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Varia
30.10.2011
Lebensmittel aus Swissness-Vorlage ausklammern?


Internationale Fleischverarbeiter wie die industrielle Gurtner Montenaro in Trin GR veredeln importiertes Rindfleisch zu Schweizer Spezialitäten. Für den Export lohnt sich das, zumal der Bedarf an Rohmaterial mit dem hiesigen Angebot nicht abgedeckt werden kann. Bild: Walter Gurtner.


Das Traditionsprodukt Bündnerfleisch ist eine über die Landesgrenzen hinaus bekannte Delikatesse. Ursprünglich diente das luftgetrocknete Rindfleisch als wichtiger Energievorrat für die Wintermonate. Heute produziert der bündnerische Fleischtrocknereibetrieb Gurtner Montenaro in einer moderneren Umgebung nach dem gleichen Prinzip – während 7 Tagen die Woche und jeder Jahreszeit. Klimaanlagen und hoch präzise Messgeräte sorgen für eine immer gleich bleibende Qualität.

Gurtner Montenaro zählt zu den modernsten industriellen Fleischtrocknereien Europas. Täglich werden hunderte voll mit Bündnerfleisch behängte Gestelle von Produktionsstufe zu Produktionsstufe geschoben. Alleine zur Einsalzung des Fleisches besteht eine Kapazität von 56 Tonnen Fleisch pro Woche. In Zusammenarbeit mit der Grischuna-Gruppe in Churwalden GR werden jährlich über tausend Tonnen Trockenfleisch ins Ausland exportiert, was einem Drittel der gesamten Veredelungsmenge von Trockenfleisch entspricht.

Beim Bündnerfleisch gelangte letztes Jahr mit 67 Prozent mehr als die Hälfte des Produktionsvolumens in den Export. Zwischen 2001 und 2010 hat sich die Exportmenge von Bündnerfleisch von 828 Tonnen auf 1'833 Tonnen vervielfacht. Parallel dazu stieg die Importmenge von ausländischem Fleisch, denn: "Diese Steigerung wäre mit Schweizer Fleisch alleine nicht möglich gewesen", betonte Andrea Mani, Verband Bündner Fleischfabrikanten (VBF), an einer Medienorientierung in Chur. Primär werde in die EU-Länder, aber auch in die USA und nach Fernost, exportiert.

EU-Fleisch sichert Exporterfolg

Aus Sicht der Fleischbranche handle es sich bei der Veredelung von importiertem Fleisch um einen Exporterfolg, so Mani. Das importierte Fleisch komme vorwiegend aus dem EU-Raum wie z.B. Irland. "Aus Südamerika kommen keine grossen Mengen mehr", sagte Arnold Camathias, Produktionsleiter bei Gurtner. Preislich sei es nicht mehr so interessant wie früher.

Der SFF kombinierte die Pressefahrt mit der Besichtigung zweier Bündfleisch-Produktionsbetrieben, um zu demonstrieren, dass für die hohe Qualität eines Endproduktes nebst dem Rohmaterial auch Verarbeitung und Veredlung entscheidend sind. Beim Rohstoff für Bündnerfleisch haben sogar eher Schweizer Bauern mit dem Qualitätsproblem von verwachsenen Unterspälten zu kämpfen als ausländische. Bild: im gewerblichen Betrieb Brügger in Parpan.

Laut dem Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) werde in der aktuellen Version der Swissness-Vorlage, die momentan von der Rechtskommission des Nationalrates behandelt wird, das Kriterium Rohstoffherkunft stärker gewichtet als jenes der Wertschöpfung. So werden für stark verarbeitete Lebensmittel, wie das Bündnerfleisch, 80 Prozent Rohstoffgewicht und 60 Prozent Wertschöpfung als Bemessungskriterien für eine schweizerische Herkunftsbezeichnung erwogen.

Für Rolf Büttiker, Ständerat und Präsident des SFF, läuft dieser Vorschlag in eine völlig falsche Richtung: "Für die hohe Qualität eines Endprodukts wie dem Bündnerfleisch sind neben dem Rohmaterial auch die Verarbeitung und die Veredelung matchentscheidend." Die Fokussierung auf das Rohmaterial gefährde das in der Schweiz vorhandene Know-how aufs massivste, so Büttiker.

SFF-Präsident und Ständerat Rolf Büttiker mit gewohnt prägnanten Aussagen an der SFF-Medienorientierung vom 25.10.2011: «Zusehends wird die Swissness-Vorlage auch für die Durchsetzung anderer Anliegen instrumentalisiert wie Protektionismus durch den Bauernverband». Der SFF fordert, die Lebensmittel vom zu komplizierten Vorschlag des neuen Markenschutzgesetzes auszuklammern und stattdessen das bereits geltende Lebensmittelrecht anzuwenden.

Mani bekräftigt: "Für mich als Branchenvertreter ist die Rohstoffherkunft nicht entscheidend." Die inzwischen sehr komplexe Swissness-Vorlage würde die Mitglieder der Rechtskommission zunehmend überfordern, so Büttiker. Der SFF fordert deshalb, dass Lebensmittel vom neuen Markenschutzgesetz ausgenommen werden und stattdessen das bestehende Lebensmittelrecht angewandt wird.

Bündnerfleisch von Swissness-Vorlage nicht betroffen

Beim Schweizer Bauernverband (SBV) löst diese Anti-Swissness-Haltung auf Seiten der Fleischbranche jedoch Unverständnis aus. Die Swissness-Vorlage stelle für die Produktion von Bündnerfleisch mit importiertem Rohmaterial überhaupt kein Problem dar, sagt Thomas Jäggi vom SBV auf Anfrage. Es gebe genügend Ausnahmeregelungen. Im neuen Markenschutzgesetz sei unter Artikel 48d z.B. aufgeführt, dass eine geschützte geografische Angabe (wie beim Bündnerfleisch der Fall), welche noch vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung eingetragen war, von den neuen Herkunfts-Richtlinien nicht betroffen ist. (Text: LID / Von Kathrin Honegger)


Bündnerfleisch aus Irish Beef? Bündnerfleisch ist bereits IGP-anerkannt und daher von der Swissness-Vorlage nicht betroffen. Es darf weiterhin mit Importfleisch hergestellt werden und dennoch «Swiss made» ausloben.



SFF wirft Bauernverband Eigennutz vor

Der Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) kritisiert, dass die Swissness-Vorlage zunehmend instrumentalisiert wird und fordert die Streichung der Swissness-Bestimmungen aus der Markenschutzgesetz-Vorlage. Dies als Folge, dass die Nationalrats-Kommission bei stark verarbeiteten Lebensmitteln einen schärferen Massstab (80% Rohstoffe PLUS 60% Wertschöpfung) will als bei schwach verarbeiteten (80% Rohstoffe). «Zusehends wird die Swissness-Vorlage auch für die Durchsetzung anderer Anliegen instrumentalisiert wie Protektionismus durch den Bauernverband», sagte Ständerat und SFF-Präsident Rolf Büttiker an der SFF-Medienorientierung.

Er fordert, die Lebensmittel vom zu komplizierten Vorschlag des neuen Markenschutzgesetzes auszuklammern und stattdessen das bereits geltende Lebensmittelrecht anzuwenden. Dieses regelt, dass ein Lebensmittel als in der Schweiz produziert gilt, wenn es hierzulande vollständig erzeugt oder genügend verarbeitet wird. Zudem muss die Herkunft des Rohstoffes separat angegeben werden, dessen Herkunft von derjenigen des Endproduktes abweicht und dessen Anteil am Enderzeugnis mehr als 50% beträgt. «Eine ausschliessliche Fokussierung auf Rohstoffe würde die Fleischverarbeitung in der Schweiz gefährden», so Büttiker. (GB)

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