Backwaren & Confiserie: Report | |||||
Backwaren & Confiserie Diabetikerprodukte in der Kritik Ernährungsexperten betonen heute, es gebe nicht gesunde und ungesunde Produkte sondern die Gesundheit hängt vor allem von der Menge und Zusammensetzung der Kost ab nebst dem Grad der Bewegung. Dies gilt auch für Diabetikerprodukte: macht eine Produktempfehlung für Diabetiker Sinn?
Diätetische Lebensmittel sind für eine besondere Ernährung bestimmt. Welchen konkreten Vorschriften sie entsprechen müssen, ist in der Verordnung über Speziallebensmittel geregelt. Seit Juli 2009 wird auf europäischer Ebene über eine Änderung der gesetzlichen Grundlage für Diätprodukte diskutiert, so auch für Diabetikerprodukte, eine Untergruppe davon. Im Juni 2011 berichtete das Konsummagazin Gesundheits-Tipp, dass bereits Deutschland den Hinweis «Für Diabetiker verwendbar» generell verboten habe und dieses Verbot auch in der Schweiz geplant sei. Eine Nachfrage bei den Grossverteilern ergab: Coop verzichte jetzt schon bei Eigenmarken auf den Hinweis, aber die Migros halte vorläufig noch daran fest, «da dies einem Kundenbedürfnis entspreche». Den Stein ins Rollen gebracht hatte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR im Januar 2010. Es kommt zum Schluss, dass sich durch eine Kost mit niedrigem glykämischen Index keine besonderen Ernährungserfordernisse für Diabetiker ableiten lassen, da die zahlreichen Studienergebnisse zu unterschiedlichen Aussagen kommen: Eine Beibehaltung von der bestehenden Regelungen für Diabetiker-Lebensmittel ist auch unter Einbeziehung der neueren Literatur nicht gerechtfertigt.
Nach wie vor lassen sich durch eine Kost mit niedrigem glykämischen Index keine besonderen Ernährungserfordernisse für diese Personengruppe ableiten. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand lässt sich trotz zahlreicher, aber inkonsistenter Studienergebnisse nicht abschliessend beurteilen, ob sich durch eine niedrig glykämische Ernährung Vorteile für die Ernährungstherapie und Prävention von Typ-2-Diabetikern ergeben, da die beobachteten Effekte auch in ähnlicher Grössenordnung von Ballaststoffen ausgelöst werden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommt zum selben Schluss wie das BfR. Neue Rechtsgrundlage Die EU wurde in der Folge aktiv: Auch aufgrund der Problematik von "Borderline-Produkten" (Produkte im Abgrenzungsbereich zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln) und unterschiedlicher Interpretationen durch die Mitgliedstaaten erachtete die europäische Kommission eine Änderung der gesetzlichen Grundlage für diätetische Lebensmittel als notwendig. Zudem wird die Diätrahmenrichtlinie 2009/39/EG (Richtlinie 2009/39/EG über Lebensmittel für besondere Ernährung) vor dem Hintergrund der europäischen Gesetzgebung über Nahrungsergänzungsmittel (Richtlinie 2002/46/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel) und über die Anreicherung (Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln) überdacht. Basierend auf der BfR-Mitteilung hat der deutsche Bundesrat einer Änderung der Verordnung über diätetische Lebensmittel zugestimmt. Die verabschiedete Änderung sieht die Streichung sämtlicher Spezialregelungen für "Diabetiker-Lebensmittel" vor. Nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren, die am 9. Oktober 2012 abläuft, dürfen in Deutschland keine Lebensmittel mehr mit Hinweisen und Auslobungen auf Diabetes mellitus im Rahmen der Verpackungskennzeichnung in Verkehr gesetzt werden. Chocosuisse und Biscosuisse empfehlen gemäss Franz U. Schmid, Direktor der beiden Verbände den Mitglied-Firmen, die erforderlichen Deklarationen für den Export nach Deutschland anzupassen. Anders in der Schweiz: Die Vorgaben des Lebensmittelrechts für Diabetikerprodukte sind in der Verordnung des EDI über Speziallebensmittel (SR 817.022.104) geregelt. «Sie dürften zu gegebener Zeit an die noch in Arbeit befindlichen neuen EU-Vorgaben anzupassen sein», sagt Schmid. «Das Timing dazu ist noch offen». Wohlbemerkt: die Anpassung geschieht nicht ans deutsche sondern ans EU-Recht, auch wenn Deutschland hier vorprellte. Aber man muss damit rechnen, dass die EU Diabetikerdeklarationen ebenfalls abschafft und in der Folge die Schweiz nachzieht. Diabetikerprodukte sind Nischenprodukte Diese Entwicklung steht im Gegensatz zum Trend, dass immer mehr gewerbliche Bäckereien speziell gesüsste Produkte mit Diabetiker-Hinweis lancieren. Das betroffene Marktsegment ist allerdings nur eine Nische. Auch von den 18 Chocosuisse-Herstellerfirmen produzieren nur circa fünf solche Produkte.
Welche Optionen haben die Hersteller angesichts der berechtigten Frage, ob «Diabetikerprodukte» ohne den entsprechende Kommunikation eine Marktchance haben. Grundsätzlich könnte man eine andere, mit der heute noch unbekannten Regelung konforme Deklaration verwenden. Und eine, die mit dem Täuschungsschutz nicht kollidiert, was auch beim seriöseren Hinweis «für Diabetiker geeignet im Rahmen des Diätplans» nicht garantiert ist. Im Merkblatt „Ernährung und Diabetes mellitus Typ 2“ der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE wird darauf hingewiesen: «Light-Produkte – sofern massvoll konsumiert – können für Diabetiker sinnvoll sein». Ein geeignetes Rezept wäre demzufolge ein energiereduziertes, idealerweise sowohl zucker- wie auch fettreduziertes. Aber die SGE formuliert vorsichtigerweise «sie können sinnvoll sein» und lässt damit offen, ob sie es wirklich immer sind. «Diabetiker können grundsätzlich alle Lebensmittel konsumieren, wenn sie die darin enthaltenen Kohlenhydrate in die Diät einrechnen», sagt Steffi Schlüchter, Leiterin Nutrinfo der SGE. Da im Prinzip alle Produkte erlaubt sind, würde eine Empfehlung zum strikten Konsum von zuckerreduzierten Produkten dem Grundsatz der BfR-Botschaft an die Diabetiker widersprechen: «du sollst dich gesamthaft gesünder ernähren und nicht niedrig-glykämische Produkte bevorzugen, deren Nutzen nicht erwiesen ist». Sogar im Kantonsspital Winterthur, das in Diätfragen als führend gilt, erhalten Diabetiker normal gezuckerte Desserts, dafür nur halbe Portionen. Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass Produktempfehlungen an Diabetiker kontraproduktiv wirken können, da diese oft glauben, sie würden sich umso besser ernähren, je mehr Diabetiker- oder Lightprodukte sie essen. Und sie verzehren dann davon grössere Mengen mit dem Resultat, dass sie mehr Kalorien aufnehmen als mit normalen Produkten. Verordnung über Speziallebensmittel Art. 13 Für Diabetiker verwendbare Lebensmittel Für Diabetikerinnen und Diabetiker verwendbare Lebensmittel müssen folgende Anforderungen erfüllen: a. Der Gehalt an Fett darf nicht höher sein als im entsprechenden Normalerzeugnis. b. Sie dürfen folgende Zugaben nicht enthalten: 1. Glucose, Glucosesirup, Invertzucker und Disacharide, 2. Maltodextrine, ausser wenn sie als Trägerstoff verwendet werden und der Anteil im genussfertigen Produkt höchstens 2 Massenprozent beträgt. c. Lactose darf nur zugegeben sein, wenn sie als Trägerstoff von Süssstoffen verwendet wird und die Mischung eine mindestens zwanzigfache Süsskraft im Verhältnis zu Zucker hat. d. An Stelle der Stoffe nach den Buchstaben b und c dürfen nur Fructose, Süssungsmittel sowie Polydextrose zugegeben werden. (Auszug aus der Verordnung des EDI über Speziallebensmittel vom 23. November 2005, Stand am 1. November 2010)
Wissenswertes über Diabetes Typ 2 Zuckerkrankheit bzw Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselstörung, die durch eine Erhöhung des Zuckergehaltes im Blut charakterisiert ist. Beim Diabetes mellitus Typ 1 wird zu wenig oder gar kein Insulin produziert. Beim Typ 2 (früher „Altersdiabetes“ genannt) wirkt das produzierte Insulin nicht mehr genügend (Insulinresistenz). Dieser Typ ist mit rund 90% der häufigste. In der Schweiz erkranken rund 5% der Bevölkerung oder schätzungsweise 219'000 Personen im Laufe ihres Lebens an Diabetes Typ 2 (Stand: Jahr 2000). Viele Betroffene leben mit dieser Stoffwechselerkrankung, ohne es zu wissen, weil die Symptome wie stärkeres Durstgefühl, grössere Urinmengen und Müdigkeit oft erst spät erkannt werden. Behandlungsgrundlage bei Diabetes mellitus Typ 2 ist eine ausgewogene Ernährung und ausreichende körperliche Bewegung. Dabei sollte Folgendes beachtet werden: Süssigkeiten Zuckerhaltige Nahrungsmittel können massvoll konsumiert werden, sofern sie anstelle von anderen kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln im Rahmen einer Mahlzeit konsumiert werden. Light-Produkte und Diabetikerprodukte Light-Produkte – sofern massvoll konsumiert – können für Diabetiker sinnvoll sein und erweitern die Lebensmittelpalette im Alltag. Light-Getränke mit weniger als 1,5 g Kohlenhydraten pro dl sind in massvollen Mengen geeignet (max. 5 dl/Tag), sollten aber nicht täglich konsumiert werden. Diabetiker benötigen hingegen keine speziellen Diabetikerprodukte wie Diabetes-Gebäck oder Diabetes-Schokolade. Diabetikerprodukte können fettreich sein und enthalten anstelle von Haushaltszucker andere Kohlenhydratarten, die den Blutzuckergehalt ebenfalls erhöhen. Deshalb werden sie nicht empfohlen. Angepasste Kohlenhydratzufuhr Für Diabetiker ist es wichtig, die «richtigen» Kohlenhydrate auszuwählen und auf die Zufuhrmengen zu achten. Vollkornprodukte lassen den Blutzuckerspiegel beispielsweise langsamer ansteigen als raffinierte Produkte. Vollkornbrot, Vollkorngetreide und Hülsen-früchte sind somit den raffinierten Produkten wie z.B. Weissbrot vorzuziehen. Fettmenge beachten Schon kleine Fett-Einsparungen bewirken eine verminderte Energiezufuhr und damit langfristig eine Gewichtsreduktion, die die Wirkung des Insulins verbessert und zu einem normalen Blutzuckerspiegel beiträgt. (Auszug aus dem Merkblatt „Ernährung und Diabetes mellitus Typ 2“ der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE, www.sge-ssn.ch) Weiterlesen: Diabetikerprodukte abschaffen? Kommentar des BfR | |||||