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21.7.2015 KURZNEWS 21. Juli 2015 Funktionelle Milchproteine für Functional Food besser nutzbar / Bulgarien und Rumänien fälschen Kaviar / Laborfleisch kaufen im Internet? Funktionelle Milchproteine für Functional Food besser nutzbar Funktionelle Milchproteine könnten noch häufiger wertvoller Bestandteil vieler Lebensmittel sein, doch da gibt es ein Problem: Sie liegen in zu niedrigen Konzentrationen und lediglich als Gemisch vor. Hier setzt das Projekt Whey2Food an. Wissenschaftler der Universität Hohenheim entwickeln mit ihren Kooperationspartnern ein Verfahren, um kleine Proteine oder deren Spaltprodukte, die Peptide, zu fraktionieren und anzureichern. Das eröffnet neue Anwendungsbereiche: Einzelne Milchprotein-Fraktionen und funktionelle Peptide können in Sportgetränken, Babynahrung und bilanzierten Diäten eingesetzt werden oder als natürliche Emulgatoren fungieren. Die Universität Hohenheim erhält aus dem EU-Projekt 275.200 Euro. Whey2Food gehört damit zu den Schwergewichten der Forschung der Universität Hohenheim. Milchproteine zählen zu den hochwertigsten Proteinen in der Ernährung. Darin verborgen sind zudem zahlreiche biofunktionelle Peptide. Doch die Lebensmittelhersteller konnten diese Peptide bisher kaum nutzen. „Dazu müssen die Bestandteile in einzelne Fraktionen getrennt und angereichert werden, was bisher nur in Kleinstmengen im Labormassstab möglich war“, erklärt Prof. Dr. Jörg Hinrichs vom Fachgebiet Milchwissenschaft und -technologie an der Universität Hohenheim. Das wollen die Wissenschaftler im Projekt Whey2Food nun ändern. Ein neues Verfahren soll das ernährungsphysiologische und funktionelle Potenzial der Milchproteine nun verstärkt erschliessen. Die Universität Hohenheim entwickelt die Methode gemeinsam mit dem Fraunhofer IGB, dem belgischen Forschungsinstitut VITO und Firmenpartnern aus fünf europäischen Ländern. „Reine Filtration trennt die Partikel nur aufgrund ihrer Grösse“, erläutert Prof. Dr. Hinrichs. „Kleine Proteine und Peptide sind jedoch alle fast gleich gross. Die konventionelle Filtration führt deshalb zu einem Gemisch verschiedener Peptide.“ Kleine Proteine und Peptide unterscheiden sich jedoch in ihrer Aminosäurenzusammensetzung und damit je nach pH-Wert in ihrer Ladung. Das nutzen die Forscher als zusätzliches Selektionskriterium. Sie haben die Filteranlage mit einem elektrischen Feld überlagert – und diese Cross-Flow-Elektromembranfiltration ermöglicht eine Fraktionierung und Anreicherung von Peptiden. Durch die Auftrennung erschliessen sich neue Einsatzmöglichkeiten, erklärt Prof. Dr. Hinrichs. „Es entstehen zum Beispiel zwei Fraktionen von Peptiden, die beide für die Lebensmittelindustrie interessant sind: Kurzkettige bioaktive Peptide und langkettige Peptide.“ Wissenschaftliche Studien berichten, dass bestimmte bioaktive Peptide einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben sollen, etwa indem sie das Herz-Kreislaufsystem unterstützen, die Mineralabsorption verbessern oder die Muskelregeneration fördern. Sie sind daher für funktionelle Lebensmittel wie Sportgetränke geeignet. „Für die Molkereibetriebe sind Peptide aber nicht nur interessant, weil man so der Lebensmittelverschwendung entgegenwirkt“, erläutert der Experte die Vorteile. „Langkettige Peptide können auch Grenzflächen stabilisieren, wirken also emulgierend, so dass man auf zugesetzte Emulgatoren verzichtet kann.“ Die Elektromembranfiltration trennt die Milchinhaltsstoffe auf sehr effiziente Weise. „Das Verfahren hat sich im Labormassstab bewährt“, so der Experte, „und muss nun in den technischen Massstab übertragen werden.“ Diesen Teil wollen nun die Forschungspartner vom Fraunhofer IGB übernehmen und die Technik für die Praxis optimieren. Doch auch die Wissenschaftler an der Universität Hohenheim bleiben am Ball: Sie erproben den gleichen Aufbau für verschiedene Anwendungsbereiche. Das Projekt “Whey2Food – Enhanced protein fractionation from protein sources for their use in special food applications” läuft vom 1.11.2013 bis 31.10.2015. Die deutschen Forschungspartner Fraunhofer IGB (Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik) und Universität Hohenheim sowie das belgische VITO (Vlaamse Instelling voor Technologisch Onderzoek) arbeiten zusammen mit Firmenpartnern aus fünf europäischen Ländern. Whey2Food wird im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU gefördert, wobei 275.200 Euro auf die Universität Hohenheim entfallen. Damit zählt es zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim. Rund 30 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2014 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften. (Universität Hohenheim 16.7.2015) Bulgarien und Rumänien fälschen Kaviar (Forschungsverbund Berlin e.V. 15.7.2015) - Ein erheblicher Teil des in Bulgarien und Rumänien verkauften Kaviars wird mit falschem Etikett verkauft oder ist sogar gefälscht. Dies fanden Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und des WWF Österreich durch eine Marktuntersuchung heraus. Die Studie wurde jetzt in dem wissenschaftlichen Fachmagazin Journal of Applied Ichthyology veröffentlicht. Analysen von 27 Kaviarproben aus Rumänien und Bulgarien ergaben, dass die Anzahl an Kaviardosen, die mit falschem oder überhaupt keinem Etikett zum Verkauf angeboten werden, unerwartet hoch ist. Eigentlich müssen alle Kaviargläser und -dosen durch einen universellen Etikettierungscode gekennzeichnet sein, welcher die wichtigsten Informationen über die Herkunft des Kaviars, z. B. Störart, Aquakultur oder Wildfang und Herkunftsland, angibt. In sieben Fällen wurde der Kaviar jedoch illegal ohne Etikett von Strassenverkäufern oder in Geschäften verkauft. Durch genetische Analysen wurde bei allen Kaviarproben die Störart bestimmt. Unter den etikettierten Dosen stimmten lediglich zehn Proben mit der angegeben Art überein. Vier Proben enthielten Kaviar von einer anderen bzw. mehreren, nicht auf dem Etikett genannten Störarten. Bei mindestens einer der falsch etikettierten Kaviardosen wurde der Kaviar von einer preiswerteren zu einer teureren Art aufgewertet. Sechs Proben waren gefälscht. Drei dieser Fälschungen enthielten überhaupt keine tierische DNA und wurden wohl gänzlich künstlich erzeugt. Eine Probe stammte vom Seehasen (Cyclopterus lumpus), dessen Eier allgemein als Kaviarersatz verkauft werden. Die anderen beiden Fälschungen sind höchstwahrscheinlich aus Störfleisch hergestellt worden. „Besonders besorgniserregend für den Schutz der Störe waren vier Proben, die im Restaurant oder von Strassenverkäufern explizit als Kaviar von wilden Donau-Stören angeboten wurden. Die Fische wurden also illegal gefangen“, sagt Arne Ludwig vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW). Der Kaviar stammte von dem stark gefährdeten Beluga-Stör (Huso huso), dessen Population im Donaudelta wahrscheinlich kurz vor dem Aussterben steht. „Ein wirkungsvoller Schutz der Störe ist nur möglich, wenn Wilderei und illegaler Handel endlich gestoppt werden“, ergänzt Jutta Jahrl vom WWF Österreich. Echter Kaviar ist eines der teuersten Tierprodukte im weltweiten Handel und wird von Stören und Löffelstören entnommen. Der Preis des Kaviars hängt stark von der Herkunftsart ab, wobei der teuerste Kaviar vom Beluga-Stör stammt. Die Wilderei stellt weltweit eine grosse Bedrohung für das Überleben der Störe dar. Laut Einschätzung der Weltnaturschutzvereinigung (IUCN) von 2009 sind Störe die weltweit am stärksten gefährdete Tiergruppe. Alle 27 Stör- und Löffelstörarten wurden in die Liste des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) aufgenommen, um sie vor illegalem Handel zu schützen. Dadurch soll jeder internationale Handel von Störexemplaren, -teilen oder -produkten kontrolliert werden, was auch das oben beschriebene Etikettierungssystem beinhaltet. Die relativ hohe Anzahl an falsch etikettierten Kaviardosen wirft jedoch Zweifel an der Effizienz des CITES-Kennzeichnungssystems und dessen Kontrolle auf. „Rumänien und Bulgarien sind die einzigen Länder der Europäischen Union, in denen noch immer wildlebende Störpopulationen, z. B. im Schwarzen Meer oder in der Donau, vorkommen“, berichtet Harald Rosenthal, Präsident der World Sturgeon Conservation Society (WSCS). Zwar gibt es in beiden Ländern Fang- und Handelsverbote, jedoch hält offensichtlich die illegale Fischerei weiterhin an. „Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die Schwäche des Störschutzes in Rumänien und Bulgarien. Wir empfehlen daher, den Schutz und die Kontrollmassnahmen zu verstärken“, betont Arne Ludwig. Er und seine Kollegen plädieren dafür, DNA-Kontrollen von Kaviar intensiver durchzuführen und dabei auch Dosen mit scheinbar korrektem Etikett einzubeziehen. (Quelle: Ludwig A, Lieckfeldt D, Jahrl J (2015): Mislabeled and counterfeit sturgeon caviar from Bulgaria and Romania. J APPL ICHTHYOL; DOI: 10.1111/JAI.12856) Warnung vor Staphylokokken-Toxine in Grillkäse BLV, 13.07.2015 - Bei einem Grillkäse der Firma natürli Zürioberland AG wurden Enterotoxine von Staphylococcus aureus nachgewiesen. Eine Gesundheitsgefährdung kann nicht ausgeschlossen werden. Als Folge können Übelkeit, Durchfall und Erbrechen auftreten. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) empfiehlt, die betroffenen Waren nicht zu konsumieren. Die Produkte wurden umgehend vom Markt genommen. Das BLV empfiehlt Personen, welche die oben erwähnten Grillkäseprodukte gekauft haben, diese nicht zu konsumieren. Die Produkte können in die Filialen zurückgebracht werden. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) wurde durch die Kantonalen Laboratorien St. Gallen und Zürich über den positiven Befund von Enterotoxinen von Staphylococcus aureus in Grillkäse informiert. Die Rücknahme der betroffenen Produkte aus den Verkaufsregalen wurde umgehend veranlasst. Betroffene Grillkäseprodukte, verkauft bei Migros Ostschweiz und Zürich, COOP, Volg, Spar, sowie in verschiedenen anderen kleineren Lebensmittelgeschäften in der Deutschschweiz: •Grillspiess Provencale •Grillspiess Barbecue •Grillkäse-Spiess Speck mit Kräutern •Grillkäse nature •Grillkäse Knoblauch •Grillbratchäs mariniert •Grillbratchäs Provencal Enterotoxine werden von Bakterien gebildet, sie können Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und kolik- bis krampfartige Bauchschmerzen verursachen. Die Inkubationszeit beträgt wenige Stunden. Die Enterotoxine von Staphylococcus aureus sind sehr resistent gegenüber Hitze. Es ist davon auszugehen, dass auch nach dem Grillieren die Enterotoxine noch aktiv sind. KOMMENTAR Stellungnahme von Natürli zum Grillkäserückruf Vom Rückruf sind alle unsere Grillkäseprodukte betroffen. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten. Wir bemühen uns zurzeit um schnellstmögliche Freigabe der Produkte, damit wir unseren Kunden so bald als möglich unsere Grillkäse wieder in der gewohnten Qualität anbieten können. Für die Freigabe muss für jede Charge der Beweis erbracht werden, dass diese frei von Staphylokokken und deren Enterotoxinen ist. Die natürli zürioberland ag vertreibt eine Vielzahl von anderen Käsesorten, etwa 70 davon werden in den Produktionsräumen in Saland portioniert und/oder affiniert. Eine Übertragung der Staphylokokken auf andere Käse ist nahezu ausgeschlossen, weil diese bis heute nur im Grillkäse und nur einmal nachweisbar waren. Die anderen Käsesorten aus der gleichen Käserei wurden analysiert und waren negativ (d.h. frei von Staphylokokken und deren Enterotoxinen). Der Grund dafür ist: eine andere Technologie bei der Käseherstellung und eine separate Produktionsline. Das gleiche gilt auch für unsere Verarbeitungsräume in Saland. Staphylokokken belasteter Käse kann keine andern Käse „anstecken", weiter können sich Enterotoxine nicht vermehren. Das heisst sie können unbesorgt weiterhin unsere anderen feinen Käsespezialitäten geniessen. Wir bedanken uns für ihre Treue und wünschen ihnen einen angenehmen Sommer. (natürli zürioberland ag 17.7.2015) PRESSESCHAU Grillkäse-Warnung bedroht 100 Arbeitsplätze Für Sie gelesen im Tagesanzeiger 18.7.2015: Der Rückruf der Grillprodukte und das aktuelle Verkaufsverbot gefährden die Existenz des Käseherstellers Natürli aus dem Zürcher Oberland mit 100 Angestellten. Beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) betont man, dass das Amt lediglich empfohlen habe, die Ware nicht zu konsumieren. Doch da alle Verteiler den Grillkäse aus dem Sortiment genommen haben, resultierte die Empfehlung für Natürli in einem faktischen Verkaufsstopp. Für die mittelständische Firma ist das eine mittlere Katastrophe. «Der Schaden wird für uns jeden Tag grösser», sagt Bieri. Die Medienberichterstattung zum «Gammelkäse» («Blick») hält Bieri für hysterisch. Das Immunsystem eines gesunden Menschen könne mit einer Vielzahl von Bakterien umgehen, ohne krank zu werden. Ob der Durchfall eines Migros-Kunden vom Grillkäse stammte und ob der ins Labor geschickte Natürli-Käse tatsächlich von bösen Bakterien befallen war, ist für Bieri nicht erwiesen. Er hofft, dass weitere Laboruntersuchungen zeigen, dass der Natürli-Grillkäse einwandfrei ist. Bei Konsumenten mit schwachem Immunsystem können die Enterotoxine der Bakterienart Staphylococcus aureus zu Übelkeit, Durchfall und Erbrechen führen. Käse ohne Bakterien zu produzieren, ist unmöglich, sie sind zur Herstellung unverzichtbar. Erwünscht sind aber nur bestimmte Bakterien. «Wir untersuchen die Milch und den Käse regelmässig auf Staphylokokken. Alle unsere Proben waren immer einwandfrei», sagt Bieri. Im Gegensatz zur industriellen Käseproduktion werde die Milch bei Natürli nicht pasteurisiert. «Beim Pasteurisieren wird alles Leben abgetötet», erklärt der Käsespezialist. Dass immer mehr Menschen an Allergien leiden oder über Nahrungsmittelunverträglichkeiten klagen, hat gemäss Bieri auch damit zu tun, dass die meisten nur noch «tote Materie» zu sich nehmen. Gemäss Bieri könnten die Staphylococcus-aureus-Bakterien auch bei der Verpackung oder Weiterverarbeitung in den Grillkäse gelangt sein. Doch er sei jetzt der Leidtragende. (Volltext: www.tagesanzeiger.ch) Laborfleisch kaufen im Internet? Für Sie gelesen in der Schweiz am Sonntag 19.7.2015: Knochenmark-Eier aus dem 3-D-Drucker zur Vorspeise, gefolgt von einem gestrickten Steak zum Hauptgang und Fleischfrüchten zum Dessert. Solch ausgefallene Gerichte stehen auf der Karte des «Bistro In Vitro», das diesen Mai seine Tore geöffnet hat. Alle Gerichte werden mit Fleisch zubereitet, das im Labor künstlich gezüchtet worden ist – ohne dass ein Tier sterben musste. Das Bistro existiert nur virtuell. Man kann zwar im Internet einen Tisch reservieren und ein Menü bestellen, doch nicht essen. Denn so weit ist die Technologie für In-vitro-Fleisch noch nicht ganz. Das Online-Bistro hat der holländische Thinktank Next Nature ins Leben gerufen. «Wir wollen, dass die Leute sich Gedanken machen über die Zukunft des Fleischkonsums», sagt Direktor Koert van Mensvoort. Doch wer würde ins «Bistro In Vitro» essen gehen? Der Veganer, weil Fleisch auch ohne den Tod eines Tieres erhältlich wäre? Der Umweltschützer, weil In-vitro-Fleisch natürliche Ressourcen schont? Die Meinungen sind gespalten. Wir haben Christina Roduner von der Veganen Gesellschaft Schweiz zu einem Nachtessen im Bistro In Vitro eingeladen. Sie hat abgelehnt: «Mir ist In-vitro-Fleisch zu nahe am Tier, ich würde nicht hingehen.» Jede Minimierung von Tierleid sei zwar zu begrüssen. «Tierisches Eiweiss, auch aus dem Labor, ist aber gar nicht mehr notwendig, denn es gibt bereits heute hochwertige pflanzliche Proteinquellen etwa Soja und Hülsenfrüchte», sagt Roduner. Adriano Mannino ernährt sich ebenfalls vegan und findet, Veganer sollten künftig In-vitro-Fleisch aktiv nachfragen, um ihm zum Durchbruch zu verhelfen. «In-vitro-Fleisch hat das Potenzial, global sehr viel Leid zu mindern», sagt der Co-Leiter des Projekts «Sentience Politics», dessen Ziel es ist, Politik für alle leidensfähigen Wesen zu machen. Das aktuelle «Laborfleisch» würde Mannino allerdings nicht konsumieren: Er verweist darauf, dass fötales Kälberserum als Nährlösung für dessen Kultivierung eingesetzt wird, und Kälberserum wird aus dem Blut von Föten gewonnen. Es gebe aber Forschungsprojekte, die an veganen Ersatzprodukten für Kälberserum arbeiteten, sagt Mannino. Dass wir in 13 Jahren schon regelmässig In-vitro-Fleisch essen, ist laut van Mensvoort jedoch nur bedingt realistisch. Über die technische Umsetzbarkeit einer einzelnen Speise gibt in seinem Bistro ein Sternesystem Auskunft: Das Knochenmark-Ei bekommt einen Stern und ist 2028 wohl noch nicht zu haben. Hingegen wären die «Magic Meatballs» – farbige In-vitro-Proteinbomben – mit fünf Sternen heute schon technisch umsetzbar. Magische Fleischklösse – etwas, das es im Vegi-Restaurant Hiltl in Zürich nicht gibt. Wer nun denkt, das sei in Stein gemeisselt, der irrt. «Wenn In-vitro-Fleisch biologisch, nachhaltig und fair hergestellt würde, könnten wir es durchaus in unserem Restaurant anbieten», sagt Rolf Hiltl. Wenn man für ein Fleischprodukt keine Tiere überzüchten und töten müsse und dieses im Geschmack überzeuge, sei das sinnvoll. Für eine Portion Knochenmark-Ei zu haben wäre Heinrich Bucher, Direktor von Proviande, der Branchenorganisation der Fleischwirtschaft. Ob er dann öfter zum In-vitro-Fleisch greifen würde, hänge vom Genusserlebnis ab: «Ich glaube, In-vitro-Fleisch wird das herkömmliche nie ganz imitieren können», vermutet Bucher. Proviande sehe dieser Entwicklung deshalb gelassen entgegen. «Heute essen die Leute ja auch Tofu, aber Fleisch ist nach wie vor erste Priorität.» Zumindest das Angebot des Bistros testen würde Damian Oettli, Leiter der Abteilung Konsum und Wirtschaft beim WWF. In-vitro-Fleisch weise gegenüber herkömmlichem unbestreitbare Vorteile auf: «Der Ausstoss von Treibhausgasen durch Masttiere wird reduziert und der Bedarf an Futtermitteln aus tropischen Regionen, wie zum Beispiel Soja, verkleinert. Das ist gut für die Umwelt, und es müssen keine Tiere geschlachtet werden.» Ernährungsexperte Adrian Rufener von der Berner Fachhochschule sieht im In-vitro-Fleisch den Vorteil, dass «die Inhaltsstoffe bei der Herstellung gezielt verändert werden können, beispielsweise der Cholesteringehalt». Dieser Vorteil sei im Vergleich zum Umweltaspekt aber weniger gewichtig. Aus gesundheitlicher Sicht wäre eher ein Umdenken bezüglich des grossen Fleischverzehrs angezeigt. (Volltext: Schweiz am Sonntag 19.7.2015: http://www.schweizamsonntag.ch/) Elektro- kontra Gasbetäubung bei Hühnern Für Sie gelesen im Tagesanzeiger: Wenn Tiere getötet werden, soll dies möglichst schonend erfolgen. Doch diesem Anspruch scheinen die Fleischverarbeiter nur bedingt gerecht zu werden. Tierschützer jedenfalls monieren, dass bei den Schweizer Hühnern ein problematisches Instrument nach wie vor zum Arbeitsgerät der Fleischverarbeiter gehört: die Elektrobetäubung. Bei dieser Methode werden die Tiere im Schlachthof bei vollem Bewusstsein an den Beinen in die Schlachtkette eingehängt. Nach einer mehr oder weniger langen Fahrt tauchen sie in dieser Position mit dem Kopf in ein Wasserbad ein und werden durch einen elektrischen Schlag betäubt und dann entblutet. «Die Tiere werden bereits dadurch enorm belastet, dass sie fliessbandmässig eingehängt und kopfüber transportiert werden», sagt Cesare Sciarra, der beim Schweizer Tierschutz (STS) für die Kontrolle der Schlachthöfe zuständig ist. Dabei empfänden sie meist auch Schmerzen. Manche Tiere berühren seinen Schilderungen zufolge das Wasser zuerst mit den Flügeln und erhalten starke Stromschläge, ohne gleich betäubt zu sein. Andere, vor allem kleinere Tiere, können das Wasserbad «überfliegen», indem sie den Kopf hochziehen. «Auf diese Weise gelangen sie im Extremfall ohne Betäubung in die automatischen Entblutungsmesser und dann in die Brühanlage.» Auch können Hühner laut Sciarra trotz Stromschlägen noch nicht ausreichend betäubt sein. Der Grund: Zu starke Stromstösse bewirken vermehrt Blutungen im Muskelgewebe; ein Teil des Fleisches lässt sich so nicht mehr verkaufen, was finanzielle Einbussen nach sich zieht. Schonender ist demgegenüber die Gasmethode, wie Sciarra sagt. Hierbei werden die Tiere zuerst betäubt, bevor sie an den Beinen in die Schlachtkette eingehängt und entblutet werden. Zwar könne das Gas C02 die Augen und Atemwege reizen, was bei den Hühnern Atemnot und Panik verursachen könne. «Durch Beimischung von Sauerstoff in gewissen Konzentrationen oder zum Teil anderer Gase kann dieser negative Effekt erfahrungsgemäss jedoch stark gemildert werden», sagt Sciarra. Noch nicht eindeutig geklärt habe die Forschung, ob er sich ganz beseitigen lasse. Trotz der skizzierten Mängel setzt Micarna auf diese Betäubungsart. Bell, der Coop beliefert, verzichtet bei Hühnern auf die Elektromethode seit 2011. Bei den Schweinen ist dies seit den 90er-Jahren der Fall. Rinder werden wie bei Micarna mit einem Bolzenschussapparat betäubt. Möglichst wenig Stress diene nicht nur dem Tierwohl, sondern auch der Fleischqualität, sagt Sprecher Fabian Vetsch. An seiner Praxis gedenkt Bell nichts zu ändern. Anders Micarna. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftern klärt der Fleischwarenproduzent derzeit ab, ob eine Umstellung auf die Gasbetäubung Sinn macht. «Grundsätzlich», sagt Sprecher Hinder, «können wir uns bei entsprechenden Ergebnissen eine Umstellung der Schlachtmethode vorstellen.» (Volltext: www.tagesanzeiger.ch 17.7.2015) | |