Backwaren & Confiserie: Report | ||||||||||
Backwaren & Confiserie Seriöse Empfehlungen für Allergiker In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für Allergien gestiegen. Die Lebensmittelbranche hat viel getan, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Teilweise nutzt sie den Trend auch im Marketing. Welche Getreideprodukte darf man betroffenen Personen empfehlen? Bericht in zwei Teilen (Teil 1).
Eine der häufigsten Lebensmittel-Intoleranzen ist die Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie). Das Kleberprotein Gluten kommt in Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste, Hafer, Einkorn, Emmer und Kamut vor. Zöliakie gilt zwar nicht als Allergie im immunologischen Sinn, doch die Folgen sind ähnlich gravierend: Gluten zerstört bei Betroffenen selbst in kleinsten Mengen die Dünndarm-Zotten. Die Beschwerden äussern sich als Blähungen, Durchfall und Erbrechen. Es gibt zwar auch Weizenallergiker (diese leiden an einer immunologischen Allergie gegen Weizenproteine), allerdings wesentlich weniger als Gluten-Intolerante. Welche Getreideprodukte darf man betroffenen Personen empfehlen? Georg Schäppi, Geschäftsleiter des Allergiezentrums aha! sagt klar: «Da verschiedene Getreidearten aufgrund ihrer engen botanischen Verwandtschaft ähnliche Eiweisse enthalten, können Betroffene mit einer Weizenallergie auch beim Konsum anderer Getreidearten nie vor einer allergischen Reaktion sicher sein. Daher darf man keine Getreideprodukte ohne Einschränkungen empfehlen. Zöliakie-Betroffene dagegen reagieren auf Gluten und müssen daher alle glutenhaltigen Getreidesorten unbedingt vermeiden. Sie können auf brotartige Produkte aus glutenfreien Getreidearten ausweichen». Dies sind Hirse, Mais, Reis, Buchweizen und Quinoa. Die letzten zwei gelten botanisch als Scheingetreide. Allergiker als Marketing-Zielgruppe Allergiker und Pseudo-Allergiker sind heute nicht nur besser geschützt, sondern werden auch von Marketingstrategen bei Bäckerei-Lieferanten sowie Backwaren-Verkäufer als Zielgruppe mit Marktpotenzial entdeckt. Diese bewerben allergen-bereinigte Produkte oft aktiv als Allergiker-verträglich. Teilweise schiessen sie aber übers Ziel hinaus und machen fragwürdige oder unangebrachte Empfehlungen wie etwa Dinkelbrot für «Personen, die Weizen nicht vertragen». Das Problem dabei: Dinkel ist für Zöliakie-Diätetiker streng verboten. Der Gourmet-Charakter von Dinkel hingegen ist ein sinnvolles Verkaufsargument für Dinkelbrot, mit dem man normale Konsumenten ansprechen kann.
Und welche Backwaren eignen sich für Weizen-Allergiker? Die Praxis-Broschüre des Bäckermeister-Verbandes SBKV («Allergien und Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten») gibt dazu eine Antwort: «Weizen und Dinkel enthalten ähnliche Proteine, so dass der Weizenallergiker sehr wahrscheinlich auch gegen Dinkel allergisch ist. Der Allergiker muss selber wissen, was er verträgt und was nicht. Vorsichtiges Ausprobieren unter ärztlicher Kontrolle ist die einzige Alternative zum grundsätzlichen Verzicht». Auch «Brot ohne Hefe» steht in einigen Bäckereien im Angebot. Die Herstellung geschieht mit Backpulver, aber teilweise wird eine solche Bezeichnung auch für Sauerteigbrot verwendet. Dieses ist jedoch auch ohne Bäckereihefe-Zusatz nicht ganz hefefrei, denn die üblichen Sauerteige enthalten wilde Hefen. Welche Werbeaussagen sind in diesem Fall sinnvoll und zulässig? Dazu Schäppi: «Hefeallergien sind sehr selten. Da im Rahmen der Deklaration keine Selbstverständlichkeiten ausgelobt werden dürfen und kein Anlass zu einer Täuschung entstehen darf, kann ich mir hier kaum sinnvolle und durch den Vollzug akzeptierte Aussagen vorstellen». Echte Hefeallergiker sollten Sauerteigbrote der üblichen Machart mit aktivem oder inaktivem, wildhefehaltigen Sauerteig vermeiden.
Informierte und verantwortungsbewusste Bäcker beachten die gesetzlichen Deklarationsregeln, zu welchen auch seriöse Empfehlungen für Kunden mit besonderen Bedürfnissen gehören, seien es echte Allergiker oder Gluten-Intolerante. Spezialisiert auf gluten- sowie hefe-freie Backwaren und auf nährstoff-bilanzierte Produkte ist die Firma Riesal AG in Unterägeri. Inhaber und Bäckermeister Gustav Iten weist darauf hin, dass nur «weiche» Werbeaussagen zulässig sind, die nicht mit der Schulmedizin kollidieren. Beispiele zum glutenfreien Brot: «Genuss ohne Sorgen, höchste Genussqualität, natürlich glutenfrei». Und zum Brot ohne Hefe: «Frei von Gärungssäuren, gelockert mit phosphatfreiem Backpulver». Weiter gehende gesundheits- oder ernährungsbezogene Claims müssen beim BAG beantragt werden. Zudem muss man unterscheiden zwischen zulässigen Anpreisungen und psychologischen Effekten: Ein normaler Konsument wird ein schmackhaftes Dinkelbrot positiv erleben, dies aber dank seines Genusswertes und nicht wegen der Vermeidung von Weizen. Über aha! Schweizerisches Zentrum für Allergie, Haut und Asthma «aha!» ist ein Kompetenzzentrum für Allergie, Haut und Asthma (Bild: Geschäftsleiter Dr. Georg Schäppi). Die gemeinnützige Stiftung bietet sich an als unabhängige Anlaufstelle für Betroffene und Betreuende, aber auch für weitere interessierte Kreise wie Medien, Betriebe, Ausbildungsstätten, Politik, Behörden und Verbände. aha! geht vom eigenverantwortlichen Menschen in der Gesellschaft aus. Die Stiftung stellt Betroffenen Informationen zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen, ihren Gesundheitszustand in Selbstverantwortung zu optimieren. Dabei orientiert sie sich am Gesundheitsbegriff der WHO, wonach Gesundheit nicht nur das Freisein von Krankheit und Beschwerden ist, sondern ein Zustand vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens. Im September 2006 hat aha! das einzige Schweizer Allergie-Gütesiegel lanciert. Zertifizierbar sind Lebensmittel, Kosmetika, aber auch weitere Konsumgüter aus dem Non-Food-Bereich und Dienstleistungen. Es ist auf sehr grosses Interesse gestossen und es sind bereits gegen hundert Produkte mit Gütesiegel erhältlich. www.ahaswiss.ch. Infos zum Gütesiegel: www.service-allergie-suisse.ch Weiterlesen: Wenn Brot krank macht | ||||||||||