![]() Fleisch & Delikatessen: Aktuell | |||||||||||
Fleisch & Delikatessen Cervelas«krise» verhüten Der Schweizer Fleischfachverband SFF verfolgt für die Problemlösung der Cervelasdarm-Beschaffung den politischen Weg. Falls dieser nicht oder nicht rechtzeitig realisierbar ist, bestehen technologische Alternativen, allerdings keine mit den gewünschten Passepartout-Eigenschaften und der ebenfalls wichtigen Beschaffungssicherheit. Welche kommen der Wahrheit am nächsten?
Die besonderen Eigenschaften der Cervelas sind dem brasilianischen Kranzdarm des Zeburindes zu verdanken. Dieser besitzt viele Vorteile: Er ist ein naturbelassener Rohstoff, schälbar und grillierbar und sorgt für das richtige Kaliber mit der typischen Krümmung. Aber er kann nicht mehr importiert werden – die Betriebe und Lieferanten zehren von ihren Vorräten. Weil die EU Brasilien im April 2006 als Land «mit kontrolliertem BSE-Risiko» einstufte, werden die Rinderdärme nicht mehr als Lebensmittel zugelassen. Die Schweiz passte Anfang 2007 ihr Lebensmittelrecht der EU an und muss nun die EU-Regelung übernehmen. Bei Missachtung müsste die Schweizer Fleischbranche damit rechnen, dass der beginnende Wurstwarenexport in die EU von Brüssel gerade wieder blockiert würde. SFF-Präsident und Ständerat Rolf Büttiker sucht politische Lösungen für das komplizierte Problem. Und eine «Task-Force Cervelas», bestehend aus Bundesamt für Veterinärwesen BVET, SFF, Coop, Migros und dem Verband des Schweizer Darmhandels soll die Nationalwurst retten. Sie verfolgt mehrere Lösungsansätze: Die Einstufung der verwendeten Darmabschnitte als Nichtrisikomaterial, die Anerkennung von Paraguay, das derzeit sein Veterinärwesen umstrukturiert. Und vor allem setzt sie auf die Compartmentlösung, d.h. eine Importfreigabe von kontrollierten Farmen in Brasilien. Im Einvernehmen mit den europäischen Behörden soll ein «Importfenster» aufgehen für Zebu-Rinderdärme aus Brasilien entlang einer definierten und kontrollierten Produktions- und Handelskette. Ulrich Kihm, BSE-Spezialist und früherer BVET-Direktor erhielt von der "Task Force" den Auftrag, wissenschaftlich zu belegen, dass der Darm des brasilianischen Zeburindes nicht risikobehaftet ist, wenn ein bestimmter Abschnitt entfernt wird. Laut dem BVET ist ein Brasilien-Importfenster möglich, allerdings sei dies erst längerfristig eine Lösung. Dieser Weg wäre ein Präzedenzfall, daher liegen keine Erfahrungen vor und Prognosen sind nicht möglich. Sogar im Erfolgsfall ist kaum damit zu rechnen, dass das Problem noch im laufenden Jahr gelöst werden kann. Auch die Zulassung anderer Lieferländer braucht Zeit, ebenso eine Neubeurteilung der Risikosituation. Zebu-Rinder gibt es zwar auch in Uruguay, doch könnte das Land die Nachfrage nach Därmen mengenmässig nicht befriedigen. Paraguay wäre eine weitere Möglichkeit, doch zeigte sich die dortige Fleischindustrie bislang nicht interessiert. Argentinien liefert mehrheitlich Wursthüllen in grösseren Kalibern und mit fettigerer Eigenschaft, was nicht unseren Spezifikationen entspricht. Dasselbe Problem ergäbe sich übrigens bei Rinderdärmen aus der Schweiz, die ausserdem viel teurer wären.
Der gekranzte (gekrümmte) Kollagendarm (aus tierischem Protein) weist gemäss der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP «ebenfalls hervorragende Eigenschaften auf. Seine grossen Stärken sind die Kalibertreue sowie seine Genussfähigkeit kalt und warm. Allerdings ist er nicht clipbar sondern muss abgedreht werden. Das Aufsetzen eines in der Grösse exakt abgestimmten Konus auf das Füllrohr ist notwendig. Die Räucherdauer muss man von 90 auf 60 Minuten verkürzen. Aber die zwischen den einzelnen Stössen abgedrehten Kollagenhüllen neigen bei der industriellen Anwendung vermehrt zum Reissen». ALP empfehlt «den gekranzten Kollagendarm oder Rinderdärme aus Uruguay. Für gewerbliche Betriebe, welche variierende Cervelaskaliber verkaufen können, kommt auch der Schweinedarm in Frage». Die Vorarbeit der ALP ist eine nützliche Grundlage für Evaluationen, welche sonst die Betriebe oder ihre Lieferanten einzeln mit grossem Aufwand durchführen müssten. Von brasilianischen Rinderdärmen bestehen noch Vorräte und ähnliche aus Uruguay sind immer noch erhältlich. Diese werden gemäss ALP sowohl den technologischen wie auch den sensorischen Anforderungen absolut gerecht, auch wenn beim Abklippen wegen der fleischigeren und leicht fettigeren Hülle mit einem geringeren Druck (4 anstelle 5.5 bar) gearbeitet werden sollte. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Nachfrage nach Uruguaydärmem das kleine Angebot übersteigen wird. Darmtypen, Eigenschaften und Verwendung im Überblick
Quelle der Darmtypenliste: Darmhandels-AG St.Gallen Weiterlesen: Aus der Cervelasnot eine Tugend machen | |||||||||||