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Backwaren & Confiserie: Report
Backwaren & Confiserie
Harte und weiche Faktoren der Innovation

Innovationen passieren nicht «einfach so». Sie sind kein Ereignis, sondern ein Prozess, der Monate bis Jahre dauern kann. Die Erfindung oder die Idee ist der kleinste Teil davon. Einige Regeln, Tipps und Beispiele von grossen und kleinen Innovationen.


Ende der 50er Jahre stellte ein Stagiaire aus Luxemburg bei Sprüngli eine Makrönli-Spezialität seines heimatlichen Lehrmeisters her. Diese «Luxemburgerli» waren zunächst kein Renner. Weil die manuelle Herstellung aufwändig war und viel Fingerspitzengefühl verlangte, wurde die Neuheit keineswegs forciert. Erst mit den Jahren kamen die Kunden auf den Geschmack. Heute werden bei Sprüngli täglich 650 Kilo hergestellt: Luxemburgerli sind der bekannteste Artikel im Sortiment.

Das wahre Problem der guten Idee ist, wie sie zum Projekt wird und wie das Projekt realisiert wird. Auch das Projekt ist erst abgeschlossen, wenn das neue Produkt auf dem Markt reüssiert. Nur durchschnittlich zwei bis drei Prozent der Ideen schaffen es bis auf den Markt und davon sind wiederum nur etwa ein Drittel wirkliche Erfolge. Dies liegt nicht nur an technischen sondern auch an menschlichen Problemen.

Bei den meisten Innovationen kann man mindestens zehn Phasen unterscheiden, wobei manche parallel laufen könnten:

Ideenfindung

Diskussion der Idee (Nutzen, Chancen, Risiken, Realisierungswürdigkeit, Zielsetzungen)

Entscheidungsvorbereitung durch Machbarkeits-Studie

Einrichtung des Projektmanagements

Juristische und wettbewerbliche Abklärungen

Entwicklung von Degustationsmustern

Markttests und anschliessende Verbesserung der Muster

Produktion (Nullserie zum Gutbefund, erste Serie zum Verkauf)

Markteinführung

Distribution


In der zweiten und dritten Phase braucht es zwar immer noch Kreativität, doch geht es nun schon um die Durchsetzung von Ideen und Interessen. Es wird kritisiert und polemisiert. Viel psychologisches Geschick wird benötigt beim Zusammenstellen von Teams, beim Definieren von Abläufen, Verantwortlichkeiten und Befugnissen.

Mit Occasions-Maschinen und einem Darlehen von 5000.- richtete Alfred Hiestand 1967 in einer ausgedienten Wäscherei seine erste einfache Backstube ein. Er spezialisierte sich auf Buttergipfel, die er an Zürcher Gastronomen lieferte. 1975 stellte er tiefgekühlte Teiglinge her und konnte somit auch die Bäckereien bedienen. 1987 gelang ihm mit dem Vorgären der innovative Durchbruch. Convenience für die Kunden war der Erfolgsfaktor.


Innovation und Sozialkompetenz

Die harten Innovations-Faktoren sind Strategie, Organisation sowie Methoden, die weichen Faktoren sind Betriebskultur und –klima sowie Gruppendynamik und Kompetenzen. Was sind eigentlich Kompetenzen? Johann Wolfgang von Goethe hat dafür die schöne Formel geprägt: Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch tun. Wenn das Können mehrfach erprobt worden ist und sich bewährt hat, wird es zur Kompetenz. Es gibt unzählige Arten von Kompetenzen. Für die Innovation entscheidend ist nebst den fachlichen und methodischen besonders die soziale Kompetenz sprich Durchsetzungsfähigkeit.

In Kleinbetrieben, wo zwischen dem Inhaber und dem Personal meistens kein mittleres Kader arbeitet, stellt sich kaum ein solches Problem: Der Inhaber entscheidet allein oder allenfalls nach Absprache mit dem Partner bzw der Partnerin. In Grossbetrieben zählt jedoch die soziale Kompetenz auf jeder Kaderstufe. Ein Projektleiter muss andere Beteiligte motivieren können.

Auch kleine Innovationen sind Innovationen, wenn sie erfolgreich realisiert werden. Drei Beispiele:

Die Idee für den «Woody» (Bild) stiftete vor zwei Jahren ein Mitarbeiter der Thurgauer Bäckerei Mohn, der die Meinung vertrat, man sollte mehr Kinderprodukte anbieten. Der Verkaufserfolg ist sehr gut laut Bäckerei-Inhaber Roger Mohn.



Andere überzeugen

Kreativität ohne Durchsetzung wäre wie ein Auto ohne Benzin. Ideen haben alle Menschen, doch bei der Durchsetzung hapert es oft. Warum? Weil wir zuwenig Menschenkenntnis haben und die verschiedenen Arten uns durchzusetzen nicht kennen. Wir verhalten uns anderen Menschen gegenüber oft falsch und erreichen infolgedessen unsere Ziele nicht.

Man muss andere Menschen für seine Ideen gewinnen und sie dabei richtig - d.h. individuell und situativ angepasst - behandeln. Dabei wäre es ein Fehler, alle Menschen gleich zu behandeln. Diese Erkenntnis ist uralt. Schon die Babylonier haben die Menschen in Typen eingeteilt: Den Kampflustigen, den Fatalisten, den Schlaumeier und den Querschläger. Am bekanntesten wurde die Lehre der vier Temperamente vom altgriechischen Arzt Hippokrates: Choleriker (Draufgänger), Sanguiniker (flexibler Anpassungsfähiger), Phlegmatiker (nicht aus der Ruhe zu bringen) und Melancholiker (Jammerer und Pessimist).

Vor einem halben Jahr kreierte die Berner Confiserie Meyer das Aarebrot und macht im Verkauf gute Erfahrungen damit. Die Idee der Teigfigur auf dem Brot stammte aus dem eigenen Betrieb.


Was braucht ein Innovator?

Wer innovieren will, muss zuerst einmal mit harter Arbeit bei sich selbst anfangen. Das erfordert Selbstbeobachtung, Lernfähigkeit, Wachsamkeit, Selbstbewusstsein, Ehrlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Sensibilität, Ausstrahlung, Flexibilität. Zudem benötigt er einen langen Atem und ein geeignetes Umfeld bei der Arbeit und im Privatleben, und er muss von seiner Idee restlos überzeugt sein.

Gesättigte und selbstzufriedene Menschen sind keine Innovatoren. Ebenfalls der Neid ist lähmend, denn ein Innovator braucht ungeheuer viel Kraft. Innovator zu werden ist ein langer Prozess, der nie aufhört. Er führt zu Erfahrung und Reife, ohne diese bleibt er ein Stohfeuer.

Die Solothurner Confiserie Suteria knüpfte an den Erfolg ihrer traditionellen Solothurner Torte an und konnte nach einem halben Jahr Tüfteln das normale Tortenrezept zu einem Eistorten-Rezept umbauen. Die Neuheit schlug ein: In den ersten zwei Tagen verkaufte Manfred Suter 150 Eistorten. Und dies – wohl bemerkt - im Dezember.


Der Bericht basiert auf Publikationen und Referaten von Prof. Norbert Thom (Universität Bern) und Wirtschaftspsychologe Dr. Roland Müller.

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