Food aktuell
Varia
8.2.2012
Wie (un)bedenklich sind gesättigte Fettsäuren?


Gesättigte Fettsäuren wie zB Palmitin- und Stearinsäure kommen in grösserem Anteil vor allem in tierischen Fetten vor sowie in Kokos- und Palmkernfett. Sie entstehen auch beim vollständigen Härten von ungesättigten Fettsäuren.


Nach Jahrzehnten der epidemiologischen Forschung haben mehr als 20 Langzeitbeobachtungsstudien und drei damit durchgeführte unabhängige Metaanalysen mit hoher Evidenz ergeben, dass die Höhe des Konsums von gesättigten Fettsäuren das Risiko für koronare Herzkrankheit (KHK) beziehungsweise für Herz- und Hirninfarkt nicht beeinflusst (1-3). Auch die klinischen randomisiert-kontrollierten Interventionsstudien mit fettarmer Diät und gesenkter Zufuhr gesättigter Fettsäuren hatte keine Senkung des KHK- und Sterblichkeitsrisikos erbracht (2).

Entsprechende Untersuchungen zur fettmodifizierten Diät, bei der gesättigte gegen mehrfach ungesättigte Fettsäuren ausgetauscht wurden, ergaben lediglich dann eine Senkung des KHK-Risikos, wenn damit eine Anreicherung mit Omega-3-Fettsäuren und eine Minderung der trans-Fettsäuren verbunden war. Der Austausch gegen Omega-6-Fettsäuren aus Ölen und Margarinen war hingegen sogar mit einem im Trend erhöhten KHK-Risiko begleitet, so dass der präventive Effekt nicht der Einsparung von gesättigten Fettsäuren zuzuordnen ist (4, 5).

Entgegen dieser einheitlichen Datenlage empfehlen verschiedene Meinungsbildner dennoch eine gezielte Reduktion des Konsums gesättigter Fettsäuren und entsprechender Nahrungsmittel – zur Prävention von KHK. Begründet wird dies primär damit, dass gesättigte Fettsäuren das LDL-Cholesterin anheben. Und da diese Lipidfraktion ein etablierter KHK-Risikofaktor ist, sei davon auszugehen, dass durch gesättigte Fettsäuren das KHK-Risiko erhöht werden müsse (6).

Diese verbreitete Argumentation ignoriert aber, dass eine erhöhte Zufuhr von Fett und von gesättigten Fettsäuren im Austausch gegen Kohlenhydrate zwar die LDL-Konzentration insgesamt steigert, dabei der Anteil der als eigentlich atherogen eingeschätzten kleinen dichten LDL-Partikel aber gesenkt wird.

Gleichzeitig wird mit dieser "ungesunden" Ernährung das HDL-Cholesterin gesteigert. Und die VLDL-Cholesterinkonzentration und der Triglyceridspiegel sinken. Damit wird mit mehr Fett und mehr gesättigten Fettsäuren – bei entsprechender gleichzeitiger Reduktion der Kohlenhydrat-Anteile – das sogenannte atherogene Lipoproteinprofil merklich gebessert (7).

Dass dieser günstige Effekt von gesättigten Fettsäuren sogar innerhalb von 3 Tagen greift, hat nun eine genauestens kontrollierte Studie der Laval-Universität in Quebec (Kanada) belegt (8). Die Studie testete 12 normalgewichtige, gesunde Männer in einem Cross-Over- Experiment. Die Probanden bekamen jeweils 3 Tage lang eine fettarme, stark kohlenhydrat-betonte Diät (26 % Fett und 62 % Kohlenhydrate) mit nur 6 % gesättigter Fettsäuren und nur 189 mg Nahrungscholesterin pro Tag.

Die fettbetonte Vergleichsdiät war isokalorisch und lieferte über 3 Tage 37 % Fett mit 15 % gesättigten Fettsäuren und 383 mg Nahrungscholesterin pro Tag und war entsprechend etwas reduziert im Kohlenhydratanteil (50 %). Der Proteinanteil und die Ballaststoffzufuhr waren in beiden Diäten gleich.

Ergebnis

Im Vergleich zur fettarmen Diät stiegen nach der fett- und cholesterinreicheren Diät der Gesamt-Cholesterinspiegel um 6 % und der LDL-Cholesterinspiegel sogar um 20 % an. Gleichzeitig erhöhte sich das HDL-Cholesterin um 7 %. Parallel dazu sank der Triglyceridspiegel um 36 %. Der Anteil kleiner dichter LDL-Partikel sank um 12 %, während der Anteil grosser lockerer Partikel um 21 % zunahm. Parallel dazu nahm die mittlere LDL-Partikelgrösse ab.

Dieses Ergebnis zeigt, dass Fett und gesättigte Fettsäuren beziehungsweise eine Kohlenhydratreduktion die Qualität der Lipoproteine in kurzer Zeit und in erheblichem Masse beeinflussen. Dies weist darauf hin, dass der Einfluss dieser Nahrungsfaktoren wesentlich vielschichtiger ist, als es gemeinhin zur Beurteilung von Ernährungsformen in Betracht gezogen wird.



Kein Herz-Kreislauf-Risiko trotz vermeintlich "ungünstigem" LDL-Anstieg durch gesättigte Fettsäuren


Vor allem lässt diese Studie den Schluss zu, dass eine LDL-Erhöhung nicht zwingend als gesundheitlich bedenklich angesehen werden darf. Vielmehr gilt es, bei der Risikobewertung die LDL-Qualität und weitere Faktoren des atherogenen Lipoproteinprofils zu berücksichtigen.

Entsprechend darf nicht übersehen werden, dass mit mehr Fett und mehr gesättigten Fettsäuren im Austausch gegen Kohlenhydrate offensichtlich ein Lipoproteinprofil mit verringerter Atherogenität erzielt wird, das entsprechend als eine Risikominderung interpretiert werden kann.

Das gilt insbesondere für Menschen mit Übergewicht, Insulinresistenz und metabolischem Syndrom, für die das atherogene Lipoproteinprofil ein primärer Risikofaktor ist. Bei diesen Patienten kann auch davon ausgegangen werden, dass eine weitere Senkung des Kohlenhydratanteils bei gleichzeitiger Anhebung des Protein- und Fettanteils die Stoffwechselsituation noch weiter verbessert (9).

Schliesslich kann über diese Effekte zumindest teilweise plausibel erklärt werden, warum die Langzeit-Beobachtungsstudien trotz des vermeintlich "ungünstigen" LDL-Anstiegs kein Herz-Kreislauf-Risiko für gesättigte Fettsäuren finden konnten. (Text: Schweizer Milchproduzenten SMP)

Literatur:
1. Mente A, de Koning L, Shannon HS, Anand SS. A systematic review of the evidence sup-porting a causal link between dietary factors and coronary heart disease. Arch Intern Med 2009;169:659-69.
2. Skeaff CM, Miller J. Dietary fat and coronary heart disease: summary of evidence from pro-spective cohort and randomised controlled trials. Ann Nutr Metab 2009;55:173-201. 3. Siri-Tarino PW, Sun Q, Hu FB, Krauss RM. Meta-analysis of prospective cohort studies evaluating the association of saturated fat with cardiovascular disease. Am J Clin Nutr 2010;91:535-46.
4. Ramsden CE, Hibbeln JR, Majchrzak SF, Davis JM. n-6 fatty acid-specific and mixed polyunsaturate dietary interventions have different effects on CHD risk: a meta-analysis of randomised controlled trials. Br J Nutr 2010;104:1586-600. www.swissmilk.ch
5. Ramsden CE, Hibbeln JR, Majchrzak-Hong SF. All PUFAs are not created equal: absence of CHD benefit specific to linoleic acid in randomized controlled trials and prospective obser-vational cohorts. World review of nutrition and dietetics 2011;102:30-43.
6. Kromhout D, Geleijnse JM, Menotti A, Jacobs DR, Jr. The confusion about dietary fatty acids recommendations for CHD prevention. The British journal of nutrition 2011;106:627-32. 7. Krauss RM, Blanche PJ, Rawlings RS, Fernstrom HS, Williams PT. Separate effects of re-duced carbohydrate intake and weight loss on atherogenic dyslipidemia. Am J Clin Nutr 2006;83:1025-31;.
8. Guay V, Lamarche B, Charest A, Tremblay AJ, Couture P. Effect of short-term low- and high-fat diets on low-density lipoprotein particle size in normolipidemic subjects. Metabo-lism: clinical and experimental 2012;61:76-83.
9. Volek JS, Phinney SD, Forsythe CE, et al. Carbohydrate restriction has a more favorable impact on the metabolic syndrome than a low fat diet. Lipids 2009;44:297-309.

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