Backwaren & Confiserie: Report | |
Backwaren & Confiserie Brot-Backmittel Funktionelle Backmittel tragen Entscheidendes zur Brotherstellung bei: Sie korrigieren Mehlfehler und rationalisieren die Produktion. Sie geben dem Teig maschinengängige Eigenschaften und dem Brot Volumen, Geschmack wie auch Haltbarkeit. Eigentlich wirken sie zu gut – welche Folgen kann dies haben? Ein Bericht des Fachmagazins «Lebensmittelindustrie» vom August 2001. Automatisierung erfordert maschinengängige Materialien und konstante Rohstoffqualität – eine Herausforderung für den variablen und lebendigen Teig. Backmittel können diese Probleme lösen. Viele Backmittel gleichen Unregelmässigkeiten des Mehls aus. Andere dienen der Verbesserung von Haltbarkeit oder Geschmack, ebenfalls indem sie Mehlfehler oder Nachteile durch Prozess-Vereinfachungen kompensieren. Vor allem emulgatorhaltige Backmittel schaffen Voraussetzungen für die Automatisierung. Ohne diese Zusätze kann man zwar auch gutes Brot backen – allerdings von Hand und mit langer Teigführung. Backmittel bieten auch Convenience und weitgehende Erfolgsgarantien. Sie enthalten viel Knowhow und Forschungserkenntnisse. Laut Meiert J. Grootes, Geschäftsleiter der Beratungsfirma Veripan, sind es vor allem Backmittel - nebst modernster Technologie – welche unsere weltweit führende Qualität der Weizenbrote ermöglichen. Trotzdem lauern Gefahren: Die «Wundermittel» schaffen einerseits Abhängigkeit vom Lieferanten. Andererseits fördern Standardbackmittel eine uniforme Brotqualität resp ein Verlust an Individualität. Doch: um seinen eigenen Hausgeschmack zu erzielen, kann der Brothersteller massgescheiderte Backmittel verwenden. Mehr Volumen Moderne Backmittel sind Mischungen von Wirkstoffen mit Mehl als Trägermaterial. Sie versprechen meist mehrere Funktionen. Von der Wirkung her kann man sie aber unterteilen – eine wichtige Kategorie ist die Volumenverbesserung. Viele Backmittel verbessern das Kleber-Netzwerk, d.h. der Teig toleriert lange Gärzeiten und mechanische Belastung. Die Kleberproteine vernetzen sich durch so genannte Schwefelbrücken, ein Oxidationsprozess, den man durch eingekneteten Luftsauerstoff sowie zugesetzte Ascorbinsäure fördert. Beides wirkt schnell, d.h. bereits beim Teigmischen. Auch Emulgatoren, besonders Diacetyl-Weinsäure-Ester machen den Kleber elastischer und verbessern so das Gashaltevermögen. Jedoch oft verwendet man heute anstelle dieser Zusatzstoffe spezifische Enzyme, welche nicht deklariert werden müssen, weil sie beim Backen inaktiviert werden – jedenfalls zum grössten Teil. Verarbeitbarkeit und Geschmack Teige sind widerspenstig - Emulgatoren wie auch Enzyme schaffen Abhilfe und regulieren die Teigviskosität. Ein weiteres Problem muss man lösen, wenn man Teige schockfrostet: Kälte setzt sowohl die Hefe wie auch das Klebernetzwerk unter Stress. Backmittel, welche die Kältestabilität verbessern, enthalten Emulgatoren, Vitalkleber, Enzyme sowie Zucker, um die Hefe beim Auftauen anzutreiben. Auch auf Geschmack und Bräunung nimmt man gezielten Einfluss. Milch und ihre Bestandteile wirken dabei doppelt: Einerseits stiften sie Geschmacksstoffe, andererseits fördern sie dank ihrem Zuckergehalt die Maillard-Bräunungsreaktion. Auf dieselbe Weise funktionieren Enzyme: Sie spalten Stärke zu Zucker, welcher mit den Kleberproteinen reagiert. Enzyme wirken zu unterschiedlichen Zeitpunkten - Hemicellulasen bereits bei der Gare. Amylasen hingegen können ihre Frischhalte-Wirkung erst entfalten, wenn die Stärke verkleistert. Denn ungequollene Stärke kann nicht gespalten werden. Haltbar, aber nicht frisch? Auch der Konsument erhält einen Nutzen von Backmitteln: Sie können den Frischeverlust hinauszögern. Industrielle Brote vom Detailhandel werden selten sofort aufgegessen. Der Konsument erwartet nach ein bis zwei Tagen immer noch Frische oder zumindest Feuchte. Gegen den Verlust der Ofenfrische, d.h. den raschen Zerfall der Röstaromen ist kein Kraut gewachsen, aber die Stabilität der Feuchte kann man fördern: Die Retrogradation, das Kristallisieren und Austrocknen der Stärke, lässt sich verzögern: Emulgatoren bremsen die Kristallbildung der Stärke. Amylasen spalten Stärkemoleküle - deren Bruchstücke neigen weniger zum Kristallisieren. Zusatzstoffe sind bei Broten restriktiv geregelt, deklarationspflichtig und von der Konsumentenschaft beargwöhnt – zu Recht. Brot soll naturbelassen bleiben und die Bäckerzunft ihren Goodwill pflegen. An der Fachschule Richemont empfiehlt daher, funktionelle Zutaten wie Malzmehl und Milchprodukte statt Zusatzstoffe zu verwenden. Die Firma Hiestand AG zieht am selben Strick - sie wirbt mit der Aussage «ohne chemische Backmittel bei Broten» und setzt nur Ascorbinsäure zu. Im Gegenzug fordert die Firma von den Lieferanten «Mehle in engen Schwankungen und korrigiert allenfalls beim Teigkneten. Trotzdem resultieren bis zehn Prozent geringere Brotvolumen, welche Hiestand in Kauf nimmt». Enzyme hingegen gelten nicht als «chemisch». Weiterlesen: Backmittel und ihre Wirkungen Erschienen im August 2001 in der «Lebensmittelindustrie». Autor: Guido Böhler | |