29.8.2012: nachrichten | ||||
29.8.2012 Wenig Risiken grüner Gentechnik in der Schweiz Das Nationale Forschungsprogramm «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» hat keine Gesundheits- oder Umweltrisiken der grünen Gentechnik festgestellt.
Die Schweizer Landwirtschaft steht vor einer zweifachen Herausforderung: Sie muss die Umwelt schonen und gleichzeitig ihre Produktionskosten senken um wettbewerbsfähiger zu werden. Kann die grüne Gentechnik einen Beitrag zur Erreichung dieser doppelten Zielsetzung leisten? Um diese und andere Frage zu klären, hat der Bundesrat den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) mit der Durchführung des Nationalen Forschungsprogramms «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» (NFP 59) beauftragt, das nun zu Ende geht. Keine Risiken für Umwelt und Gesundheit festgestellt Zwei im Rahmen des NFP 59 durchgeführte Literaturstudien haben weltweit über Tausend wissenschaftliche Publikationen ausgewertet. Sie kommen zum Schluss, dass gentechnisch veränderte Pflanzen nach derzeitigem Stand des Wissens weder der menschlichen Gesundheit noch der Umwelt schaden. Wo im Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen unerwünschte Effekte auftreten, sind diese nicht eine Folge der Gentechnik selbst. Vielmehr sind sie auf mangelhafte landwirtschaftliche Praktiken (beispielsweise Monokulturen) zurückzuführen. Zum gleichen Ergebnis kommen elf Forschungsprojekte, die im Rahmen des NFP 59 die möglichen Umweltrisiken von gentechnisch verändertem Weizen, Mais oder Erdbeeren untersuchten: Sie konnten keine negativen Auswirkungen auf nützliche Insekten, Mikroorganismen oder die Bodenfruchtbarkeit feststellen. Wahlfreiheit gewünscht Trotzdem ist der Einsatz der Gentechnik in der Schweizer Nahrungsmittelproduktion umstritten. Studien des NFP 59 zeigen, dass nur rund ein Viertel der Konsumentinnen und Konsumenten bereit wäre, Lebensmittel zu kaufen, die mit Hilfe der Gentechnik hergestellt wurden. Jedoch sprechen sich über 80 Prozent für die Wahlfreiheit zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik aus. Ob Schweizer Landwirte nach einem Ende des gegenwärtigen Moratoriums gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen würden, hängt unter anderem von der Entscheidung der jeweiligen Nachbarbetriebe ab - und vom wirtschaftlichen Nutzen der Pflanzen. Dieser ist für die Schweizer Landwirtschaft zurzeit relativ gering. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn der Schädlingsdruck steigt - zum Beispiel aufgrund klimatischer Veränderungen - oder wenn gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, die mehrere neue Merkmale aufweisen und denen zum Beispiel weder Herbizide oder Pflanzenschutzmittel noch gewisse Krankheitserreger etwas anhaben können. Koexistenzkosten sinken, wenn sich Betriebe absprechen Grundsätzlich ist die Koexistenz landwirtschaftlicher Anbauformen mit und ohne Gentechnik auch in der kleinräumigen Schweiz möglich. Sie erfordert allerdings eine Anpassung des Gentechnikgesetzes, wie eine rechtswissenschaftliche Studie des NFP 59 nahelegt. Schätzungen einer weiteren NFP-59-Studie zeigen, dass sich der finanzielle Zusatznutzen gentechnisch veränderter Pflanzen und die Kosten der Koexistenz (etwa wegen den Isolationsabständen zwischen den Feldern und der Trennung der Warenflüsse) im Moment ungefähr die Waage halten. Jedoch könnten die Koexistenzkosten sinken, wenn sich Landwirtschafsbetriebe absprechen und zu Produktionszonen zusammenschliessen. Risikobewertung auf die Pflanze ausrichten Aus den Studien des NFP 59 zu den Auswirkungen auf die Umwelt ergibt sich: Nicht das Züchtungsverfahren sollte für die Risikobewertung von Pflanzen ausschlaggebend sein, sondern die Eigenschaften der für den Anbau vorgesehenen Sorte. Deshalb sollten gentechnisch veränderte Pflanzen hinsichtlich ihrer ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen mit konventionell (also ohne Gentechnik) gezüchteten Pflanzen verglichen werden. Diese Vorgehensweise ist besonders auch deshalb empfehlenswert, weil sich neue gentechnisch veränderte Pflanzen oft kaum mehr von konventionell gezüchteten Pflanzen unterscheiden lassen. Somit erweist sich eine Sonderbehandlung gentechnisch veränderter Pflanzen aus wissenschaftlicher Sicht zunehmend als fragwürdig. Dieser Befund zur Risikobewertung ist auch bei der Ausgestaltung des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) von Bedeutung: Die an den ÖLN gebundenen Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe sollten an den ökologischen Auswirkungen des Anbaus bestimmter Kulturpflanzen ausgerichtet sein, unabhängig davon ob diese mit oder ohne Gentechnik gezüchtet wurden. Feldversuche sind notwendig Die Feldversuche des NFP 59 haben unter anderem gezeigt, dass sich Pflanzen in der geschützten Umgebung eines Gewächshauses anders verhalten als im Freiland. Erst im Freiland zeigen sich die für die landwirtschaftliche Nutzung entscheidenden Vor- und Nachteile. Weil die Freilandversuche des NFP 59 mehrfach Ziel von Vandalenakten waren, schlägt das Forschungsprogramm die Errichtung geschützter Versuchsfelder vor, damit die Schweizer Forschungskompetenz in der Pflanzenbiotechnologie aufrechterhalten werden kann. (Schweizerischer Nationalfonds SNF) Verlängerung des GVO-Moratoriums in der Landwirtschaft? Eine erneute Verlängerung des GVO-Moratoriums schadet der Schweiz. Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine erneute Verlängerung des Gentech-Moratoriums nicht zu rechtfertigen. Das zeigen die Resultate des NFP59 «Nutzen und Risiken der Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen». Die Versuche in der Schweiz liefern keine Hinweise auf Risiken für Umwelt und Gesundheit. Damit bestätigt das NFP59 die Erkenntnisse internationaler Forschungsprogramme. Eine Koexistenz zwischen konventioneller und Biotech-Landwirtschaft ist ohne Risiko möglich. scienceindustries, der Wirtschaftsverband Chemie Pharma Biotech, und economiesuisse, der Verband der Schweizer Unternehmen, sowie die Swiss Biotech Association und das Konsumentenforum kf stellen sich entschieden gegen eine erneute Verlängerung des Gentech-Moratoriums. Ein staatliches Technologie-Verbot wäre innovationsfeindlich, rückwärtsgewandt und rechtlich problematisch. Das Gentechnik-Moratorium schadet dem Forschungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz und bedroht ihren weltweit anerkannten Spitzenrang in den Pflanzenwissenschaften. Die zahlreichen Projekte zur Biosicherheit im Rahmen des NFP59 liefern keine Hinweise auf Gefahren beim Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen. Diese Erkenntnisse decken sich mit Resultaten umfangreicher Erhebungen im In- und Ausland. Koexistenz ist möglich Die Koexistenz zwischen konventioneller und Biotech-Landwirtschaft ist möglich - dies mit einem geringen Mehraufwand. Der Anbau von GVO-Kulturen könnte auf der anderen Seite einen wirtschaftlichen Mehrertrag liefern. Eine gesetzliche Koexistenzordnung zwischen konventionellen und gentechnisch veränderten Pflanzen kann durch wenige Anpassungen im Gentechnik-Gesetz geregelt werden. Juristisch wäre eine erneute Verlängerung höchstens bis zum Inkrafttreten einer Koexistenzverordnung zu rechtfertigen. Zudem fehlt die Verfassungsgrundlage für eine erneute Verlängerung. Weltweit sind gentechnisch veränderte Pflanzen bereits auf dem Markt oder stehen kurz vor der behördlichen Zulassung. Krankheits- und schädlingsresistente Sorten und Pflanzen, die eine flexiblere Unkrautkontrolle ermöglichen, können sowohl dem Bauer wirtschaftliche Vorteile bringen als auch zur Ressourcenschonung und einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen. Gerade in der Landwirtschaft muss der Einsatz neuer Technologien möglich sein - zumal diese den Bauern und Konsumenten einen Mehrwert bringen. Über 35% der befragten Landwirte im Kanton Zürich könnten sich vorstellen, gentechnisch veränderte Kulturen anzubauen. Das zeigt die NFP59 Studie. Besonders wichtig ist den Schweizerinnen und Schweizern die Wahlfreiheit bei den Produkten. Sie wollen nicht bevormundet werden. Testverkäufe in der Schweiz bestätigen: Jeder fünfte Konsument kauft gentechnisch veränderte Produkte, wenn er die freie Wahl hätte. Weiter plädieren 71% aller Konsumenten für die Wahlfreiheit zwischen Lebensmitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen und solchen aus konventioneller Züchtung. Die Zahl von Personen, welche entsprechende Produkte kaufen würden, übersteigt gar die aktuelle Zahl der Bio-Konsumenten. Bio- und Gentechnologie leisten schon jetzt weltweit einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und prägen die Zukunft der Lebensmittelproduktion. Sie sind Technologien, welche aufgrund des weltweiten Bevölkerungswachstums vor allem für die Schwellen- und Entwicklungsländer immer wichtiger werden. Mit einer weiteren Verlängerung des Moratoriums vergibt sich die Schweiz eine Chance. Sie wird dadurch nicht ein Standort einer innovationsbasierten Akademie und Industrie sein, welche eine führende Rolle in der weltweiten Nahrungsmittelversorgung einnimmt. Damit schaden sich die schweizerische Volkswirtschaft und die Gesellschaft selbst. (scienceindustries) | ||||