Food aktuell
Varia
2.2.2011
Probleme bei Milch mit Bio-Rhythmus

Die Biomilch-Produktion schwankt im Jahresverlauf stark. Die Milchverarbeiter haben sich diesem Rhythmus noch nicht angepasst. Deswegen wurde letztes Jahr sogar Biomilch importiert.

Der Grossteil der Biokühe folgt einem traditionellen Rhythmus: Die meisten Biokälber werden Anfang Jahr geboren. Wenn die Weiden im Frühling grün werden, geben ihre Mütter besonders viel Milch. Ende Mai, Anfang Juni geht ein Grossteil der Biokühe auf die Alp und wenn sie Ende August, Anfang September wieder ins Tal zurückkehren, fliesst ihre Milch nur noch spärlich. Weil die meisten Bio-Milchproduzenten Bergbauern sind und traditionell z‘Alp gehen, ist der saisonale Rhythmus sehr ausgeprägt.

Doch der Markt tickt anders. Milchüberschüsse im Frühling und ein Loch im Herbst sind da nicht gefragt, sondern eine konstante Versorgung und flexible Belieferung bei Sonderwünschen. Dass sich Handel und Verarbeiter nicht wirklich auf die saisonalen Schwankungen eingestellt haben, musste Urs Brändli, der Präsident der Bio Suisse Fachkommission Milch, in den letzten Jahren mehrmals feststellen.

Brändli: „Letztes Jahr wollte die Migros zum Beispiel im August eine Aktion mit UHT-Biomilch machen. Zu diesem Zeitpunkt war aber nicht genügend Biomilch verfügbar und sie musste die Aktion abbrechen.“ Ein paar Monate früher wäre das nicht passiert. Im Frühling mussten noch rund 20 Prozent der Biomilch, etwa 40‘000 Tonnen, deklassiert und als konventionelle Milch verkauft werden.

Biomilch für Veredelung Importiert

Sogar beim haltbarsten aller Bio-Milchprodukte, dem Milchpulver, kam es letztes Jahr zu Engpässen. Milchpulverhersteller Hochdorf wollte im Spätsommer Biomilch kaufen ,um Babynahrung herzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war der Biomilchmarkt aber ausgetrocknet. Die Biomilch wurde deshalb importiert.

Hochdorf-Sprecher Christoph Hug erklärt: „Es handelte sich um Veredelungsverkehr für Babynahrung. Die Anfrage war relativ kurzfristig, weshalb wir im Frühling noch nicht mit dem Auftrag rechnen und entsprechend planen konnten.“ Besonders lukrativ soll das Geschäft zwar nicht gewesen sein: „Mit Schweizer Milch hätte man Mittel nach dem Schoggigesetz beanspruchen können, beim Veredelungsverkehr geht das natürlich nicht. Zudem war der administrative Aufwand im Verhältnis zur Menge sehr hoch. Für einen guten Kunden im Bereich Babynahrung nimmt man diesen Aufwand jedoch gerne in Kauf.“

Fehlende Übersicht

Um welche Mengen es sich bei dem Import gehandelt hat und ob diese Biomilch aus Deutschland oder Österreich stammte, will Hug nicht verraten. Er verweist statt dessen auf die Statistik. Die hilft aber nicht weiter, weil der Zoll nicht zwischen Bio- und Nicht- Bio-Milchprodukten unterscheidet. Ob für Biomilchprodukte ein Importdruck existiert, kann derzeit nicht festgestellt werden. Auch Magdalena Blonkiewicz, die Produktmanagerin Milch von Bio Suisse, hat keine Importzahlen: „Bio Suisse verfügt lediglich über Informationen zu Knospe-Importen.“

Importe von Knospe-Milchprodukten lässt die Bio Suisse aber gar nicht zu, solange die Inlandnachfrage mit der Inlandproduktion gedeckt werden kann. Es fehlt nicht nur der Überblick über die Importe, sondern auch über die Exporte. Blonkiewicz: „Eine Statistik mit Exportzahlen von Biomilchprodukten ist bislang bei keiner offiziellen Stelle abrufbar.“ Beide Zahlen wären jedoch interessant, weil sie den Produzentenmilchpreis beeinflussen können.

Mehrere Schweizer Milchverarbeiter verkaufen mit Erfolg Biomilchprodukte im Ausland. Allerdings sind das nicht nur einheimische Produkte: So lässt die Züger Frischkäse AG ihren Bio-Hüttenkäse in Oberösterreich produzieren, um ihn dann in Deutschland zu vermarkten –zwar ohne Schweizer Kreuz, aber doch mit dem Image des Schweizer Verarbeiters.

Trotz guter Nachfrage tiefer Preis

Zurück zum Biorhythmus: Möglichkeiten, die Milchspitze im Frühling zu brechen, gäbe es genug. Zum Beispiel könnte Bio-Glace statt im Juli bereits im März und April produziert werden. Das hat Christian Banga, der Präsident der IG-Biomilch MIBA, dem Milchverarbeiter Emmi auch schon vorgeschlagen. Bislang umsonst. Banga vermutet: „Solange die Milch nicht verkauft ist, liegt das volle Risiko beim Bauern. Das ist für den Verarbeiter natürlich komfortabel.“

Anders als etwa im bergigen Graubünden gehen im Einzugsgebiet der MIBA nur wenige Kühe auf die Alp. Deshalb fliesst die Milch der MIBA-Bauern im Jahresverlauf wesentlich gleichmässiger als im Berggebiet. Und sie deckt den Bedarf immer weniger. „Wir spüren, dass die Migros verstärkt auf Bio setzt“, sagt Banga. Er geht davon aus, dass die Migros-Tochter ELSA gerne noch mehr Biomilch verarbeiten würde.



Bio-Milch der ELSA ohne Biosuisse-Knospe


Angesichts der grossen Nachfrage und dem knappen Angebot dürfte man erwarten, dass der Biomilchpreis steigt. Das ist aber nicht der Fall. „Die Abnehmer stellen sich auf den Standpunkt, dass die Preisdifferenz zur konventionellen Milch nicht zu gross werden darf“, sagt Banga. Vor zwei Jahren erhielten die Bio-Bauern von der MIBA 95 Rappen pro Kilogramm ausbezahlt – letztes Jahr waren es rund 20 Rappen weniger. Und im Moment liegt der Bio-Basispreis der MIBA gerade noch bei 72,5 Rappen.

Segmentierung wird nicht überall umgesetzt

Die Delegierten der Branchenorganisation Milch haben zwar beschlossen, dass ab Januar 2011 sämtliche Milch, also auch die Bio- und Käsereimilch, je nach Verwendungszweck in A-, B- und C-Milch eingeteilt werden muss und dass der Verwendungszweck in den Milchproduzenten festgehalten ist. Diese Segmentierung wird bei der Biomilch jedoch nicht überall umgesetzt: So nimmt z.B. der Biomilchpool überhaupt keine Segmentierung vor.

Bei der Produzenten- Milchverarbeiter Organisation, PMO, Biedermann-Züger findet die Segmentierung nur indirekt statt, wie PMO Präsident Gottlieb Siegfried sagt: „Wir haben bislang den Anteil A- und B-Milch nicht separat ausgewiesen und haben das auch in Zukunft nicht vor.“ Der Anteil der exportierten Biomilch beträgt bei der PMO Biedermann-Züger 20 bis 25 Prozent. Bei der IG-Biomilch MIBA können die Biomilchbauern auf Monatsliefermenge umstellen, für die darüber hinaus gelieferte Menge erhalten sie dann nur den aktuell realisierbaren Marktpreis.

Bei den Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP können die Biobauern wählen, ob sie nur A-Milch oder auch noch zusätzliche BMilch produzieren wollen. ZMP-Geschäftsführer Pirmim Furrer rechnet mit zwei bis drei Prozent B-Milch. „Der Preisunterschied zur A-Milch schwankt stark”, sagt Furrer. „Letztes Jahr betrug er im Spätsommer vier Monate lang Null, im Frühjahr waren es dagegen bis zu 20 Rappen.“



Wenig Transparenz bei der Biomilch

Dass die Branchenorganisation Milch, die BO-Milch, Mühe hat, ihre eigenen Beschlüssen umzusetzen, ist bekannt. Die Arbeitsgruppe Bio innerhalb der BOMilch hat es da besser, weil sie überhaupt keine Beschlüsse fällt. Die AG Bio trifft sich drei Mal im Jahr, um aktuelle Themen des Biomilchmarktes zu besprechen. Dabei geht es vor allem um die Analyse der Marktlage und die weitere Entwicklung, nicht jedoch um das Festlegen eines Bio-Richtpreises oder eines Bio-Zuschlags.

Die Bio-Produzenten hofften auf mehr Transparenz, wurden aber enttäuscht. „Bisher ist die Bio Suisse Netto-Zahlenlieferant“, sagt Urs Brändli. Die verschiedenen Konkurrenten sind offensichtlich nicht bereit, die Karten voreinander auf den Tisch zu legen. Die AG Bio innerhalb der BO Milch wurde 2009 gegründet. Als Produzentenvertreter nehmen Urs Brändli und Magdalena Blonkiewicz von der Bio Suisse teil, Marcel Lusti vom Biomilchpool, Dominik Estermann von der ZMP und Cyril Deporet von der Progana. Der Handel ist mit Migros und Coop vertreten, die Verarbeiter mit Cremo, Emmi und Fromarte. (Text: LID / Eveline Dudda)

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