Food aktuell
Varia
18.12.2010
Exportchancen für Obst und Gemüse?



Auch ein Freihandelsabkommen mit der EU würde die Exportchancen von Schweizer Gemüse und Früchten kaum erhöhen. In erster Linie müssten einheimische Marktanteile verteidigt werden. Bild: Apfelchips der Thurgauer Firma Öpfelfarm


Zwar kommen Studien immer wieder zum Schluss, dass Schweizer Konsumenten für Schweizer Produkte auch mehr zu bezahlen bereit sind. Ob sie dies auch tun, wenn günstige Produkte hoher Qualität aus dem Ausland in den Regalen liegen, ist aber fraglich. Solche Importware würde bei einem Agrarfreihandel mit der EU Schweizer Produkte konkurrenzieren. Vor diese Herausforderung sieht sich derzeit die schweizerische Obst- und Gemüsebranche gestellt, die sich an der traditionellen Zibelemärit-Tagung von Swisscofel, dem Verband des Schweizerischen Gemüse-, Früchte- und Kartoffelhandels, damit auseinandersetzte.

Preisdruck durch Importe

Dass Schweizer Produzenten auf Qualität setzen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben, darüber waren sich die Tagungsteilnehmer einig. "Den Konsumenten muss klar kommuniziert werden, was die Vorteile von Schweizer Produkten sind. Das wurde vernachlässigt, weil es bisher ganz einfach nicht nötig war", sagte Manfred Bötsch, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW), an der Tagung.

Für Christof Dietler, Mitinhaber der Agentur pluswert, die sich mit Food Marketing befasst, ist der teils aus landwirtschaftlichen Kreisen geforderte Protektionismus keine Lösung: "Die von realen und bewirtschafteten Ängsten verunsicherten Menschen werden mit Agrarnationalismus getröstet. So stimmt die Basis für eine aktive Zukunftsgestaltung weder unternehmerisch noch agrarpolitisch."

Dietler sieht das Potenzial für die Branche in der vorgesehenen Qualitätsstrategie des BLW: "So kann Swissness zur Chance werden, denn Schweizer Dienstleistungen und Produkte haben im Ausland ein hervorragendes Image." Er relativierte allerdings sogleich, dass auch Swissness bei gewissen Produkten Marktanteilsverluste kaum verhindern kann.



Ende der Konservendosen-Herstellung in der Schweiz?


Manfred Bötsch wurde noch deutlicher und plädierte dafür, dass bei einer Marktöffnung weniger rentable Bereiche, wie die Produktion von Konservengemüse, dem Ausland überlassen werden und dafür der Anbau von besser geeigneten Produkten wie Zuckerrüben verstärkt wird. "Innerhalb der Schweiz wird ja auch nicht überall alles angepflanzt."

Migros hält an Schweizer Produkten fest

"Die Schweiz wird bestimmt keine Agrarexportnation", meint Jürg Maurer, stellvertretender Leiter der Wirtschaftspolitik der Migros, und bestätigte somit die Prognosen seiner Vorredner. "Es gibt zwar durchaus Chancen, wie der erfolgreiche Export von Schweizer Käse zeigt, aber die liegen nicht auf der Strasse. Für Gemüse und Früchte wird es schwer, im Ausland einen Platz zu finden." Chancen würde Maurer höchstens bei Spezialitäten wie der stark nachgefragten Amandine-Kartoffel sehen. Maurer bekräftigte allerdings, dass die Migros auch bei einer Marktöffnung weiterhin auf einheimische Produkte setzen werde.

Chance für Bioprodukte?

Nur wenig positiver sieht Georg Hoffmann, Geschäftsführer des Früchtehändlers Kölla in Düsseldorf, die Exportchancen. "Es würde wohl kaum eine deutsche Kette Schweizer Äpfel ins Sortiment aufnehmen, solange es deutsche gibt. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Schweiz mit ihrem Image als Land der Natur durchaus Bioprodukte ins Ausland exportieren kann." Dafür müsste allerdings auch den ausländischen Kunden ein Mehrwert vermittelt werden können. Zudem wäre ein erfolgreicher Einstieg nur möglich, wenn aus der Schweiz genügend grosse Mengen geliefert werden könnten, wie Swisscofel-Geschäftsführer Marc Wermelinger sagt.



Für den Export eignen sich Produkte aus Gemüse, Kartoffeln oder Früchten nur, wenn sie innovativ und exklusiv sind. Umgekehrt werden bei Freihandel solche Produkte durch Importe stark bedrängt.


Das Hauptproblem aber bleibt trotz allen Lösungsansätzen bestehen: Ein Schweizer Apfel weist aus Konsumentensicht gegenüber einem ausländischen kaum einen sichtbaren Mehrwert auf – oder wie es Swisscofel-Präsident Jacques Blondin ausdrückte: "Ein Apfel bleibt ein Apfel".

Die Qualitätsstrategie

Im Rahmen der Qualitätsstrategie ist eine Charta geplant, die die gesamte landwirtschaftliche Wertschöpfungskette umfassen soll. Der Charta-Entwurf sieht einen international in umwelt- und tiergerechter Produktion führenden Landwirtschafts- und Ernährungssektor vor. Es sollen insbesondere Werte wie Nachhaltigkeit, Qualität und Swissness verkörpert werden. Dadurch sollen die Marktanteile im Inland zumindest gehalten und neue Märkte im Ausland erschlossen werden. Unterstützt wird die Charta zurzeit von der Landwirtschaft, bei der Nahrungsmittelindustrie ist man von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Qualitätsstrategie nicht überzeugt. (Text: LID / Jonas Ingold)

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