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1.12.2010 Milchbranche gibt sich neue Regeln Nach langem Krach unter Milchbauern und Verarbeitern, nach Chaos am Markt gibt sich die Branche neue Spielregeln für den Markt. Die Schweizer Milchproduzenten vertrauen auf Schützenhilfe der Politik. Markus Zemp, Präsident der Branchenorganisation Milch, brauchte an der Delegiertenversammlung vom 24. November 2010 in Bern klare Worte: "Ich kann nicht zufrieden sein mit dem, was wir in diesem Jahr erreicht haben." Die hohen Erwartungen der Milchbauern, dass mit dem bisherigen Mengenführungsmodell der Milchmarkt stabilisiert werden könne, seien an den Realitäten des Marktes zerbrochen. Angesichts der sehr unterschiedlichen Meinungen über Mengen und Preisen auch unter den Milchbauern müsse sich die BO Milch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken. Klarere Milchkaufverträge Dieser kleinste gemeinsame Nenner wurde in Bern genehmigt: Das neue vom BOM-Vorstand vorgeschlagene Modell sieht vor, dass die Verarbeiter und Milchhändler die Milchmengen in eigener Verantwortung managen. In den Verträgen zwischen Milchproduzenten und Milchhändlern müssen die Milchmengen nach Verwendungszweck definiert werden: Ein A-Segment für Milchprodukte, die im geschützten Inlandmarkt verkauft werden, ein B-Segment für Milchprodukte, die ohne Stützung in der EU verkauft werden und ein C-Segment für Milchprodukte, die ohne Beihilfen auf dem Weltmarkt verkauft werden. Ferner müssen die Milchhändler mindestens 60 Prozent ihrer Milch im A-Segment kaufen und verkaufen. Vollständige Transparenz unter den Vertragspartnern und gegenüber der BO Milch soll dafür sorgen, dass die Regeln auch eingehalten werden. Verschiedentlich betont wurde, dass die Milchproduzenten von den Abnehmern nicht dazu gezwungen werden dürfen, C-Milch zu produzieren. Milch nota bene, bei der die Produktionskosten meist deutlich höher liegen als der Erlös am Markt. Tatbeweis ist gefragt Ein Antrag der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), das Mengenmodell vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklären zu lassen und so auch gegen Trittbrettfahrer unter Nicht-BO-Milch-Mitgliedern abzusichern, war vom Vorstand abgelehnt worden. Die ZMP zog den Antrag zurück unter dem Vorbehalt, dass der Vorstand rasch reagiere, wenn Missbräuche festgestellt würden. Zemp (Bild) erklärte, man werde die Entwicklung am Milchmarkt beobachten und falls nötig an einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung auf die Allgemeinverbindlichkeit zurückkommen. BO Milch-Geschäftsführer Gerber mahnte die Delegierten, das Modell funktioniere nur, wenn künftig die Transparenz gewährte werde, wenn alle Beteiligten ihren Job machten und vor allem, wenn alle Marktpartner sich an die beschlossenen Regeln halten. Politik bleibt im Spiel Genau daran haben manche Milchbauern Zweifel, denn die BO Milch stellte bisher immer wieder neue Regeln auf, die von einzelnen Akteuren nicht befolgt wurden und deshalb bald obsolet wurden. Albert Rösti (Bild), Direktor der Schweizer Milchproduzenten (SMP) sagte, man stimme dem neuen Modell zu. Da dieses aber keine nationalen Ausgleichs- und Solidaritätsmassnahmen enthalte und nicht verhindern könne, dass die niedrigpreisigen C-Mengen sehr ungleich verteilt seien, sei die SMP der Meinung, dass ergänzende Massnahmen nötig seien. Damit meinte Rösti in erster Linie die Motion des SVP-Nationalrates Andreas Aebi, die im Nationalrat bereits angenommen und im Januar 2011 in der zuständigen Ständeratskommission debattiert wird. Die Motion verlangt, dass Milchmengen, die über die Nachfrage am Markt hinaus produziert werden, mit zusätzlichen Abgaben pro Kilogramm Milch belastet werden sollen. Hoffnungen setzt die SMP auch auf die Motion von Bauernverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois, die noch strengere Regeln für die Milchkaufverträge verlangt. Rückblick: fehlende Marktdisziplin Im bisherigen Milchmengenmodell der BO Milch war festgehalten, dass Milchverträge für mindestens ein Jahr abgeschlossen werden, in denen eine Milchmenge und ein Preis definiert sind. Für den Preis galt ein von der BO Milch ausgehandelter Richtpreis als Orientierungshilfe. Für Milch, die darüber hinaus produziert und abgeliefert wird, wurde eine Online-Milchbörse installiert. Die Börse hätte Transparenz liefern sollen, kam aber nie richtig ins Laufen, viele Milchhändler verkauften überschüssige Milchmengen unter der Hand, ein Graumarkt entstand, der es der BO Milch auch verunmöglichte, aufgrund von aktuellen Marktdaten durchsetzungsfähige Entscheide zur Mengenreduktion zu treffen. Die Pendenz Butterberg Auch wenn dank den neuen Regeln der BO Milch der Milchmarkt stabiler werden sollte: Das Butterproblem bleibt. Das Inkasso für die beschlossene Butterabräumung sei praktisch abgeschlossen, die Exporte von 1'500 Tonnen Butter seien erfolgt, erklärte BO Milch-Geschäftsführer Daniel Gerber in Bern. Für den Abbau der Butterberge reicht das aber bei weitem nicht: Die Butterlager, die im Idealfall per Ende Jahr ganz abgebaut sein sollten, sind immer noch auf einem Stand von 7'500 Tonnen. Auch die sinkenden Mittel des Bundes für den Schoggigesetz-Fonds werden die Branche weiterhin vor Probleme stellen. BO Milch-Präsident Zemp erklärte, die Industrie werde zwar Hand dazu bieten, einen Teil von jährlich 100'000 Tonnen importiertem Pflanzenfett durch Milchfett zu ersetzen. "Wir dürfen uns aber keine Illusionen machen, es braucht eine Verbilligung des Milchfettes. Wir werden nicht darum herum kommen, auf nationaler Ebene eine entsprechende Finanzierung zu machen." (Text: LID / Roland Wyss-Aerni) Weiterlesen: Wie viel Politik brauchts im Milchmarkt? | |