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Backwaren & Confiserie: Tipps & Wissen
Backwaren & Confiserie
Clean Label-Backmittel



Die Vorteile von Brotbackmitteln stehen im Spannungsfeld des emotionalen Brot-Reinheitsgebot. Vor allem Zusatzstoffe in Backmitteln werden kritisiert. Sind sie nötig und wodurch kann man sie allenfalls ersetzen?


Backmittel sind konzentrierte Compounds aus funktionellen Zutaten wie Malz, Trockensauerteig, Kartoffelmehl, Getreide-Quellmehlen, Fetten, Zucker und Milchprodukten. Einige enthalten Zusatzstoffe, die sich positiv auf Teigbereitung, Backprozess, Geschmack, Bräunung, Rösche und Frischhaltung auswirken. Emulgatoren wie Lecithin oder Mono/Diglyceride fördern das Brotvolumen und die Teigstabilität beim Kühlen oder Tiefkühlen. Ferner ermöglichen Backmittel bei Schwankungen der Getreidequalität qualitätskonstante Backwaren.

Obwohl im Normalbrot heute durch die EU-Harmonisierung auch Zusatzstoffe erlaubt sind, erwartet der Konsument bei diesem Grundnahrungsmittel ein naturreines Produkt, und die meisten Bäckereien respektieren dies in vielen Rezepten. Bei Spezialbroten gibt es Ausnahmen, und diese nahm letztes Jahr eine Kassensturzsendung aufs Korn.

Die Kritik war nicht berechtigt: Nur wenige Brote werden mit zusatzstoffhaltigen Backmitteln hergestellt. Die dabei verwendeten Zusatzstoffe sind oft natürlichen Ursprungs wie Lecithin, und der Trend geht zu «Clean Label» (ohne E-Nummern) gemäss Erfahrung des Backmittel-Herstellers Hochdorf Nutribake. Emulgatoren sind nebst Ascorbinsäure fast die einzigen Zusatzstoffe in den meisten Backmitteln. Selten kommt allenfalls noch das natürliche Guarkernmehl vor, welches als Zusatzstoff gilt.

Auch Paul Bär, Geschäftsleiter des Backmittelherstellers Puratos bestätigt den Vermeidungs-Trend - sowohl bei gewerblichen wie industriellen Bäckereien. Ausserdem bewegen sich gemäss seiner Erfahrung die Anteile der Clean Label-Backmittel bereits im mittleren Bereich. Die Industrie steht dabei stärker unter Druck, weil sie mehr vorverpackte Brote herstellt, bei denen Zusatzstoffe auf der Verpackung deklariert sein müssen.

Brotlabel «Naturel»

Vor einem Jahr führte ausserdem der Schweizerische Bäcker- und Konditorenmeisterverband SBKV das Brotlabel «Naturel» ein, das für Natürlichkeit und Handwerk steht aber Lecithin zulässt, weil es natürlichen Ursprungs ist. Anstelle der synthetischen Ascorbinsäure verlangt das Pflichtenheft Acerolafruchtpulver, obwohl Ascorbinsäure (identisch mit Vitamin C) eigentlich nur ein Imageproblem darstellt.

Der Trend zu Clean Label-Backmitteln wird ermöglicht durch stetig verbesserte Enzymbackmittel, die fast gleich wirksam sind wie emulgatorhaltige. Enzyme sind keine Zusatzstoffe, denn im fertigen Produkt entfalten sie keine Wirkung mehr – sie werden beim Backen fast vollständig inaktiviert und sind daher nicht deklarationspflichtig. Ausserdem stellen sie – wie die Zusatzstoffe der Backmittel - kein Gesundheitsrisiko dar.

Michael Kleinert, Backwarenexperte und Dozent an der Hochschule Wädenswil HSW unterstützt den «Clean Label»-Trend und vor allen den Verzicht auf Emulgatoren. Dieser verlange zwar vom Bäcker mehr Professionalität, sei aber ohne Qualitätseinbusse möglich. Generell fordert er «nur soviele Backmittel wie qualitativ nötig». Der frühere Richemont-Laborleiter und Produktionsleiter von Hiestand plädiert ferner für wissenschaftliche Projekte, die den Genuss- und Gesundheitswert des Brotes untersuchen.

Es gelte, auf den ernährungsphysiologischen Nutzen von Backwaren aktiv hinzuweisen. Er appelliert an die Backwaren-Verbände, sich an Projekten zu beteiligen, die den Gesundheitswert der Backwaren verbessern wollen. Ein Beispiel: In der EU wurde kürzlich das Projekt «Healthgrain» initiiert, das die Forschung und Entwicklung von Vollkornprodukten unterstützt.

Die HSW führte vor drei Jahren einen Backmittel-Qualitätsvergleich durch mit achtzehn Produkten von sieben Firmen. Die Resultate sind zwar nicht öffentlich, aber der Backmittel-Hersteller Margo, welche mit dem Universalbackmittel Panovit als Testsieger hervorging, weist in der Werbung darauf hin: «Der arttypische Flavour, das grosse Volumen, die rösche Kruste, der ausgeprägte Riss und Stand, sowie die hohe Feuchtigkeit der Krume auch nach 72 Stunden, wurde vom HSW-Panel sehr geschätzt».

Abgestufte Wirkung

Backmittel haben dank oxidativer, reduktiver oder emulgierender Wirkung vor allem Einfluss auf die Teigbeschaffenheit beim Kneten. Ausserdem gibt der Zuckergehalt der Backmittel der Hefe Starthilfe. Während der Gärung verbessern sie Stabilität und Toleranz gegenüber Schwankungen bei Gärzeit- und –temperatur. Beim Backen schwindet ihre Bedeutung, erlaubt aber eine Ofentrieb-Verbesserung, und im fertigen Brot können einzelne Backmittel die Retrogradation verzögern.

Grundsätzlich sind Backmittel umso wichtiger, je kürzer man die Teigruhe festlegt, aber es gibt auch Produkte für Langzeitführungen. Diese stehen gemäss Erfahrung von Benno Eigenmann von Hochdorf Nutribake im Trend, denn «der Konsument verlangt heute wieder schmackhaftere Brote».



Besonders schmackhaft und im Trend: Dinkel-Vollkornbrote. Bild: «Dinkelkorn» von Hochdorf Nutritec, Hundert-Prozent-Vormischung mit Sauerteig.


Bei Normalbroten mit langer Teigruhe sind gemäss Richemont Backmittel-Compounds unnötig. Der Bäcker kann wenn nötig Einzelkomponenten wie Malzmehl oder Zucker einsetzen mit genügender Wirkung. Auch technologische Massnahmen helfen: Für die Verbesserung der Frischhaltung bewährt sich bei Dinkelbroten ein Anteil von frisch vorverkleistertem Teig (Brühstück), der die Wasseraufnahme fördert.

Bei langer Teigruhe entstehen ferner durch die Tätigkeit von Milchsäurebakterien nebst Aroma-Vorläufern auch Säuren, welche dank Stärkeabbau die Frischhaltung verbessern. Säuren bzw Trockensauerteige sind Komponenten von Backmitteln für die kurze Teigruhe. Backmittel sind auch umso wichtiger, je extremer die Mehlqualität anfällt (etwa bei zu starken Mehlen oder solchen aus amylasereichem Auswuchsgetreide).

Funktionelle Zutaten

Es gibt zahreiche Arten von Backmitteln, etwa für Kleinbrote, Teilbackbrote und gekühlte oder tiefgekühlte Teiglinge sowie für die stark standardisierte industrielle Herstellung. Auch Biobackmittel werden angeboten, die ebenfalls Enzyme enthalten können. Ausserdem offerieren die Backmittelhersteller für spezielle Prozesse massgeschneiderte Backmittel, welche beispielsweise auf eine Intensiv- oder Vakuum-Knetung abgestimmt sind.

Generell steigt laut Thomas Zenhäusern, QS+E-Leiter bei Puratos die Zahl der Backmittelsorten, da auch die Zahl der Brotsorten stetig zunimmt: «Anspruchsvoller als ein sortenspezifisches Backmittel ist aber die Entwicklung eines Universalbackmittels».

Einige funktionelle Zutaten von Spezialbroten wie Milch, Ei, Butter, Pflanzenfette oder Kartoffelmehl erleichtern den Backmittel-Verzicht. Erinnert sei auch ans früher weit verbreitete Schweineschmalz, dessen Wirksamkeit vor allem auf dem natürlicherweise vorhandenen Gehalt an Mono- und Diglyceriden mit emulgierender Wirkung beruht.


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Nebst im Prozentbereich dosierten reinen Backmitteln, die unabhängig von der Brotsorte Verwendung finden, gibt es Vormischungen von Backmitteln mit Spezialmehlen für spezifische Brotsorten wie Maisbrot, Pain Paillasse oder «Pan Gallego». Solche Convenience-Vormischungen, welche die Bäckerei zu zehn oder fünfzig Prozent mit Standardmehl mischt, stehen auch im Angebot von Getreidemühlen. Ausserdem gibt es Komplettmischungen wie etwa für Berliner, die nur noch Wasser benötigen.

Dennoch variiert die Qualität von Markenbroten wie Paillasse von einer zur andern Bäckerei: Trotz Standard-Convenience wirken sich betriebsspezifische Unterschiede bei den Verarbeitungsprozessen aus - Teige sind lebendige Rohstoffe.

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Notabene: Backmittel-Neuheiten werden an der bevorstehenden FBK präsentiert, und Richemont wartet mit Informationen zu ihrem Naturel-Label auf.

Suchbegriffe für diesen Bericht: Backmitteltrends, Brotbackmittel

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