Food aktuell
Varia
27.9.2011
Neue DLG-Studie über Regionalprodukte

Welchen Stellenwert haben regionale Lebensmittel beim Verbraucher? Was versteht der Verbraucher unter dem Begriff „Regionalität“? Wie müssen Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft kommunizieren?


„Regionalität“ entfaltet seine volle Kraft durch kommunikative Inszenierung, emotionale Werbung und auffällige Verpackung.


„Regionalität“ ist heute ein zentrales Schlagwort, vor allem in der Lebensmittelbranche. Handel und Lebensmittelproduzenten werben massiv damit. Befragt man den Handel, so hat sich „Regionalität“ in zehn Jahren von einem zu vernachlässigenden Aspekt zum Top-Thema der Branche entwickelt. Einer aktuellen Studie (Lebensmittel Praxis 1/2011) zufolge, steht das Thema ganz oben auf Platz 2 mit 96 % Zustimmung direkt nach dem Dauerthema „Kostendruck“. Die aktuelle DLG-Studie 2011 „Regionalität aus Verbrauchersicht“ ist der Erfolgsgeschichte nachgegangen.

Im Mittelpunkt standen die Fragen: Gibt es einen Unterschied in den Regionen (Nord, Mitte, Süd, Ost, West) beim Thema „Regionalität“? Gibt es einen Unterschied in der Wahrnehmung zwischen den unterschiedlichen sozialen Milieus? Sind Verbraucher, die in der Region die eigenen Produkte schätzen, auch aufgeschlossener für Produkte anderer Regionen? Wie hoch ist die Affinität zu traditionellen Regionalmarken? Gibt es ein übergeordnetes Zeichen, das für „Regionalität“ steht? Welche erfolgreichen Strategien und Stereotypen sind in der Kommunikation erkennbar? In Zusammenarbeit mit der Agentur taste! (spezialisiert auf Markenkommunikation Food & Beverage) wurden dafür im Juli und August 2011 rund 1.500 Verbraucher in Deutschland befragt.

„Regionalität“ ist ein Thema, das von den Verbrauchern in den letzten fünf Jahren mit wachsendem Interesse verfolgt wird. 86 % der befragten Verbraucher haben von diesem Begriff gehört. Auch das Verständnis des Begriffs ist insgesamt sehr hoch, für 97 % bedeutet es „Produkte aus der Region“. Die Hälfte der Befragten definieren „Regionalität“ als den Grossraum um ihre Stadt, für die andere Hälfte ist es ihr Bundesland.

Vor allem die Produktkategorien Obst und Gemüse, Geflügel und Eier, Fleisch und Wurstwaren sowie Milchprodukte werden mit „Regionalität“ verbunden. Dass genau dies jedoch in den Regionen durchaus unterschiedlich ist, zeigt die Studie ebenfalls. In der Region Süd rangieren Bier in Bayern und Wein in Baden-Württemberg deutlich höher als jedwede Art von Getränken in anderen Regionen.



Westschweizer verstehen Terroirprodukte als traditionelle in der Region hergestellte Produkte. In der Ostschweiz dagegen können auch Neuheiten Regional-produkte sein.


Was frühere Studien schon angedeutet haben, bestätigt der differenzierte Ansatz der aktuellen DLG-Studie: Die Zustimmung zu der These „Ich fühle mich wohl in meiner Region“ war in allen sozialen Milieus hinweg mit 89 % Zustimmung sehr hoch. Die Thesen „Ich liebe meine Region“ und „Ich identifiziere mich mit meiner Region“ fallen dagegen niedriger aus (73 % bzw. 71 %). Dies differenziert je nach Region. In der aktuellen Studie beweisen explizit die Süddeutschen den grössten Wohlfühl-, Liebes- und Identifikationsfaktor vor allen anderen Regionen.

Was wird unter „Regionalität“ verstanden?

Generell kann man festhalten, dass das obere soziale Milieu „Regionalität“ deutlich enger fasst als die Mitglieder der beiden anderen Schichten. Zu 54 % verstehen die Personen mit hoher Bildung und Einkommen darunter den Grossraum um ihre Stadt. Das untere und mittlere soziale Milieu verstehen dagegen darunter eher ein Bundesland.

„Wenn mich meine Region interessiert, interessiert mich dann auch deine?“ Diese These scheint zumindest in einer interessanten Grösse zu stimmen: 34 % stimmen eher zu, 8 % stimmen voll und ganz zu. Dies erschliesst immerhin ein Verbraucherpotential von 42 %, die aufgrund der Sensibilität für die eigene „Regionalität“ auch Interesse an anderen Regionalprodukten haben. Sehr interessante Potentiale für den Handel: Regionale Wochen und regionale Spezialitäten haben ihre Sonderthemen-Platzierungen folgerichtig verdient.


Die Gruppendiskussionen sowie die repräsentative nationale Studie zeigen, dass es Marken gibt, die als Marken ihrer Region hohe Zustimmung und Akzeptanz finden. Schliesst man den Fragen nach den Traditionsmarken die Wertung nach dem neuen Typus der regionalen Handelsmarken an, so gibt es ganz erstaunliche regionale Unterschiede: Deutlich dominant ist hier der Norden und Westen. Während im Westen mit durchschnittlich 49 % der Nennung NRW-Heimatprodukte der Rewe genannt werden, ist es im Norden der Pionier der regionalen Heimatmarke, die coop-Marke „Unser Norden“, die hier besonders gut abschneidet. Die Nachfrage nach sogenannten Bauern- und Marktplatzmarken zeigen vor allen Dingen Akzeptanz im oberen sozialen Milieu, welches traditionell diese Einkaufsformen eher wahrnimmt.

Regionalität ist hoch emotional besetzt

Alle regionalen Traditionsmarken werden ebenso wie die Eigenmarken des Handels eher mit kleinen Budgets beworben. Umso interessanter war deshalb die Frage, welche Bilder denn tatsächlich das „Gefühl“ der „Region/Regionalität“ abbilden würden. Dazu wurden zwei massiv beworbene TV-Spots (hohes C, Landliebe) in den Test geschickt. Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: „Regionalität“ ist ein hoch emotional besetztes Thema, das es entsprechend zu inszenieren gilt. Nicht wenige der Verbraucher fassen „Regionalität“ in ihrer grössten Form auf: Produkte aus Deutschland. Je undifferenzierter der Wissensstand ist, umso schneller lassen sich Allgemeinplätze prägend verankern.

Markenentscheidungen sind Bauch-Entscheidungen und werden folgerichtig zu 80 bis 90 % emotional getroffen. Daneben verlässt sich der Käufer aber bei der Auswahl auf Qualitätssiegel. Auf die Nachfrage „Gibt es ein Siegel, das die ‚Regionalität‘ zertifiziert?“, so wird dies deutlich verneint. Auf die Frage „Gibt es einen Bedarf hierfür?“ gab es ein eindeutiges Ja. Die Mehrheit der Deutschen (69 %) würde es begrüssen, wenn es ein solches Siegel gäbe. Über die Frage „Was dürfen regionale Produkte mehr kosten?“ sagen der Süden und die mittleren und oberen Sozial-Milieus 5 % bis 10 % (gar nicht wenige sogar 15 %). Der Osten ist dagegen der Meinung, dass „Regionalität“ keine Mehrkosten verursachen darf.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Das Thema „Regionalität“ steht mit 45 % in der Wichtigkeit der Themen beim Verbraucher eindeutig an erster Stelle, vor den Themen „Bio“ (22 %) und „Nachhaltigkeit“ (21 %). Das Thema Regionalität ist keine Modeerscheinung, sondern ein langfristiger Megatrend. 61 % der Verbraucher glauben, dass uns dieses Thema noch über die nächsten zehn Jahre beschäftigen wird. Regionalität ist dabei vor allem ein Produkt-Thema und kein ethisches Thema: 97 % der Verbraucher geben an, regionale Produkte zu kaufen, weil sie explizit aus der persönlich definierten Region stammen.

Aspekte wie Transportwege oder Umweltschonung spielen eine eher untergeordnete Rolle. Je höher der Bildungsgrad und das Einkommen, desto enger wird von den Verbrauchern der Begriff „Regionalität“ gefasst und auf ein kleineres Gebiet (z.B. Grossraum um eine Stadt) begrenzt. Regionale Produkte sind in der Verbraucherwahrnehmung vor allem frische Landwirtschaftsprodukte, für die gerne, sofern man es sich leisten kann, mehr Geld ausgegeben wird. Da das Thema „Regionalität“ ein hoch emotional besetztes Thema ist, lassen sich, je undifferenzierter der Wissensstand, Allgemeinplätze prägend verankern.

Für Lebensmittelproduzenten und den Handel ergeben sich daraus folgende Handlungsempfehlungen: „Regionalität“ entfaltet seine volle Kraft nur durch die kommunikative Inszenierung des Themas durch emotionale Werbung und ein aufmerksamkeitsstarkes Packaging. Dabei gilt es, sich im Vorfeld mit den Besonderheiten der eigenen (definierten) Region auseinanderzusetzen und die authentischen Wurzeln der eigenen Marke in dieser Region zu definieren. Hier kann es nützlich sein, nicht nur „regional“, sondern auch „lokal“ zu denken. Regionale Lebensmittel sollten eine eindeutige visuelle Kennzeichnung, am besten ein Qualitätssiegel tragen. (Text: DLG).

Weiterlesen: Sind Regionalprodukte teurer?

Copyright http://www.foodaktuell.ch