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Backwaren & Confiserie: Report
Backwaren & Confiserie
Revolution im Süsswarenmarkt dank Stevia?

Heute ist eine breite Palette an Süssungsmitteln auf dem Markt, die wie Zucker einen süssen Geschmack jedoch praktisch keine Kalorien liefern. Zu dieser Gruppe gehören intensive Süssstoffe wie Aspartam, Acesulfam-K, Saccharin und Sucralose sowie die Steviolglykoside, die eine mehrere hundert Mal stärkere Süsskraft haben als Zucker. Da von diesen nur sehr geringe Mengen erforderlich sind, ist deren Energiegehalt meist vernachlässigbar. Im Gegensatz zu anderen intensiven Süssstoffen bieten die Steviolglykoside den zusätzlichen Vorteil, wie Zucker vollkommen pflanzlichen Ursprungs zu sein.




Von Villlars: Erste Schokolade mit Stevia und nur 4% Zucker


Die süsse Pflanze Stevia ist in Südamerika schon lange bekannt und in Japan salonfähig. Nur in Europa tut man sich schwer mit dem neuen Süssstoff. In der Schweiz sind bisher 18 Produkte mit Stevia erlaubt. Warum also ist der Stevia-Süssstoff nicht schon lange überall drin, wo es Zucker braucht? Weil nicht jedermann an die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Stevia glaubt. So zum Beispiel die Europäische Union.

Deren Zweifel begründen sich auf zwei Studien. Bei der einen bekamen einige der Versuchsratten Blasenkrebs und bei der anderen kam es zu Fruchtbarkeitsstörungen. Beide Studien und die angewandten Methoden sind jedoch in weiten Kreisen umstritten. Doch solange nicht eindeutig das Gegenteil bewiesen wird, sind Stevia und die daraus gewonnen Produkte in der EU verbotenes Gut. Da hilft auch nicht, dass die gemeinsame Bewertungsgruppe für Lebensmittel und Lebensmittelzusatzstoffe (JEFCA) der Vereinten Nationen im Juli 2008 zum Schluss kam, dass ein zu 95 Prozent reiner und standardisierter Stevia-Extrakt sicher ist.

In Japan schon lange etabliert

Nicht alle Länder sind so zurückhaltend wie die EU. In Japan etwa ist Stevia seit 30 Jahren salonfähig. Der Anteil der ursprünglich aus Paraguay stammenden Pflanze am Süssmittelmarkt beträgt in dem fernöstlichen Land rund einen Viertel. Und auch in China oder Israel sind die Steviaextrakte weit verbreitet.

In Frankreich haben die Behörde Ende August 2008 ebenfalls grünes Licht für den Gebrauch von Rebaudiosid A gegeben. Und während in den anderen umliegenden Ländern Stevia nur illegal erworben werden kann, steht in der Schweiz sogar die offizielle Gesundheitsaufsichtsbehörde, das Bundesamt für Gesundheit, hinter dem Pflänzchen. Genauer gesagt hinter "bestimmten Stevia-Extrakten zur Verwendung in Lebensmitteln", wie die BAG-Sprecherin Sabina Helfer erklärt.

Firmen, die Produkte mit Stevia süssen wollen, müssen beim BAG eine Bewilligung einholen. Das Bundesamt legt auch die erlaubte Höchstmenge des Stevia-Süssstoffes fest. Bis Mitte Dezember 2009 haben neun Firmen für insgesamt 18 Produkte eine Bewilligung des BAG erhalten.

Als erstes durfte der Murtener Kultgetränkehersteller Storms (Bild) ein Produkt mit dem Pflanzenextrakt süssen. "Wir wollten unsere Getränke weder mit Kristallzucker noch mit Chemie süssen. Auf der Suche nach einer gangbaren Alternative sind wir dann auf Stevia gestossen", sagt Tino Schütz, zuständig für den Bereich Marketing bei Storms.

Sorgen sind fehl am Platz

Der Sorge, der Konsum von Stevia sei allenfalls nicht ganz unbedenklich, kann Schütz nichts abgewinnen. "Stevia wird in Lateinamerika schon sehr, sehr lange und häufig konsumiert. Gesundheitliche Schäden, die auf den Verbrauch von Stevia zurückzuführen wären, konnten aber noch nie beobachtet werden." Auch das Argument, der Stevia-Süssstoff hinterlasse einen Nachgeschmack auf der Zunge, lässt er nicht gelten. Dies hänge sehr von der Qualität der benutzten Extrakte ab. Und bei Getränken sei es möglich, die Rezeptur so zusammenzustellen, dass der Nachgeschmack vermieden werden könne.

Für ihn ist klar: Stevia ist die Zukunft der Süssstoffe. "In den USA gibt es einen riesigen Run auf die Extrakte seit der Legalisierung vor ein paar Monaten. Und auch hierzulande sind ganz grosse Firmen an der Pflanze interessiert. Da der EU-Markt zurzeit aber noch dicht ist, wird mit der Lancierung von Produkten noch abgewartet." Für Storms hat sich die Tüftlerei mit Stevia gelohnt. Das Warenhaus Manor hat den Storms Nice Tea anfangs Dezember 2009 in sein Sortiment aufgenommen. Und auch andere Detailhändler sind daran interessiert.

Keine Angst bei den Zuckerfabriken

Einer, der sich ebenfalls für die Entwicklung in Sachen Stevia interessiert, ist Josef Arnold, Direktor der inländischen Zuckerfabriken (Bild). "Bisher hat noch nichts den Zucker weggefegt, doch natürlich ist eine gewisse Verdrängung durch Stevia oder auch andere Süssstoffe möglich."


Der Vorteil von Zucker sei sicherlich, dass er unverwechselbar in seinem Geschmack sei und den Produkten nicht nur zu mehr Süsse verhelfe, sondern beispielsweise auch die Backeigenschaft oder die Haltbarkeit positiv beeinflusse. "Angst haben wir keine. Wir sind ja seit längerem aktiv und lancieren alternative Produkte zum herkömmlichen Kristallzucker." Trotzdem versteht Arnold nicht, warum ausgerechnet die Schweiz in Sachen Stevia "vorgeprescht ist". "Es gab ja überhaupt keine Notwendigkeit, Stevia zu bewilligen." (LID / Karin Iseli)

Wie steht es mit Stevia in Europa und weltweit?

Im Jahr 1999 hat die Europäische Kommission die Zulassung der Steviapflanze bzw. ihrer getrockneten Blätter als Nahrungsmittel oder Zutat aufgrund mangelnden Nachweises ihrer Unbedenklichkeit verweigert. Somit sind Lebensmittel und Getränke, die Stevia bzw. Steviaextrakte enthalten, in der gesamten Europäischen Union (EU) nicht zugelassen. Seither sind viele Sicherheitsstudien durchgeführt worden.

Im Jahr 2008 haben wichtige Fachgremien wie der Gemeinsame FAO/WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) und die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA erklärt, dass reine Steviolglykoside (≥ 95%) sicher für den menschlichen Verzehr sind.4,5 Die vom JECFA festgesetzte erlaubte Tagesdosis liegt bei 0-4 mg/kg Körpergewicht, was einer Menge von bis zu 240 mg für eine 60 kg schwere Frau oder 280 mg für einen 70 kg schweren Mann entspricht.4

Bis März 2010 wird die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Stellungnahme zur Sicherheit der Steviolglykoside vorlegen. Sollte diese positiv ausfallen, ist davon auszugehen, dass die EU-Richtlinie über Süssstoffe entsprechend abgeändert wird und Steviolglykoside einbezieht. In der Zwischenzeit können Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet Stevia-Süssstoffe gemäss bestehenden Übergangsvorschriften zulassen. Frankreich hat kürzlich die Verwendung von 97% reinem Rebaudiosid A in Lebensmitteln und Getränken für den Zeitraum von zwei Jahren zugelassen.6 Somit ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft mit Steviaglykosiden gesüsste Produkte auf bestimmten europäischen Märkten auftauchen werden.

Stevia wird zwar auch heute noch in Lateinamerika kultiviert, doch wird der Anbau längst von asiatischen Ländern angeführt. Weltweiter Hauptproduzent von Stevia ist China, während Japan und Korea die derzeit grössten Märkte für Steviaextrakte darstellen. Vor kurzem haben die USA sowie Australien und Neuseeland einzelne Steviapräparate als Süssungsmittel für Speisen und Getränke für ihre Märkte zugelassen. (Text: Eufic)

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