken. Seit Mitte Juni verkauft die Migros nun Müesli mit Beta-Glucan. Auf die Kritik der Fachleute entgegnet die Migros, die Werbeaussagen würden durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt. Die Haferkleie im neuen Reddy-Müesli enthalte mehr Beta-Glucan als normale Haferkleie. Hohes Cholesterin sei ein Risiko fürs Herz. Fachleute kritisieren, gesundheitliche Versprechen würden nur den Herstellern etwas bringen. Ernährungsfachfrau Carine Buhmann aus Liestal BL sagt: «Sie nützen das schlechte Gewissen der Konsumenten aus.» Aber so würde denen nicht bewusst, wie sie sich mit naturbelassenen Lebensmitteln gesund und günstig ernähren können. Stark verarbeitete Produkte seien teurer als natürliche Lebensmittel, aber weniger gehaltvoll. Für Buhmann ist klar: «Wer sich ausgewogen ernährt, braucht keine künstlich angereicherten Produkte.» Die deutsche Organisation Foodwatch fordert ein Verbot gesundheitsbezogener Werbeaussagen. Sprecher Martin Rücker sagt: «Die Konsumenten können nicht überprüfen, ob solche Anpreisungen stimmen.» Lebensmittel sollten, so Rücker, nicht die Aufgabe von Medikamenten übernehmen. Spar sagt zur Werbung für Vital-Halbfett-Margarine: «Damit ist nicht gemeint, dass Schwangere den Folsäurebedarf nur so decken sollen.» Auf der Packung stehe, dass eine abwechslungsreiche Ernährung wichtig sei. Und es sei erwiesen, dass probiotische Bakterien gegen Durchfall helfen. So beurteilen Experten Jürg Gertsch und Bernhard Lauterburg den gesundheitlichen Nutzen – einige Beispiele: Keine Kritik an Familia: Body Balance Müesli, Roland: Knäckebrot mit Ballaststoffen (Nahrungsfasern) und der Deklaration: «Können die Verdauung günstig beeinflussen». Kommentare: Korrekt. «Viele Menschen essen zu wenig Ballaststoffe». «Ballaststoffe verbessern die Darmfunktion» Keine Kritik an Migros Actilife und Crunchy Mix Müesli mit Vitamin B1 (Thiamin) und der Deklaration: «Dient der Erhaltung der Funktionen des Nerven systems». Kommentare: Korrekt. «Aber bei normaler Ernährung kommt Mangel an Vitamin B1 kaum vor». «Die Wirkung des Vitamins B1 ist unbestritten» Umstrittene Aussagen bei Sabo Life Oil mit DHAFettsäuren und der Deklaration «Ist wichtig für Entwicklung und Funktion der Sehzellen und des Gehirns». Kommentare: «Studien bei Tieren zeigen Nutzen für Entwicklung des Hirns». «Verbesserung der Hirnentwicklung oder des Seh - vermögens nicht bewiesen» Korrekt deklariert aber keine Auswirkung auf die Gesundheit bei Emmi Benecol Joghurtdrink und Becel Proactiv-Margarine mit Pflanzensterinen und Pflanzenstaniolen und der Deklaration: «Senken den Cholesterinspiegel». Kommentare: «Margarine enthält auch ungesunde gesättigte Fettsäuren». «Der Nutzen gegen Herzinfarkt ist nicht bewiesen» Emmi und Unilever antworten, viele Studien hätten gezeigt, dass Benecol und Becel Proactiv das Cholesterin senken würden. Emmi fügt an, Pflanzenstanole hätten keine schädlichen Wirkungen. Aktifit enthalte mehrere Vitamine und fördere deshalb die Gesundheit – auch wenn die EU die Wirkung der Milchsäurebakterien negativ beurteilte. Unilever räumt ein, die Konzentration von Pflanzensterinen im Blut steige «geringfügig» nach dem Konsum von Becel Proactiv. Eine neue Studie zeige aber, dass sich dadurch das Risiko für Herzkrankheiten nicht erhöhe. (Auszug aus dem Bericht im Gesundheitstipp vom 24.6.2012. www.gesundheitstipp.ch | ||||