6.9.2012: nachrichten | ||
6.9.2012 Ständerat befasst sich mit Swissnessvorlage Mehrerern Herstellern droht für einen Teil ihrer seit Jahren in der Schweiz hergestellten Produkte das Verbot, diese mit der Herkunft Schweiz auszuloben.
Mit seinem Vorschlag, dass in der Schweiz hergestellte Lebensmittel grundsätzlich nur dann mit dem Schweizer Kreuz versehen werden dürfen, wenn sie zu 80 Prozent aus einheimischen Rohstoffen bestehen, übersieht er, dass der gute Ruf, den Schweizer Produkte in der Welt geniessen, nicht von der Menge und Herkunft der eingesetzten Rohstoffe abhängt, sondern von deren Exzellenz als Ergebnis kreativer, sorgfältiger und qualitätsbewusster Arbeit. Die verkürzte Gleichung "Swissness = Rohstoff" hätte für die in der Schweiz hergestellten Lebensmittel zur Folge, dass sie nicht mehr mit einem Schweizer Kreuz gekennzeichnet werden dürften, obwohl sie in der Schweiz erdacht, erprobt, entwickelt und produziert werden. Die Forderung, dass auch industriell hergestellte Lebensmittel wie Biskuits, Tiefkühlpizza oder Beutelsuppen zu 80% aus Schweizer Agrarrohstoffen zusammengesetzt sein müssen, ist geradezu grotesk. Ohne vernünftig umsetzbare und faire Swissnessvorgaben drohen der Lebensmittel-Industrie und der Landwirtschaft Ungemach. International vernetzte Herstellfirmen könnten die Produktion von traditionsreichen Markenartikeln ins Ausland verlegen, weil das Festhalten am Produktionsstandort Schweiz wirtschaftlich nicht mehr Sinn macht. Für viele der in der Schweiz verbleibenden Firmen sinkt der Anreiz für den Einsatz von Schweizer Agrarrohstoffen angesichts der Unerreichbarkeit der Swissnessregeln massiv. Beide Szenarien hätten Arbeitsplatzverluste und Umsatzeinbussen für die Landwirtschaft und die Lebensmittel-Industrie zur Folge. Nationalrat für vernünftige Differenzierung Da die Swissness auch bei Lebensmitteln neben dem Herstellungsort in erster Linie für das "Savoir faire" und die Produktequalität steht, hat der Nationalrat nach knapp zweijähriger intensiver Vorarbeit seiner Rechtskommission die Vorlage in diesem Punkt den wirtschaftlichen Realitäten angepasst. Die Mehrheit der Ratsmitglieder will bei den Rohstoffanforderungen zwischen schwach und stark verarbeiteten Lebensmitteln unterscheiden, weil die Konsumentenerwartung an die Herkunft der Rohstoffe bei einem Käse eine andere ist, als bei einem aus 18 Zutaten hergestellten Biskuit. Währenddem es für schwach verarbeitete Produkte bei der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelung mit 80 Prozent einheimischen Rohstoffen bleibt, werden für stark verarbeitete Produkte 60 Prozent Schweizer Rohstoffe und 60 Prozent auf die Schweiz entfallende Herstellkosten vorausgesetzt. Mit ihrer Zustimmung zu diesem Wert akzeptiert die Schweizer Lebensmittel-Industrie einen Wert, der in Europa seinesgleichen sucht. Swissness ist nicht nur Rohstoff Die Herkunft der Rohstoffe ist insbesondere bei schwach verarbeiteten Produkten wie z.B. bei einem Käse für Konsumentinnen und Konsumenten wichtig. Bei stark verarbeiteten und aus vielen Zutaten bestehenden Produkten wie Biskuits, Beutelsuppen, Bonbons usw. ist die Herkunft der Rohstoffe für die Konsumentinnen und Konsumenten deutlich weniger wichtig. Das Schweizer Kreuz auf vorverpackten Lebensmitteln steht in ihren Augen in erster Linie für das "Savoir faire" und für Werte wie "Zuverlässigkeit", "Exklusivität" und "internationale Spitzenqualität". Ein Lebensmittel, das in der Schweiz hergestellt wurde, soll deshalb grundsätzlich auch mit dem Schweizer Kreuz gekennzeichnet werden dürfen. Der Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten vor Täuschung ist durch die detaillierten Vorgaben des Lebensmittelrechts bereits zweckdienlich sichergestellt und wird von den Kantonen durchgesetzt. Rechtssicherheit statt Zahlenfriedhöfe Die Nahrungsmittel-Industrie ist kompromissbereit und unterstützt in Verbindung mit praktikablen Ausführungsbestimmungen und Berechnungsmodalitäten den Vorschlag des Nationalrates, wonach für stark verarbeitete Lebensmittel eine kumulative Wert- und Gewichtsvorgabe von je 60 Prozent massgebend sein soll. Die Berechnungsvorgaben müssen aus dem Gesetzeswortlaut allerdings klar hervorgehen und stark vereinfacht werden, damit sie auch für kleinere Unternehmungen ohne Spezialisten umsetzbar sind. Zusammengesetzte Zutaten (z.B. Teigwaren in einer Fertigsuppe) sollen nicht noch in ihre ursprünglichen Ingredienzen aufgeschlüsselt werden müssen. Einheimische Rohstoffe? Wenn immer möglich! Die Verwendung von Schweizer Rohstoffen liegt sowohl im Interesse der einheimischen Landwirtschaft als auch der auf nachhaltige Produktion bedachten Nahrungsmittelhersteller. Soweit dafür Rohstoffe benötigt werden, bei denen die Schweiz einen hohen Selbstversorgungsgrad hat (wie Milch, Fleisch, verschiedene Getreidesorten, Kartoffeln) soll für diese eine Swissnessverwendungsvorgabe von 60 Prozent für stark und von 80 Prozent für schwach verarbeitete Produkte gelten. Sofern diese Rohstoffe allerdings nicht in der erforderlichen Qualität und Menge erhältlich sind, müssen sie ausgenommen werden. Ein Verbot, in der Schweiz hergestellte Lebensmittel mit einem zu geringen Anteil an einheimischen Rohstoffen mit dem Schweizer Kreuz auszuzeichnen, vermindert deren Attraktivität in ausländischen Ladenregalen. Kurzarbeit oder die Reduktion von Stellen sind mögliche Folgen. Für multinationale Unternehmungen entfällt ein wichtiges Argument, am Produktionsstandort Schweiz festzuhalten. Eine Verlagerung der Produktion ins kostengünstigere Ausland ist ein realistisches Szenario. Die Schweizer Wirtschaft verdient jeden zweiten Franken im Ausland. Die Schweizer Nahrungsmittelhersteller exportieren durchschnittlich 20 Prozent ihrer Produkte bei zunehmender Tendenz. Produkte mit dem Schweizer Kreuz erfreuen sich im Ausland zunehmender Beliebtheit. Da der Inlandmarkt auf hohem Niveau gesättigt ist, können die Schweizer Nahrungsmittelhersteller ihre Position nur im Ausland ausbauen. Eine im internationalen Vergleich kleinliche, technokratisch angehauchte und agrarpolitisch motivierte Swissnessregelung verschlechtert die Perspektiven vieler Firmen auf dem Werkplatz Schweiz. Eine breite Allianz von Firmen appelliert deshalb an das Parlament, die Swissnessvorlage im gesamtwirtschaftlichen Interesse besser auszubalancieren. Die Annehmbarkeit der Swissnessvorlage für die Schweizer Nahrungsmittel-Industrie setzt folgendes voraus: • Bei den Rohstoffvorgaben ist zwischen schwach und stark verarbeiteten Lebensmitteln zu unterscheiden; • Zu berücksichtigen sind nur diejenigen Rohstoffe, bei denen die rohstoffarme Schweiz einen Selbstversorgungsgrad von mindestens 50 Prozent aufweist; • Die Gefährdung oder Verlagerung von Arbeitsplätzen der Schweizer Lebensmittel-Industrie und Landwirtschaft durch unrealistische Vorgaben müssen verhindert werden; • Die Swissnessvorlage soll auf einfachen Regeln basieren und muss gesamtwirtschaftlich Sinn machen. Sie darf nicht für sachfremde Anliegen und Partikularinteressen instrumentalisiert werden. (fial) | ||