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Vegi-Gerichte mit Potenzial in Personalrestaurants

Swissveg-Präsident Renato Pichler konstatiert in der Gastronomie Verbesserungspotenzial beim Vegi-Angebot. Eldora, einer der schweizweit grössten Caterer, offeriert in 40% der Firmenrestaurants täglich ein vegetarisches oder veganes Gericht. Verdrängen dort Vegigerichte die fleischhaltigen?



Strudel ist ein Beispiel für ein Vegigericht, das rein auf Basis von Gemüse sehr gut schmeckt.


Gemäss Swissveg, der Schweizer Interessenvertretung für Vegetarier und Veganer, sind ein bis zwei Prozent der Schweizer Bevölkerung reine Vegetarier. Und eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Marketagent ergab: 2,2 Prozent der Schweizer essen konsequent kein Fleisch, eingerechnet jene 0,6 Prozent, die sich als Veganer bezeichnen. Mit fast 19 Prozent gross (und stark zunehmend) ist jedoch die Gruppe der Flexitarier, oft Teilzeit-Vegetarier genannt.

Auch bei den Veganern gibt es wohl Teilzeiter, die gelegentlich Eier- und Milchprodukte konsumieren. Handel und Gastronomie reagieren auf den Vegi- und Vegan-Trend. Der Handel bietet eine immer vielfältigere Produktpalette pflanzlicher Alternativen an, und in der Gastronomie sind Vegimenus heute nicht nur Standard sondern oft auch kulinarisch hochwertig. Ob ein Restaurant jedoch die seltener verlangten und aufwändigeren veganen Gerichte anbietet, ist eine Marketingfrage.

Einer der schweizweit grössten Caterer ist Eldora SA. In 40 Prozent der Firmenrestaurants offerieren ihre Restaurants täglich ein vegetarisches oder veganes Gericht, bei den restlichen mindestens ein Mal pro Woche. «95 Prozent der Schulen und Krippen bieten einmal wöchentlich ein vegetarisches-Gericht an, Tendenz steigend», berichtet Jennifer Lutz, Ernährungsberaterin bei Eldora: Die Zahl der Vegigerichte nimmt zu, allem voran in internationalen Firmen oder Umweltorganisationen».

Der Anteil an strikten Vegetariern einerseits und Flexitariern andererseits in den Personalrestaurants zu schätzen sei schwierig. «Er hängt von der Region und dem Unternehmen ab. Bei den internationalen Firmen am Genfersee besteht ein höherer Anteil als im Jura oder Wallis, wobei dort Käsegerichte natürlich sehr gefragt sind. Schätzungsweise 80 Prozent der Gäste sind Flexitarier».


Vegigerichte stehen heute bei der Präsentation den fleischhaltigen in nichts nach.


Verdrängen Vegigerichte die fleischhaltigen? «Erfahrungsgemäss werden weniger Fleischgerichte verkauft, wenn ein leckeres vegetarisches Gericht wie eine Käsespezialität oder Falafel auf der Karte steht. Aber man kann nicht von einer Verdrängung sprechen», meint Lutz. «Fleischgerichte sind weiterhin sehr gefragt, aber wichtig ist heute die Herkunft des Fleisches. Fleischlose Tage sind nicht erwünscht, die Gäste wollen selber bestimmen, wann sie auf Fleisch verzichten. In Schulen und Krippen wird nur einmal pro Woche rotes Fleisch angeboten. Fisch und weisses Fleisch werden ohnehin bevorzugt. Am 20. März, dem weltweiten Fleischlos-Tag werden unsere Küchenchefs animiert mitzumachen. Es ist jedoch nicht obligatorisch: die Entscheidung liegt beim Kunden, der Eldora unter Vertrag hat».

Käse stiftet Geschmack im Vegigericht

Eldora führt kein rein vegetarisches Restaurant, aber es wäre auf Kundenwunsch möglich. Dafür verwendet der Caterer sein eigenes Vegi-Label, um die Gäste zu informieren. Zu den beliebtesten vegetarischen Gerichten gehören bei Eldora Käsegerichte (Quiches und Tartes), Risotti und Ethno-Gerichte aus aller Welt wie z.B. Frühlingsrollen. Tofu, die Allzweck-Komponente der Vegetarier bietet dem schmackhaften Käse kaum Konkurrenz.

«Wenn ein Tofu-Gericht angeboten wird, verkaufen wir vielleicht zehn Teller davon, bei Käseschnitten aber fünfzig», verrät Lutz. Und generell gesehen sind die Bestseller wie in den meisten normalen Restaurants panierte und fritierte Komponenten: Schnitzel, Fisch mit Pommes frites, Cordon Bleu aber auch Evergreens wie Burger, Pizza und Pasta. Die Vorliebe für Fritiertes mag nebst dem unwiderstehlichen Röstaroma auch die Tatsache sein, dass die wenigsten Haushalte eine Friteuse verwenden – man stillt den Pommes-Appetit lieber im Restaurant. Fritieren ist daher eine beliebte Methode, um von Natur aus oft eher fade Vegi-Zutaten schmackhafter zu machen. Bei Eldora wendet man weitere Tricks an: «Mit frischen Kräutern und Gewürzen entstehen schmackhafte Gerichte. Auch auf die Präsentation wird viel Wert gelegt», sagt Lutz.

Umstritten in Vegi-Kreisen sind Fleisch-Alternativen aus pflanzlichen Proteinen in der Form von Würsten (Bild: Delicorn-Cervelat) oder Burgern. «Dies entspricht nicht unserer Philosophie», so Lutz. «Solche Produkte sind industriell hergestellt und enthalten meistens viel Fett und Zusatzstoffe. Wir bevorzugen frische Komponenten, und der echte Vegetarier sucht keinen Fleischgeschmack». Diesen zu kompensieren ist oft die Crux bei der Kreation von Vegigerichten: «Eine zentrale Herausforderung besteht darin, Vegi attraktiv und schmackhaft zu gestalten, damit sich auch Nichtvegetarier angesprochen fühlen», so Lutz.

Swissveg-Präsident Renato Pichler konstatiert in der Gastronomie noch Verbesserungspotenzial: «Wenn es in allen Kantinen und Restaurants wirklich gute Vegi-Menüs gibt, wird den Gästen der Verzicht auf Fleisch leichtfallen.», ist er im «20minuten» zitiert. Er schätzt das Vegi-Potenzial in der Schweiz auf derzeit etwa 20 Prozent.

Eldora bietet ihren Küchenchefs einen zweitägigen Vegi-Kurs im Ausbildungszentrum Hotelis an. Dieser beinhaltet Theorie und Praxis und wird von einer Ernährungsberaterin und einer Vegetarier-Köchin geleitet. Zudem erhalten sämtliche Küchenchefs wöchentlich von der Eldora-Ernährungsberatung Menü-Vorschläge zur vegetarischen Küche.

Die Motive der Fleisch-Skeptiker variieren von Gesundheit und Umweltschonung bis zu Kostenvorteilen, welche Vegi-Gerichte meistens bieten. «Zuerst kommt alles, was mit dem Haltung und Tötung von Tieren zusammenhängt, dann kommt die Umwelt. Der Preis spielt eher eine Rolle bei den Flexitariern, aber der Gesundheitsaspekt ist generell vorhanden», konstatiert Lutz. (GB)

Wieviele und welche Vegetarier gibt es?

Eine Ernährungsumfrage im 2014 von Marktagent ergab basierend auf 500 Befragten folgende Ernährungsformen:
Allesesser 64.7%
Flexitarier 18.8% Fleischliebhaber 13.2%
Vegetarier 1.6% Pescetarier (Fischliebhaber) 1.0%
Veganer 0.6%
Frutarier 0.0%

Fallbeispiel Mensa des Hamburger Studierendenwerkes

Das Studierendenwerk Hamburg ist einer der grössten Gemeinschaftsverpfleger Norddeutschlands. Es verköstigt täglich mehr als 23.000 vorrangig junge Gäste in 13 Mensen und 20 Cafés. Der Topseller unter den vegetarischen Gerichten ist Falafel (Bild). 19.300 Portionen davon wurden im vergangenen Jahr an den Theken des Studierendenwerkes ausgegeben. Auch Linsen-Bolognese und Blumenkohl mit Räuchertofu laufen sehr gut, das vegetarische Schnitzel in Knusperpanade ebenfalls.
Die vegane Gemüsepfanne hingegen bleibt gerne mal liegen. "Vegetarische und vegane Gerichte sind an den Standorten unterschiedlich nachgefragt", so Frauke Richter, Referentin für Qualitätsmanagement im Studierendenwerk. Besonders beliebt seien sie in der Mensa Philosophenturm. "Dort sind jeden Tag drei unserer sechs angebotenen Gerichte und 1.000 der 3.500 ausgegebenen Mahlzeiten vegetarisch."

In einer Grossküche leckere vegetarische und vegane Gerichte preiswert und schnell zuzubereiten - das ist eine Herausforderung mit vielen Facetten, so die beiden Vertreter des Studierendenwerkes. "In der Ausbildung werden Köche darauf so gut wie gar nicht vorbereitet", berichtete Dirk Gödecke, Koch und Produktionsleister der Mensa Philosophenturm. "Wir sind also ständig am Ausprobieren." Auf dieser kulinarischen Spielwiese lauern allerdings einige Fallstricke.

"Viele Produkte, die man im Einzelhandel kaufen kann, gibt es nicht in Gebindegrössen, die für Gemeinschaftsverpflegungen geeignet sind“, so Gödecke. Besonders bei Produkten kleiner Hersteller fehlten warenkundliche Informationen. Andere seien zu teuer oder kämen aufgrund ihres hohen Verarbeitungsgrades nicht zum Einsatz. Und wieder andere eigneten sich nicht zur längeren Warmhaltung. (Text: aid)

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