Backwaren & Confiserie: Report | |||||||
Backwaren & Confiserie Wie und warum Milch (nicht) ersetzen? In Mitteleuropa besitzen rund zwei Drittel der Menschen das Enzym Laktase und können Kuhmilch beschwerdefrei verdauen. Für sie ist Milch ein wertvolles Lebensmittel. Aber in den letzten Jahren sind Skeptiker auf dem Vormarsch, die zwar der Muttermilch für Säuglinge ihre Berechtigung geben aber nicht der Kuhmilch für Erwachsene. Und allergenfreie sowie vegane Produkte gewinnen an Marktbedeutung.
Im Zug des «free from», wie der Trend bei Coop heisst bei Produkten ohne Allergene, ist auch die Milchbranche betroffen und bietet eine steigende Vielfalt von Ersatzprodukten an wie lactosefreie Milch für Personen mit Milchzucker-Unverträglichkeit oder Sojaprodukte für Veganer. Dabei stellen sich mehrere Fragen: Muss und kann man hierzulande Milch wirklich ersetzen? Und wie gut sind die heutigen Ersatzprodukte? Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass Lactase, als der Mensch sie vor 7000 Jahren in Europa nach dem Abstillen weiterhin bilden konnte, einen evolutionsgeschichtlichen Vorteil bot. Ernährungsphysiologisch kommt kein Ersatzprodukt an die Kuhmilch heran ausser Schaf- und Ziegenmilch. Ihre Zusammensetzung ist einzigartig. Eines der grössten Manko der pflanzlichen Ersatzprodukte ist das fehlende Vitamin B12 (Cobalamin), das natürlicherweise nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt, also Fleisch, Milch und Eiern. Dieses Vitamin wird nur von Mikroorganismen gebildet z.B. auch im Pansen der Wiederkäuer. Alternativprodukte können jedoch damit angereichert sein. Die Mengen sind in Milchprodukten nicht hoch, aber da ein erwachsener Mensch gemäss hiesigen Empfehlungen täglich drei Portionen Milch(produkte) konsumieren sollte, spielen sie eine wichtige Rolle. Ebenfalls wichtig ist Calcium, ein Mineralstoff für die Knochenbildung. Nimmt man zu wenig auf, steigt das Osteoporoserisiko. Milchprodukte sind gute und hierzulande wichtige Calcium-Lieferanten. Mittlerweile werden auch viele Alternativprodukte mit Calcium angereichert aber das Besondere an Milchprodukten ist, dass andere Inhaltsstoffe wie Milchproteine helfen, das Calcium besser aufzunehmen. Gründe für einen Ersatz Die Geschichte der Milchersatzprodukte begann mit der Entwicklung von Margarine als Butteralternative, aber dies eher aus Gründen der hohen Butterkosten, des Imageproblems von Cholesterin und der schlechten Streichbarkeit von kalter Butter. Unterdessen ist das Nahrungscholesterin von seiner vermeintlichen Negativwirkung auf das Blutcholesterin freigesprochen. Im Zug des Natürlichkeitstrends erlebt Butter ein Comeback, dies auch dank ihrem eleganten Geschmack. Und weil Margarine aufgrund der Fettsäurenhydrierung in der Tat ein chemisch modifiziertes Produkt ist. Doch das Vorurteil der Konsumenten gegenüber dem Milchfett ist immer noch stark verankert. So ist zu erklären, dass das Rahmersatzprodukt «Rama Cremefine» von Unilever Erfolg hat, obwohl es auf entfetteter Milchbasis hergestellt ist und mit Pflanzenfett angereichert wird. Laktase spalten oder entfernen Die Mehrheit der Ersatzprodukte fokussiert auf die Zielgruppe der Personen, die Laktose nicht vertragen, was keine immunologische Allergie ist sondern ein Enzymmangel. Mehrere Hersteller haben sich daher auf die Produktion laktosefreier Milch und Milchprodukte spezialisiert. Dazu wird der Milch Laktase zugesetzt, welche die Laktose in Glucose und Galaktose spaltet. Solcherart behandelte Milch schmeckt süsser als normale, weil Glukose und Galaktose zusammen eine stärkere Süsskraft haben als Milchzucker. Für süsse Produkte wie Milchdesserts ist jedoch die Süsse der Spaltprodukte willkommen, so dass das enzymatische Verfahren dort Sinn macht. Einige kleinere Molkereien wenden gemäss Agroscope das enzymatische Verfahren für Trinkmilch an. Emmi wendet in der Schweiz auch das von Valio lizenzierte Membranfiltrationsverfahren „Valio Zero Lactose“ an. Valio wirbt mit einem echten Geschmack ohne Süsse. Das Milchgetränk wird auch in der Migros als „aha Milchgetränk ohne Laktose“ verkauft. Solche „laktosefreie Milch“ darf nicht mehr als „Milch“ bezeichnet werden, da Gehalte an Inhaltstoffen wie Proteinen und Mineralstoffen verändert sind. «Bei laktosefreien Milchprodukten gibt es eine ganze Palette von Produkten. Allerdings ist der Markt in der Schweiz noch sehr unterentwickelt», sagt Markus Willimann, Präsident der Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie (VMI) und Leiter Geschäftsbereich Industrie Schweiz bei Emmi. Emmi produziert Sojadrink und fermentierte Sojaerzeugnisse (Migros SOYOG; Coop Soja Jogstyle) im Lohnauftrag. Für Coop und Migros werden in den Emmi-Betrieben Sojadrink und -desserts hergestellt, die gesäuert sind bzw. süss wie Cremen. Zudem füllt Emmi für einen ausländischen Kunden Sojadrinks im Lohnauftrag ab. «Aber das Substitutionssegment ist nicht das Geschäft von Emmi. Bei den Milchprodukten wollen wir die Besten sein», so Willimann. Allergie oder Unverträglichkeit? Bei der Laktoseintoleranz wird das Verdauungsenzym Laktase nicht oder nur ungenügend produziert. Dies führt zu Blähungen, Durchfall oder Bauchschmerzen. Das Enzym ist nötig, um die Laktose (Milchzucker) in seine Bestandteile zu spalten. In der Schweiz leidet ungefähr jede fünfte Person an einer Laktoseintoleranz. Die Laktoseintoleranz, auch Milchzuckerunverträglichkeit genannt, ist nicht zu verwechseln mit einer Kuhmilcheiweissallergie. Dabei handelt es sich um eine aktive Immunreaktion gegen Kuhmilcheiweiss. Es sind vor allem Kinder davon betroffen. Der Milchzucker (Laktose) ist ein Zweifachzucker, bestehend aus Schleimzucker (Galaktose) und Traubenzucker (Glukose). Natürlicherweise kommt dieser Zucker nur in der Milch von Säugetieren vor. Kleinere Mengen Laktose werden Nahrungsmitteln aber auch bei der industriellen Herstellung zugefügt, sowie Fertigprodukten, Gewürzen oder Medikamenten beigegeben. Im Dünndarm wird der Milchzucker vom Enzym Laktase in seine zwei Bestandteile gespalten, denn nur so können diese vom Darm ins Blut aufgenommen werden. Tritt ein Laktasemangel ein, wird von einer Laktoseintoleranz gesprochen. Der Milchzucker gelangt unverdaut in den Dickdarm und wird dort von Bakterien vergoren. Dies führt zur Bildung von Gasen und einer Wasseransammlung. (www.aha.ch) Die Milchallergie wird häufig mit der Laktose-Intoleranz verwechselt. Es handelt sich dabei jedoch um zwei ganz unterschiedliche Mechanismen im Körper. Bei der Laktose-Intoleranz, wird Milchzucker schlecht verdaut, weil das Enzym Laktase fehlt. Bei der potenziell viel gefährlicheren Kuhmilchallergie richtet sich jedoch das körpereigene Immunsystem mit IgE Antikörpern gegen das Milchprotein. Eine echte Milchallergie kommt bei etwa zwei bis drei Prozent der Kinder in Europa, seltener bei Erwachsenen vor.
Eine Allergie gegen Milchproteine kann beispielsweise zu Mund- und Schleimhautschwellungen führen, Durchfälle verursachen, zur Verschlechterung einer Neurodermitis beitragen und in seltenen Fällen sogar einen allergischen Schock hervorrufen. Eine präzise Diagnostik hilft, die Allergie von der Intoleranz auseinanderzuhalten und damit falsche Diäten zu vermeiden die unter Umständen zu Mangelernährung führen können. Milchallergikern werden oft Schafmilch und Ziegenmilchprodukte empfohlen. Sensorisch sind sie leicht anders als Kuhmilch, aber der Nährwert ist vergleichbar, da ihre Zusammensetzung ähnlich ist. «Betroffene mit Milchallergie sollen Schaf- oder Ziegenmilch angeblich besser vertragen, aber die Forschungsergebnisse variieren, so dass Allergiker nie ohne ärztliche Begleitung einen Test durchführen sollten», rät Doreen Gille von Agroscope. (GB) Kuhmilch-Allergen erforscht Eines der wichtigsten Milchallergene, das sogenannte beta-Laktoglobulin, gehört zur Proteinfamilie der Lipokaline. Diese Lipokaline besitzen molekulare Taschen, in die Eisen-Ionen passen. Das Eisen ist über sogenannte Siderophore am Protein gebunden. Erstautorin Franziska Roth-Walter von der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigte, dass ein „leeres“ Milchprotein, also ein Protein ohne Eisen und Siderophore, die Aktivierung von Th2-Lymphozyten unterstützt. Erst dann kann die Produktion von IgE Antikörpern gegen das Milchprotein angekurbelt werden, die Patientin oder der Patient wird sensibilisiert und kann gegen Milch allergisch reagieren. Weiterlesen: KOMMENTAR zu «free from»-Produkten | |||||||