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Varia
1.3.2011
Forscher sehen positive Bilanz für Gentech-Weizen



Der Sicherheitsaufwand war enorm, um die Freilandversuche mit Gentechweizen in Reckenholz und in Pully durchführen zu können. Aber die Forschenden sind mit den Ergebnissen zufrieden: Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt blieben aus.


"Seit 15 Jahren werden genetisch veränderte Pflanzen kommerziell angebaut", sagte Paul Steffen, Direktor der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART). "Und im Jahr 2009 wuchsen auf 134 Millionen Hektaren solche Pflanzen, was rund 10 Prozent der weltweiten Ackerfläche entspricht". Ganz anders sieht die Situation in der Schweiz aus, wo das Volk 2005 einem Moratorium zur kommerziellen Nutzung von Gentechpflanzen zugestimmt hat. Das Gentechnik-Moratorium schliesst aber nicht die Gentechnik-Forschung aus.

Deshalb präsentierten an einer ART-Fachtagung letzte Woche die Forschenden des so genannten Weizen-Konsortiums die Ergebnisse aus drei Jahren Freilandversuchen mit gentechnisch verändertem Weizen. Forschungsgruppen von ART, von Agroscope Changins-Wädenswil (ACW), der ETH Zürich sowie den Universitäten Zürich, Bern, Lausanne und Neuchâtel hatten sich 2006 zum Weizen-Konsortium zusammengeschlossen, um ihr gemeinsames Projekt besser voran treiben zu können. Im Projekt ging es darum, Gentechweizenpflanzen im freien Feld zu untersuchen.

Die angepflanzten Gentechpflanzen verfügen dank Gentechnik über eine erhöhte Resistenz gegen die Pilzkrankheit Mehltau (siehe unten). Die Forschenden führten die Freiland-Versuche im Rahmen des nationalen Forschungsprogramms 59 "Nutzen und Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen" (NFP 59) in Reckenholz bei Zürich sowie in Pully bei Lausanne durch.

Risikoforschung mit eigenem Weizen

Freilandversuche mit Gentechpflanzen sind in der Schweiz zwar möglich, aber das Verfahren für die Erteilung der Bewilligung dazu sehr aufwendig. "Zudem zeigte sich, dass die Erhältlichkeit von Gentechpflanzenlinien wegen den strengen Haftpflichtauflagen in der Schweiz beschränkt ist", bedauerte Beat Keller von der Uni Zürich.

Weil eigenes genetisches Weizenmaterial der Uni und ETH Zürich zur Verfügung stand, wählte man schliesslich Weizen. Weizen ist zudem ein Selbstbefruchter und weist deshalb eine geringere Auskreuzungsrate als etwa Mais auf. Dadurch ist auch das Umweltrisiko kleiner, was sich positiv auf die Erteilung der Bewilligung auswirkte.

Bei den Versuchen ging es darum, zwei Sommerweizensorten mit Gentechnik gegen den echten Mehltau resistent zu machen. Dazu wurden den Weizenpflanzen fremde Mehltau-Resistenzgene aus einer Weizenpflanze und aus einer Gerstenpflanze eingesetzt.



Feld der Forschungsanstalt ART in Zürich-Nord: Wegen Protesten fanden die Versuche unter grossen Sicherheitsvorkehrungen statt.


Dabei stand nicht die Züchtung einer besonders resistenten neuen GV-Weizensorte im Vordergrund, sondern die Grundlagenforschung. Die Forschenden wollten nebst dem Testen der Mehltauresistenz und der agronomischen Eigenschaften insbesondere herausfinden, welches die Auswirkungen auf Bodenorganismen wie Bakterien und Pilze waren. Auch führten sie Auskreuzungsversuche durch.

Geringerer Ertrag

Vor allem ein Forschungsresultat erstaunte: Der Ertrag von Gentechpflanzen war geringer als der normaler Weizenpflanzen. Fabio Mascher von Agroscope ACW erklärte, man könne transgene Pflanzen mit einem Auto vergleichen, das über eine Klimaanlage verfüge. "Fährt das Auto auf den Üetliberg, so braucht es mit Klimaanlage mehr Energie als ohne", so der Forscher. Genau so brauche auch die eingebaute Resistenz gegen Mehltau Energie, was den Ertrag der Pflanze dann schmälere.

Einige transgenen Weizen-Linien zeigten auch keine signifikant höhere Resistenz gegen Mehltau als nicht transgener Weizen. Dies führten die Forscher darauf zurück, dass die nicht-transgene Ausgangssorte Frisal bereits über eine hohe Resistenz gegen Mehltau verfüge. Mischungen mit gentechnisch veränderten Linien waren hingegen besser geschützt gegen Mehltaubefall und wiesen auch höheren Ertrag auf. Die definitiven Forschungsergebnisse stehen aber noch aus und werden erst diesen Sommer publiziert. Die Forschenden sind sich aber schon jetzt einig: Feldversuche mit Gentechpflanzen sind unabdingbar und können nicht durch Versuche im Labor ersetzt werden.

Keine negativen Auswirkungen auf Umwelt

Das Weizen-Konsortium untersuchte die Auswirkungen von Gentech-Weizenpflanzen auf Bodenlebewesen wie etwa Asseln, Regenwürmer, bestimmte Pilze oder auf Blattläuse. "Es scheint diesen Tieren wirklich egal zu sein", kommentierte Wolfgang Nentwig von der Uni Bern die Ergebnisse seiner Untersuchungen. Alle beteiligten Forscher konnten in ihren Untersuchungen keine negativen Einflüsse auf die Umwelt nachweisen. Anbauorte, Jahreszeiten und Versuchsjahre hatten einen weit grösseren Einfluss auf die Umwelt als die Pflanzen.



Bis zur erfolgreichen Lancierung von Gentech-Weizenprodukten gibt es noch viele Hürden. Die letzte ist die grösste: die emotionale Ablehnung durch die Schweizer Konsumentenschaft.


Auch Auskreuzungen auf benachbarte Weizenfelder konnten nicht beobachtet werden. Hingegen wurde in unmittelbarer Nachbarschaft die Auskreuzung auf das Wildgras Aegilops festgestellt. Dieses Gras kommt in der Schweiz aber nur in einigen Regionen vor.

Forscher fordern "Protected sites"

Für Michael Winzeler von Agroscope ART war klar: "Das Weizen-Konsortium hat die komplexe Herausforderung gemeistert, einzelne Forschungsteams können solche Versuche nicht durchführen". Für künftige Forschungsprojekte sei aber die Schaffung von geschützten Versuchsanlagen, so genannten "protected sites", notwendig. Denn ein Anschlag im Juni 2008 auf die Versuchsanlage im Reckenholz bedeutete für die Forscher einen grossen Rückschlag. Die Sicherheitsmassnahmen mussten danach stark erhöht werden.

Insgesamt kosteten die Sicherheitsvorkehrungen gleich viel wie die eigentliche Forschung. Die Forscher forderten zudem bessere rechtliche Rahmenbedingungen, damit solche Forschung auch in Zukunft in der Schweiz durchgeführt werden kann. Die Kritik, solche Gentechforschung gehe an den Bedürfnissen der Schweizer Landwirtschaft vorbei, konterte Wilhelm Gruissem von der ETH Zürich: "Die Schweiz muss in der internationalen Grundlagen- und Spitzenforschung mithalten können."

Franz Bigler von ART sagte, dass bis anhin die Frage der Koexistenz noch nicht geklärt ist, jetzt aber Daten zu Weizen vorhanden seien. Er ist davon überzeugt, dass die grüne Gentechnik künftig sehr wichtig sein wird. "Man darf nicht aus Glaubensgründen eine neue Technologie ablehnen."

Wissenswertes:
Mehltau entzieht Pflanzen Nährstoffe

Als "echten Mehltau" bezeichnet man Pilzkrankheiten auf Pflanzen, die durch so genannte Schlauchpilze verursacht werden. Der echte Mehltau (Blumeria graminis) auf Weizen und Triticale befällt die grünen Blätter und Triebe. Er bildet dort ein Pilzgeflecht, einen weisslichen, mehlartigen Belag. Daraus entwickeln sich Saugorgane, die sich im Pflanzenteil verankern und ihm so die Nährstoffe entziehen können. Weil der Mehltaubefall zu erheblichen Ernteausfällen führen kann, werden gegen den Pilz resistente Weizen- und Triticalesorten gezüchtet. Weitere Mehltau-Gattungen befallen auch Zuckerrüben, verschiedene Gemüse und Salate sowie die Weinrebe. (Text und zweites Bild: LID / Brigitte Weidmann)

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