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18.11.2010 Halal-Produkte haben Marktpotenzial Die Ernährungsvorschriften der Muslime wurden in europäischen Ländern bis vor wenigen Jahren bei der Herstellung von Lebensmitteln nur wenig beachtet. Jedoch birgt die Vermarktung von Lebensmitteln, die nach den Regeln des Islams erzeugt und produziert werden ein grosses Potential zur Erschliessung neuer Märkte.
Die Ernährungsvorschriften der Muslime wurden in unseren Breitengraden bis vor wenigen Jahren bei der Herstellung von Lebensmitteln nur wenig beachtet. Die Vermarktung von Lebensmitteln, die nach den Regeln des Islams erzeugt und hergestellt werden, wird jedoch inzwischen als grosses Potenzial zur Erschliessung neuer Märkte erkannt. Demzufolge sind vermehrt Logos und Zertifikate geschaffen worden, die Lebensmittel als «islamkonform», und damit als «halal» deklarieren. Die islamische Religion basiert auf den «göttlichen Offenbarungen » an den Propheten Muhammed. Die Grundlage des Islam ist der Koran (die Heilige Schrift des Islam) und die Sunna (die Lebensweise des Propheten Muhammed). Der Koran gilt als Rechtsleitung für Muslime und beschreibt detaillierte Lebenshilfen in Form von Ge- und Verboten. Entsprechend werden die Regeln auch für Lebensmittel und deren Herstellung aus dem Koran abgeleitet: «O ihr Menschen, esst von dem, was auf der Erde an Erlaubtem und Gutem vorhanden ist und folgt nicht den Fussstapfen des Satans, denn dieser ist eindeutig euer Feind» (Sure 2: Vers 168). «Verboten ist euch der Genuss von Verendetem, Blut, Fleisch vom Schwein und dem, worüber ein anderer Name als Allahs angerufen worden ist.» (Sure 5: Vers 3) Bedeutung von Halal und Haram. Das arabische Wort «Halal» bedeutet das Erlaubte, das Zulässige und Gestattete. Im Zusammenhang mit Lebensmitteln bedeutet dies auch, dass sie hygienisch und toxikologisch frei von jeglichen riskanten Beimengungen und Verunreinigungen sind. Der Begriff «Haram» beschreibt im Gegensatz dazu das Verbotene, Unzulässige und nicht Gestattete. Folgende Rohstoffe und Lebensmittel sind Haram, also verbotene Stoffe, und dürfen für die Lebensmittelherstellung nicht verwendet werden: –– Fleisch von verendeten Tieren und deren Nebenprodukte –– Schweinefleisch und deren Nebenprodukte –– Blut und deren Nebenprodukte –– Fleisch von Raubtieren mit Fangzähnen –– Fleisch von Raubvögeln mit Krallen –– Fleisch von erlaubten Tieren, die nicht nach erlaubter Weise oder nicht im Namen Allahs geschlachtet wurden –– Alkohol Für die Einhaltung der Halal-Normen reicht es nicht aus, die oben genannten Produkte zu meiden, sondern es ist beispielsweise auch ausschlaggebend, ob das Tier mit erlaubtem Futter gefüttert worden ist. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Lebensmittel und dessen Herstellung notwendig. Halal ist eine ganzheitliche Anschauung, die sich auf alle Lebensbereiche erstreckt.
Nicht nur das Produkt selbst muss statthaft sein, sondern auch die dahinter stehende Handlung muss islamkonform sein. Eier aus Legebatterien-Haltung, mit Kinderarbeit hergestellte Produkte oder sogar finanzielle Mittel aus Haram stammenden Quellen sind nicht statthaft. Weitere wichtige Begriffe im Zusammenhang mit islamischen Speisevorschriften. In der Literatur, in Fachzeitschriften und Zeitungsartikeln über das Thema Halal-Lebensmittel werden viele Fachbegriffe verwendet. Im Folgenden wird eine kurze Auswahl aufgelistet und erklärt: –– Hadith: die Überlieferungen der «Aussagen und Taten» vom Propheten Mohammed –– Die Schari’a bedeutet «Der Weg zur Quelle». Die islamische Auslegung der Rechtswissenschaft bezieht sich auf die Schari’a, das islamische Gesetz. –– Sunna: Lebensweisen und Äusserungen des Propheten Mohammed –– Der Koran ist «die göttliche Offenbarung» oder umgangssprachlich das «heilige Buch» der Muslime. Der Koran besteht aus 114 Abschnitten (Suren), die jeweils aus einer unterschiedlichen Anzahl von Versen (Ayaat) bestehen –– Najis: dreckig, unsauber, abstossend –– Mashbooh: Mashbooh ist etwas, das fragwürdig oder zweifelhaft ist, zum Beispiel die Anwesenheit von unbestimmten Zutaten eines Lebensmittels oder das Lebensmittel selbst. ––Zabiha: Zabiha steht für islamisches Schlachten. Das Schlachten muss nach den Regeln des islamischen Gesetzes der Schari’a erfolgt sein. Anforderungen an die Rohstoffe und an die Herstellung von Halal-Produkten: pflanzliche Rohstoffe. Lebensmittel, welche aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden, gelten grundsätzlich als Halal-Produkte, sofern die Halal-Anforderungen bei der Verarbeitung eingehalten werden. Es ist in der Verarbeitung zu beachten, dass keine alkoholische Gärung erfolgt. Alle pflanzlichen Rohstoffe können verwendet werden, solange sie weder giftig noch schädlich sind. Können schädliche oder giftige Stoffe in pflanzlichen Rohstoffen während der Verarbeitung eliminiert werden, gelten auch diese pflanzlichen Stoffe als Halal. Tierische Rohstoffe. Grundsätzlich gelten im Islam alle Tiere und Rohstoffe als islamkonform, also als Halal. Dafür sind die Halalanforderungen genau einzuhalten. Bei den tierischen Rohstoffen sind die Halal-Anforderungen im Bereich Fleisch am umfangreichsten. Folgende tierischen Rohstoffe sind Haram und somit für den Verzehr verboten: Fleisch von verendeten Tieren (der Islam unterscheidet verschiedene Arten des Verendens und Todeskategorien von Tieren), Blut, Schweinefleisch sowie das Fleisch von Raubtieren mit Fangzähnen und Raubvögeln mit Krallen, ebenso das Fleisch von erlaubten Tieren, die auf eine nicht erlaubte Weise oder nicht im Namen Allahs geschlachtet worden sind. Bei der Milchverarbeitung muss beachtet werden, dass das eingesetzte Lab nur von Tieren stammt, die nach den islamischen Vorschriften geschlachtet worden sind. Bei der Verwendung von künstlichen Enzymen können kritische Stoffe wie Peptone, welche vom Schwein gewonnen werden, enthalten sein. Saftschönung mit Gelatine darf – wie auch der Einsatz von Kunsthüllen bei Fleischwaren – nicht aus Produkten des Schweins erzeugt beziehungsweise muss aus Halal-Produkten hergestellt werden. Die Halal-Anforderungen für Gelatine erfüllen Rinder, welche nach den Halal-Regeln geschlachtet und auch danach zertifiziert worden sind. Schlachtprozess. Die Regeln des islamischen Schlachtens bestehen darin, dem Tier auf schonendste, schnellste und schmerzloseste Art das Leben zu beenden. Nach der islamischen Überzeugung ist die Schlachtung ein Reinigungsprozess. Die Anforderungen zu dieser «Reinigung» erfüllen nur Tiere, die nach islamischem Recht erlaubt sind und im Namen Allahs geschlachtet werden. Meerestiere sind nach islamischem Recht rein; eine rituelle Schlachtung dieser Tiere ist nicht erforderlich. Vor Beginn des Schlachtprozesses hat die Ausrufung des Namens Allahs mit einer Bitte um «Rechtleitung», einer klaren Absichtsfassung und die Erklärung vor Allah höchste Priorität und ist zwingend erforderlich. Beim Schlachten müssen die Halsschlagader (Arterien und Venen), die Speiseröhre und die Luftröhre des Tieres durchtrennt werden. Das Rückenmark (Medulla Oblongata) darf nicht durchtrennt oder verletzt werden, damit das Tier durch Muskelkontraktionen und Zuckungen der Muskulatur schneller ausbluten kann beziehungsweise die Muskulatur schnell blutleer wird. Die Schlachtung kann jeder erwachsene Muslim (beiderlei Geschlechts) vornehmen, welcher das islamische Recht kennt, vollumfänglich versteht, anwendet, emotional stabil ist sowie das Schlachten beherrscht. Der oder die Ausführende sollte ein praktizierender Muslim sein. Die betäubungslose Anwendung der Schlachtung ist nach dem islamischen Recht in der Schweiz verboten; in der EU ist sie nicht einheitlich geregelt. Daher werden tierische Halal-Produkte für die Schweiz aus dem Ausland importiert, weil viele Muslime nur islamisch geschlachtetes Fleisch verzehren wollen. Betäubungen (zum Beispiel durch einen Bolzenschuss) sind in keinem Fall erlaubt. Eine Betäubung mittels Elektrizität («stunning box») wird inzwischen von vielen der islamischen Rechtsschulen akzeptiert, wenn sichergestellt ist, dass das Tier dabei weder gequält noch getötet wird. Produzenten von Fleischerzeugnissen in der Schweiz können die Rohstoffe aus Schlachthöfen aus den Beneluxstaaten, Grossbritannien oder Frankreich importieren. Für strenggläubige Muslime muss das Fleisch betäubungslos geschlachtet werden, für andere ist die Betäubung aufgrund des Schutzes der Tiere als Gottes Geschöpfe mit den Halal-Vorgaben vereinbar. Verbotene Rohstoffe: einige Beispiele. Alle eingesetzten Zutaten, Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe müssen die Halal-Anforderungen erfüllen. In den folgenden Beispielen werden die Halal-Anforderungen nicht eingehalten: –– Alkohole, welche aus Gärungsprozessen in Fertigsuppen oder Süsswaren eingesetzt werden –– Aromen, die mithilfe von Alkohol (Ethanol) erzeugt werden ––Enzyme aus der Magenschleimhaut von Kälbern oder Gelatine von Rindern, welche nicht nach islamischen Vorschriften geschlachtet worden sind. –– Antioxidationsmittel, welche von tierischen Rohstoffen stammen, die nicht nach islamischen Vorschriften geschlachtet worden sind. –– Farbstoffe mit tierischem Glycerin als Trägerstoff, falls diese Tiere nicht nach islamischen Vorschriften geschlachtet worden sind. Anforderungen an den Produktionsprozess. Die Erzeugung von Halal-Produkten erfordert es, dass alle möglichen Quellen von Verunreinigungen während der Herstellung beseitigt beziehungsweise vermieden werden. Dies kann entweder durch eine sachgerechte Produktreihenfolgeplanung durchgeführt werden oder durch eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Produktionslinien erfolgen. Es wird unter den zertifizierenden Stellen nicht einheitlich vorgegeben, ob in einer Produktionslinie, auf der Halal-Produkte hergestellt werden, auch andere Produkte erzeugt werden können. Grundsätzlich wird empfohlen, eine separate Produktionslinie für Halal-Produkte zu betreiben, um mögliche Verunreinigungen und Kontaminationen zu vermeiden beziehungsweise damit auszuschliessen. Unvereinbar mit den Halal-Anforderungen sind zum Beispiel Vermischungen mit Schweinefleisch. Diese Thematik wird in allen Halal-Vorgaben entsprechend streng gehandhabt. Im Gegensatz dazu ist es vorstellbar, dass eine Produktionslinie in der Teigindustrie vor der Herstellung von Halal-Produkten mit Alkohol desinfiziert werden kann. Voraussetzung dazu ist aber, dass der Alkohol vor der Halalproduktion vollständig verdampft ist. Bei den verwendeten Hilfsmaterialien muss sichergestellt werden, dass Geräte, Geschirr, Maschinen und Verarbeitungshilfsstoffe, die für die Halal-Lebensmittel verwendet werden, deutlich markiert und getrennt gelagert sind, um mögliche Kontaminationen zu vermeiden. Zudem muss sichergestellt werden, dass alle verwendeten Hilfsmaterialien keine Stoffe enthalten, die nicht zugelassen, also Haram sind. Anforderung an die Verpackung und Beschriftung/Rückverfolgbarkeit. Gebrauchsmaterial, welches zum Verpacken von Lebensmitteln verwendet wird, muss die Halal-Anforderungen wie die Lebensmittel auch erfüllen. Beispielsweise darf die Herkunft der Inhaltsstoffe von Kunststoffverpackungsmaterialien nicht aus undefiniertem tierischem Ursprung sein. Für die Auslobung von Halal-Marken, -Symbolen und -Logos muss der Hersteller mit der Zertifizierungssstelle über eine schriftliche Vereinbarung verfügen. Auf den Verpackungsoder Transporteinheiten von Halal-Lebensmitteln oder Halbfabrikaten müssen folgende Informationen angegeben sein: –– die Namen und Symbole der Zertifizierungsstelle ––Name des Produkts –– Importeur –– Liste aller Zutaten ––Herstellungsdatum oder Chargencodierung, welche die Rückverfolgung sicherstellt –– Herkunftsland Angeliefertes Fleisch muss mit einem Schlachtzertifikat des islamischen Schlachtbetriebs begleitet sein, welches von der jeweiligen religiösen Institution ausgestellt und legalisiert worden ist. Zusätzlich zu den oben genannten Angaben ist bei Fleisch das Schlacht- und Zerlegedatum notwendig. Halal-Zertifizierung. Damit ein Lebensmittelbetrieb Halalprodukte herstellen kann, benötigt er die Genehmigung eines islamischen Zertifizierungsorgans. Die Lebensmittelunternehmen müssen sicherstellen, dass sie vom Wareneingang bis zum Vertrieb Halal-konform produzieren. Weltweit gibt es knapp 100 islamische Zertifizierungsstellen, welche die Einhaltung ihrer eigenen islamischen Vorschriften überprüfen. Einige Zertifizierungsstellen nutzen weltweit anerkannte Standards wie den malaysischen Halal-Standard, welcher als massgebender und strikter Standard gilt. Andere Zertifizierungsstellen entwickelten mit Autoritäten des Islam eigene Standards. Knapp 100 Zertifizierungsstellen bedeuten aber auch ebenso viele unterschiedliche Logos sowie verschiedene Interpretationen von Halal-Vorgaben. Im Jahre 2006 ist die International Halal Integrity Alliance («IHI Alliance») gegründet worden.
Ziel dieser Organisation ist es, eine Plattform zu bieten, damit die Halal-Integrität im weltweiten Handel durch eine einheitliche Zertifizierungspraxis sichergestellt werden kann. Momentan ist ein sogenannter IHI-Halal-Standard im Aufbau. Einzelne Teile dieses Normenentwurfs sind im Jahre 2009 am Welt-Halal-Forum vorgestellt worden und stehen der Öffentlichkeit für Anfragen offen. Die restlichen Elemente der Norm werden voraussichtlich am Welt-Halal-Forum 2010 präsentiert. Ob ein globaler Konsens gefunden werden kann, ist fraglich. In der Schweiz wird von der Firma Certification Service GmbH der Schweizerische Halal-Standard für Halal-Produkte und -Lebensmittel angewendet und nach dessen Vorgaben die Halal-Zertifikate ausgestellt. Die Halal Certification Service GmbH in Rheinfelden bietet ihre Dienste in der Schweiz für eine Halal- Zertifizierung an. Es werden für einzelne Produkte wie auch für ganze Betriebe Zertifikate ausgestellt. Die Tätigkeitsgebiete der Zertifizierungs-Organisationen sind grundsätzlich unabhängig von der Region. Es gibt also keine kantonale oder regionale Eingrenzung. Logistische Gründe wie die geographische Nähe, sprachliche Barrieren, Kenntnisse der örtlichen Lebensmittelgesetzgebung und nicht zuletzt die Sicherstellung des Supports vor Ort beschränken aber die Tätigkeitsgebiete zumeist auf die Standortländer oder Regionen der Zertifizierungsfirmen. Die Halal Certification Service GmbH berät vor allem Schweizer Unternehmen, prüft Produkte und Produktionsstätten, stellt Halal-Zertifikate aus und überwacht die Betriebe durch periodische Inspektionen. Autoren: Beat Styger, Evelyn Kirchsteiger-Meier. Dieser Artikel wurde im Rahmen eines Auftrages der Firma Gewürz Berger AG, Liechtenstein, durch die Fachstelle IQFS am Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation (ILGI) der ZHAW in Wädenswil verfasst. Die in der Regel zweimal jährlich erarbeiteten Artikel zu verschiedenen Themen in den Bereichen Lebensmittelrecht, Qualitätsmanagement, Lebensmittelsicherheit, sind auch auf der Homepage der Firma Gewürz Berger AG veröffentlicht (www.gewuerzberger.com). Weitere Informationen: Das Literaturverzeichnis als auch weitere Informationen zu diesem Thema können Sie anfordern unter: info.iqfs@zhaw.ch, www.swisshalal.ch | |||||||||