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15.11.2010 Exportförderung von und für «Schweizer Fleisch»
Referat von Proviande-Direktor Heinrich Bucher an der Exporttagung von Proviande am 29.10.2010: Seit annähernd 20 Jahren betreibt Proviande die Marketingkommunikation «Schweizer Fleisch» als Instrument zur Förderung eines positiven Images des Nahrungsmittels Fleisch und damit zur Förderung des Absatzes von Schweizer Fleisch und Fleischwaren im In- und Ausland. Diese Basiskommunikation erfolgt im Interesse aller Mitglieder von Proviande (Produzenten, Verwerter, Endverkauf). Unterstützt durch die Kommissionen Marketing-Kommunikation und Exportmarketing, die sich paritätisch aus Vertretern der Produzenten und Verwerter zusammensetzen, erarbeitet Proviande die Gesamtstrategie der Marketingkommunikation «Schweizer Fleisch». Dabei werden das vorhandene Knowhow und Synergien zwischen den In- und Auslandmassnahmen gezielt genutzt. Im bis anhin weitgehend geschützten heimischen Markt konnte sich das Marketing für Schweizer Agrarprodukte in der Vergangenheit auf Gattungswerbung beschränken. Die aktuellen Entwicklungen lassen eine Liberalisierung der Agrarmärkte erwarten. Damit wird auch der Fleischmarkt zunehmend für Importe geöffnet und der Wettbewerb für die einheimischen Fleischproduzenten wird härter. Damit die Konsumenten unter diesen neuen Rahmenbedingungen weiterhin Schweizer Fleisch bevorzugen, kommt der Markenbildung «Schweizer Fleisch» eine entscheidende Rolle zu. Proviande setzt deshalb auf eine Konkurrenzstrategie gegenüber ausländischen Importprodukten: Dabei werden die Stärken von Schweizer Fleisch hervorgehoben und dadurch die Marke «Schweizer Fleisch» positioniert. Das Ziel ist es, bestimmte Einstellungen und Verhalten zu «Schweizer Fleisch» zu prägen, um die Konsumpräferenzen für einheimisches Fleisch zu schaffen. Seit 2008 ist Proviande im Rahmen der Marketingkommunikation «Schweizer Fleisch» auch im Ausland aktiv. Zielmärkte bilden die umliegenden Länder der Schweiz: Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich. Der Fokus liegt dabei auf Deutschland, da die Schweizer Fleischexporteure primär in diesem Markt aktiv sind. Ab 2011 werden neu erste Massnahmen in Österreich umgesetzt. Strategisch orientieren sich die Auslandmassnahmen stark am Inland. Anders als in der Schweiz gilt es, durch einen Marktaufbau Schweizer Fleisch im Ausland erst einmal bekannt zu machen. Dabei sollen ebenfalls dessen Stärken hervorgehoben und die Marke «Schweizer Fleisch» positioniert werden. Ziel ist es, Einstellungen und Verhalten beim Handel und den Fachmedien – als Mittler zum Handel – zu prägen, damit Schweizer Fleischprodukte den Weg in die ausländischen Regale finden. Die Einstellung zur Schweiz ist generell positiv besetzt: die Schweiz verfügt international über ein hervorragendes Image. Ulrico Feitknecht: Nordeuropäer sind tendenziell Gesundheits- und Umwelt-orientiert. Überspitzt gesagt denken sie: «Ich armes Schwein esse wenigstens eine glückliche Sau». Südeuropäer dagegen sind Genuss-orientiert. Diese Unterschiede in der Mentalität muss man im Exportmarketing berücksichtigen. Dies allein reicht nicht, um Schweizer Fleischprodukte erfolgreich zu exportieren. Hinter den Schweizer Fleischprodukten stehen die Anstrengungen der gesamten Wertschöpfungskette Fleisch. Die Landwirte produzieren fast durchwegs nach dem ökologischen Leistungsnachweis, die Nutztiere werden tierschutzkonform gehalten und artgerecht und GVO-frei gefüttert. Sicherheit bieten das strenge Schweizer Tierschutzgesetz mit seinen unabhängigen Kontrollen sowie die Rückverfolgbarkeit mit der zentralen Tierverkehrsdatenbank. Das zum EU-Lebensmittelrecht äquivalente Schweizer Lebensmittelgesetz und unabhängige Kontrollen sorgen für die Sicherheit und die hohe Qualität der traditionellen Schweizer Fleischprodukte. Jede Region bringt ihre eigenen Fleischspezialitäten hervor – lokal geprägt und auf höchstem Niveau. Strenge Kontrollen bei der Verarbeitung erlesener Rohmaterialien garantieren hochwertige Spezialitäten und ermöglichen zugleich den Genuss von Schweizer Fleischspezialitäten mit gutem Gewissen. Die Auslandstrategie umfasst folgende Massnahmen: • Gemeinschaftsauftritte an internationalen Fachmessen und Events, • Internationale Medien- und PR-Arbeit, • Exportunterstützung für die Schweizer Fleischexporteure. Proviande organisiert zusammen mit Schweizer Fleischexporteuren Auftritte an internationalen Fachmessen wie der Anuga in Köln. Mit den Gemeinschaftsauftritten wird eine grössere Aufmerksamkeit für die Schweizer Fleischspezialitäten und die Dachmarke «Schweizer Fleisch» geschaffen. Proviande tritt als Gesamtorganisator auf und bietet durch eine intensive Begleitkommunikation eine Plattform für Schweizer Exportunternehmen. Diese profitieren von einer verstärkten Wirkung und einer besseren Wahrnehmung ihrer Produkte. Ausserdem nutzt Proviande als langjähriger Partner von Swiss-Ski zum zweiten Mal die internationale Plattform des Swiss-Ski House und macht Schweizer Fleischprodukte bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft 2011 in Garmisch-Partenkirchen über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt. Den Bekanntheitsgrad weiter aufzubauen und Aufmerksamkeit für Schweizer Fleischspezialitäten zu schaffen, zählen zu den primären Zielen der internationalen Medienarbeit. Die Fachmedien werden gezielt als Mittler genutzt, um den Handel zu erreichen. Proviande setzt auf die Zusammenarbeit mit einer PR-Agentur aus Deutschland. Sie ist mit den örtlichen Gepflogenheiten vertraut und bringt die notwendige Aussensicht ein. Die mediale Präsenz im Zielmarkt Deutschland stieg dadurch stark und die Wahrnehmungsschwelle für Schweizer Fleischprodukte wurde überschritten. Auf diese Weise gelingt es, die Mehrwerte der einheimischen Fleischspezialitäten gezielt aufzuzeigen. Proviande setzt dabei einerseits auf die klassischen Instrumente der Medienarbeit (Medienmitteilungen, PR-Artikel). Andererseits wird auch der Dialog mit den internationalen Fachjournalisten z.B. im Rahmen von Medienreisen weiter gepflegt. So nehmen viele Ausländer die Schweiz wahr, und dieses Klischee des Heidiland-Idylls bedient die Proviande-Exportwerbung folgerichtig. Proviande agiert als Informations- und Auskunftsstelle für Unternehmen, aber auch für Behörden und unterstützt die Schweizer Fleischbranche gezielt bei ihren Auslandaktivitäten. Zentral sind die Knowhow-Beschaffung und der Knowhow-Transfer. So fungiert Proviande im Rahmen von Drittlandmarktöffnungen (z.B. Südkorea) als Bindeglied zwischen den Behörden und der Fleischbranche und übernimmt die Koordination von Branchenanliegen. Dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Veterinärwesen erhielten einige Schweizer Fleischunternehmen die Zulassung für den Export nach Südkorea. Bislang wurden diese Anstrengungen noch nicht durch entsprechende Exporte belohnt. Erfahrungen von Proviande Die Aussage „Im Ausland wartet niemand auf uns“ mag abgedroschen klingen, sie trifft aber hundertprozentig zu. Wollen wir Schweizer Fleischprodukte in die ausländischen Regale bringen, müssen andere Produkte verdrängt werden. Qualität alleine reicht als Differenzierungs- und Verkaufsargument zumeist nicht aus, denn die Schweiz ist nicht per se besser als das Ausland. So verfügen etwa Österreich oder Italien über qualitativ ebenbürtige Fleischprodukte. Die viel zitierte Swissness wird im Ausland zudem oftmals anders wahrgenommen als im Inland. Daher müssen die Mehrwerte der Schweizer Fleischspezialitäten aufgezeigt und dem Handel Argumente zur Profilierung und Differenzierung vermittelt werden. Bei anderen Produktgruppen gelingt es, im Ausland einen Mehrpreis für diese Schweizer Produkte zu generieren. Wieso soll dies beim Fleisch nicht auch möglich sein? Die Auslanderfahrungen von Proviande der letzten drei Jahre zeigen, dass die Marke «Schweizer Fleisch», die Fleischspezialitäten aber auch die Fleischexporteure aus der Schweiz bei den Fachmedien und beim Handel weitgehend unbekannt sind. Es sind grosse Anstrengungen erforderlich, um den Bekanntheitsgrad von Exportfirmen oder Produkten aufzubauen und deren Wahrnehmungsschwelle zu überschreiten. Die Zusammenarbeit mit einer deutschen PR-Agentur war für Proviande diesbezüglich ein Baustein. Für die Unternehmen kann es sinnvoll sein, das Knowhow durch eine Zusammenarbeit mit lokalen Key Accountern zu erschliessen. Vor dem Start von Aktivitäten in einem Land sind Kenntnisse der Märkte und der Zielgruppe zentral. Oft fehlen die Ressourcen (Zeit, Geld) oder das Knowhow, um z.B. eine Marktstudie durchzuführen. So wurden bei der Marktöffnung von Südkorea viel Zeit und Geld investiert, um nach der Zulassung festzustellen, dass unsere Fleischprodukte zu teuer für den dortigen Markt sind. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Nutzung der Netzwerke von bestehendem Wissen und zur Erschliessung der Marktkenntnisse heute noch nicht etabliert ist. So nutzen wir unsere Botschaften im Ausland oder die Business Hubs der Osec zu wenig, um zu fundierten Informationen über die Zielmärkte zu gelangen. Eine Vernetzung der Instrumente und Massnahmen sowie ein verbesserter Informationsfluss innerhalb der Absatz- und Exportförderung sind erforderlich, um zukünftig erfolgreich im Ausland aufzutreten. Es ist bedauerlich, wenn in Russland im Oktober ein wichtiges Fleischmeeting stattfindet und 14 Tage vorher von Osec eine Delegationsreise ins gleiche Land organisiert wird. Bei gegenseitigem Informationsaustausch wäre allenfalls eine Verbindung der beiden Anlässe möglich gewesen. Auch gilt es auf Bundesebene, die Zuständigkeiten und die Koordination zu verbessern. So werden heute die Anliegen der Fleischbranche bei Verhandlungen über Zollkonzessionen oder Marktöffnungen zu wenig berücksichtigt, z.B. beim Zollkontingent Wurstwaren. Es ist nicht immer klar, wer bei Fragen als Ansprechpartner für die Fleischexporteure zur Verfügung steht. Es fehlt ein Netzwerk der am Export Beteiligten, seien dies Unternehmen oder Organisationen im Inland (Bundesämter, Osec, SCM, Schweiz Tourismus, FIAL, etc.) oder im Ausland (Botschaften, Handelskammern, Business Hubs, andere Exportfirmen, etc.). Dieses Netzwerk gilt es aufzubauen. Ein Ansatz zur übergeordneten Koordination könnte eine Exportplattform Land und Ernährungswirtschaft sein. Um im Export Erfolg zu haben, müssen die Unternehmen v.a. selber aktiv werden. So muss die Bereitschaft bestehen, Ressourcen (finanziell, personell) für den Export bereitzustellen. Der Aufbau des Exports ist als Teil der langfristigen Unternehmensstrategie zu definieren. Dies muss im Unternehmen gelebt und kommuniziert werden, zumal in der Anfangsphase oftmals rote Zahlen resultieren. Messeauftritte sind ein probates Mittel zur Bekanntmachung der Unternehmen und Produkte im Ausland. Sie bedingen eine intensive Vor- und Nachbereitung. Die Messe muss Bestandteil des Marketing- und Kommunikationsmixes eines Unternehmens sein und sollte nicht losgelöst von anderen Aktivtäten umgesetzt werden. Wichtig ist dabei, dass die Unternehmen und deren Aktivitäten künftig noch stärker in die Auslandmassnahmen von Proviande einbezogen werden. Dies zeigen Gespräche mit internationalen Fachjournalisten. Dazu ist ein intensiverer Austausch zwischen Proviande und den Exportfirmen nötig. Gleichzeitig müssen die Unternehmen vermehrt aktiv werden und die Kommunikation mit den Medien aufbauen. Dabei können sie auf die Unterstützung von Proviande zählen. Ausblick und Fazit Die Liberalisierung der Agrarmärkte dürfte voranschreiten (WTO, Freihandelsabkommen) und der Grenzschutz für Schweizer Agrargüter weiter reduziert werden. Faktoren wie der erneut zunehmende Einkaufstourismus und der erleichterte Veredelungsverkehr sorgen für zusätzlichen Druck. Optimale Rahmenbedingungen und eine funktionierende, subsidiär vom Bund unterstützte Absatz- und Exportförderung sind daher existentiell. Soll bei offeneren Grenzen die inländische Produktion mindestens beibehalten und der Absatz an einheimischen Produkten trotz höheren Preisen gehalten werden, gilt es, mehr Mittel in die Absatzförderung im In- und Ausland zu investieren. Touristen suchen später in ihrem Land Schweizer Produkte, um Ferienerinnerungen aufleben zu lassen. Bild: Produkte der Glarner Confiserie Läderach in Japan. Die gemeinsame Qualitätsstrategie der Land- und Nahrungsmittelwirtschaft, wie sie vom Bund initiiert wurde, ist ein Muss. Dabei darf sich der Einbezug des Tourismus nicht auf ein einheitliches Erscheinungsbild beschränken, sondern soll auf eine strategische Zusammenarbeit hinzielen. Für die erfolgreiche Erschliessung neuer Exportmärkte sind gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten notwendig, innerhalb der Land- und Ernährungswirtschaft aber auch darüber hinaus (Tourismus, Gastronomie). Eine Koordination der zahlreichen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungsketten der einzelnen Branchen und der diversen staatlichen Stellen ist unbedingt anzustreben. Synergien zwischen den Branchen, mit Bundesstellen und von ihnen eingesetzten Organisationen wie der Osec müssen konsequent genutzt werden. Hierfür müssen professionelle Strukturen geschaffen und die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Entsprechende Anpassungen vorausgesetzt, könnte der Agro-Marketing Suisse dabei eine tragende Rolle zukommen. Die Schweizer Fleischbranche will aktiv neue Märkte erschliessen. Dazu braucht sie entsprechende politische Rahmenbedingungen und ein funktionierendes Netzwerk. Proviande, als Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, bringt sich aktiv in diesen Prozess ein und unterstützt die Unternehmen mit wirkungsvollen Massnahmen bei ihren Auslandaktivitäten. Wir fordern die Fleischbranche auf, unsere Erfahrung und unsere Plattformen zu nutzen. (Text: 26.10.2010 / Heinrich Bucher, Proviande) Weiterlesen: Langer steiniger Weg zum Export | ||||