Backwaren & Confiserie: Tipps & Wissen | |||||||
Backwaren & Confiserie Gelingsicherheit ohne Backmittel? Kaum eine andere Branche besitzt so effiziente Wirkstoff-Compounds zum Zweck der Qualitätskonstanz wie Bäckereien mit den Backmitteln. Jetzt verspricht eine Innovation: es geht auch ohne.
Backmittel werden bereits seit über 100 Jahren verwendet, um die durch die Natur bedingten Mängel im Backverhalten auszugleichen. Ihre grosse Bedeutung erlangtes sie aber, als es galt, die Herstellung der Backwaren zu rationalisieren, deren Qualität zu verbessern und zu standardisieren. Drei der wichtigsten Zutaten sind Enzyme, Ascorbinsäure sowie sekundär auch Emulgatoren. Enzyme bewirken folgende positive Effekte gemäss Ivo Baumann von Aditiva Concepts, welche den Backmittelherstellern Komponenten liefert: sie verbessern die Teigverarbeitungs-Eigenschaften (weniger viskos und klebrig) und erhöhen die Toleranz gegen Variationen von Knetzeit, Teigruhe und Gärzeit. Zudem erhöhen sie das Brotvolumen, verbessern Krustenbräunung, Brotaroma und Frischhaltung. Prinzipiell unterscheidet man bei den Backmitteln gemäss Baumann Konzentrate die zu 0.5 bis 2.0% dem Mehl zudosiert werden, und ein Basis-Backmittel, das mit 20 bis 25% dosiert wird oder eine fertige Mehlmischung, die alle Zutaten enthält und nur Zugabe von Wasser, Salz und Hefe erfordert. Ascorbinsäure oder für Bioprodukte Biopflanzenextrakte mit natürlichem Vitamin C verbessern die Teigeigenschaften beim Gashaltevermögen (mehr Volumen) und Teigverarbeitungseigenschaften. Baumann erklärt das Vorgehen: Wenn die optimaleZugabemenge von Ascorbinsäure und Amylase ermittelt ist, werden für verbesserte Teigstabilität und Backvolumen Enzyme wie beispielsweise Xylanasen eingesetzt. Ferner können Weinsäureester Emulgatoren und Weizengluten zugesetzt werden für noch mehr Volumen und Teigstabilität, oder destillierte Monoglyceride (E471) zur Stärkekomplexierung (Verzögerung des Altbackenwerdens der Krume) und verbesserter Krumenweichheit. Für verbesserte Wasserbindungseigenschaften setzt man Stärken, Guar, Psyllium, oder Johannisbrotkernmehl allenfalls zu. Ausserdem enthalten Backmittel etwas Zucker als Starterhilfe für die Bäckerhefe. Milchbestandteile beeinflussen Bräunung und Geschmack. Die Zusammensetzung ist unterschiedlich je nachdem, ob das Backmittel für TK-Backwaren optimiert sein soll, für vorgebackene Backwaren, oder als Clean Label gefragt ist, oder besondere lange Frischhaltung und mehr Volumen bieten soll. Clean Label und Bio Bei einem Clean Label Backmittel werden gemäss Baumann oft die Emulgatoren durch weitere Enzymkombinationen ersetzt: spezifische Amylasen, Amyloglucosidasen und Lipasen für verbesserte Frischhaltung als Ersatz von Monogylceriden, Xylanasen, Proteasen, Glukoseoxidasen und Cellulasen für verbesserte Teigverarbeitungseigenschaften und mehr Gärtoleranz und Back Volumen als Ersatz von Weinsäureestern. Noch höhere Anforderungen stellen Biobackmittel: dort ist nur ein Zusatz derjenigen Enzyme erlaubt, die auch natürlicherweise im Mehl vorkommen, d.h. Amylasen und Xylanasen dürfen eingesetzt werden. Anstelle Ascorbinsäure verwendet man oft Bioacerolapulver und anstelle von Weizengluten Bio-Weizengluten oder Bio-Guarkernmehl und Bio-Johannisbrotkernmehl, aber auch Bioquellmehle. Der Trend der Backmittelentwicklung geht gemäss Baumann zu Kombination von Konzentraten mit aktiven Inhaltsstoffen mit spezifischen rezepturabhängigen Dosierungen, adaptiert auf die jeweilige saisonale Mehlqualität, da bei den anderen Formen Preis-Leistungsverhältnis oft nicht transparent ist (der Kunde zahlt zuviel für das enthaltende Mehl), und diese Backmittel oft nur für einzelne Brotsorten und Backwaren ausgerichtet sind. Somit muss der Anwender viele verschiedene Backmittel einsetzen. Backmittel, das keines ist Aloyse Ehret von der Backzutaten-Technologiefirma Agrano konstatiert, dass sowohl gewerbliche wie auch industrielle Bäckereien Backmittel verwenden ohne systematischen Unterschied. Dies obwohl die Industrie mit oft kontinuierlichen, automatisierten Teig- und Backstrassen höhere Anforderungen an die Konstanz der Teiglinge stellen muss. Einen Trend gebe es jedoch beim Vormarsch der Cleanlabel- und Biobackmittel sowie beim Vermeiden von GVO-Rohstoffen. Gemäss Ehret «unterstützen auch Sauerteige generell die Funktion des Glutens und können die Rolle eines Backmittels spielen».
Eine Neuheit von Agrano ist ein glutenfreies Backmittel für die trendigen glutenfreien Backwaren. Aber die wichtigste Neuheit - gemäss Agrano eine «revolutionäre Innovation» - ist ein Roggen-Weizen-Halbfabrikat ohne Zugabe von Zusatzstoffen oder andern Wirkstoffen, das kein Backmittel sei: «Artisano». «Auch ein geheimes, neues physikalisches Verfahren spielt eine Rolle», so Ehret. Ein natürlicher langgeführter Vorteig sei integriert, wodurch der besondere Geschmack entstehe. Alle Zutaten stammen aus der Schweiz und entsprechen den Vorgaben von IPSuisse, Swiss Garantie und Naturel. Besonders das Label Naturel der Fachschule Richemont steht für eine naturreine Zusammensetzung. Die Dosierung ist mit 20 bis 30% auf den Teig bezogen leicht höher als bei Backmitteln. Der Bäcker verwendet weiterhin eigenes Mehl, Wasser, Hefe und Salz. Artisano lässt sich gemäss Werbung reibungslos in alle Produktionsabläufe integrieren. Die Masse ist gemäss Ehret für alle Verfahren anwendbar: direkte Teigführung, Gärverzögerung/-unterbrechung, kurze oder lange Teigführung. Die Teige kleben nicht, sind plastisch und maschinenfreundlich mit einer hohen Gärstabilität. Die Teigausbeute erreiche bis 200%. Das Ergebnis sei der typisch urige Geschmack nach Getreide, die Rösche, eine knusprig-goldbraune Kruste und ein ausgeprägter Riss. Auch ohne Zusatzstoffe bleiben die Brote lange frisch und sind TK-freundlich, d.h. man riskiere kein Absplittern der Kruste. Artisano könne man jedem Teig zugeben, egal ob im Gewerbe oder der Industrie. Die Zürcher Confiserie Honold verwendet Artisano für ein neu lanciertes Urdinkelbrot (Bild). Produktionschef Roger Fankhauser nennt als Vorteile Qualitätskonstanz, Zeitersparnis, Flexibilität, da das Brot gut haltbar sei und die technische Unterstützung bei Bedarf. Das Feedback der Kunden sei von Anfang an positiv gewesen. «Viele Bäckerkunden achten auf möglichst wenig E-Nummern, loben deren Abwesenheit aber oft nicht aus», so Ehret. Dabei ist zu bedenken: Bäckereien, die auf Brote ohne Zusatzstoffe hinweisen, könnten damit eine kontraproduktive Sensibilisierung bei den Konsumenten bewirken. Diese halten Brot immer noch für ein Naturprodukt, das keine Zusatzstoffe benötigt – es geht tatsächlich ohne, ist aber wie in andern Branchen dann allenfalls komplizierter. (GB) Backmittel-Umfrage des Wissensforum Backwaren Der Geschmack und die Frische der sind nach Auffassung der Bäckerinnen und Bäcker in Deutschland und in Österreich die wichtigsten Aspekte für den Endverbraucher beim Kauf von Brot, Brötchen oder Gebäck. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von IMAS International (Linz), die im Auftrag des Wissensforum Backwaren e.V. (Berlin/Wien) durchgeführt wurde. Zwei Drittel der befragen Bäckerinnen und Bäcker gaben an, dass sie Backmittel und andere vorgefertigte Backzutaten bei der Herstellung von Brot, Brötchen oder Feingebäcken verwenden. Gründe für die Verwendung der Backmittel bzw. Backzutaten sind Einfachheit in der Anwendung, Zeitersparnis durch die raschere Zubereitung, Arbeitserleichterung, Sicherheit bei der Herstellung und eine gleichbleibend hohe Qualität der Backwaren. „Die meisten Bäckerinnen und Bäcker in Deutschland und Österreich bekennen sich zu modernen Backmethoden“, so das Wissensforum Backwaren. „Denn damit erreichen sie sowohl Wirtschaftlichkeit als auch Qualität.“ 79 Prozent der Befragten sehen keinen Nachteil darin, wenn ihre Kunden wissen, dass sie nicht mehr wie früher backen, sondern mit moderner Technik und zum Teil auch unter Einsatz von vorgemischten Backzutaten arbeiten. „Moderne Bäcker und Bäckerinnen nutzen offenkundig die Backmittel, um damit ihr traditionelles Handwerk mit neuen Prozessen und Rezepten zu verbinden. Wir sehen hier auch die wichtigen Lösungsansätze für die Zukunft der Bäckereien. Denn nur wenn Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit in der handwerklichen Produktion gewährleistet sind, haben auch die kleineren Bäckereien eine Überlebenschance“ betont RA Christof Crone, Geschäftsführer des Wissensforums. Auf der anderen Seite befürchten 65 Prozent der Befragten, dass der Einsatz von Backmitteln und Backzutaten in der Öffentlichkeit negativ beurteilt wird. „Hier werden wir uns künftig noch mehr engagieren, um die Bäckereien bei ihrer Kommunikation mit ihren Kunden und Kundinnen zu unterstützen“, so Crone weiter. Dass die Weitergabe von Information über Backzutaten an die Verwender noch flächendeckender ausgerichtet werden sollte, zeigen auch andere Zahlen der Studie: So informieren 24 Prozent der Befragten die Kunden sehr aktiv über die Verwendung von Zutaten mit technologischer Wirkung, 40 Prozent einigermassen, 21 Prozent eher nicht und 9 Prozent gar überhaupt nicht. Die Informationsmassnahmen des Wissensforums werden deshalb in den nächsten Jahren weiter intensiviert werden. „Die Studie hat auch gezeigt, dass modern denkende Bäcker und Bäckerinnen insgesamt den Nutzen von Backzutaten erkennen und diese auch bewusst anwenden, um den Geschmack, die Frische und die Qualität ihrer Produkte zu gewährleisten. Allerdings werden wir die Bäckereien künftig noch stärker in der Kommunikation mit ihren Konsumenten unterstützen und den Nutzen der Backmittel für den Verbraucher besonders deutlich herausstellen“, fasst das Wissensforum Backwaren die Erkenntnisse aus der Umfrage zusammen. www.wissensforum-backwaren.de Weiterlesen: Wissenswertes: Chemie des Backens | |||||||