Food aktuell
Varia
1.2.2006
Nähe schafft Vertrauen

Ein deutsches Forschungsprojekt entwickelt praxisnahe Lösungen, um regionale Wirtschaftskreisläufe im Ernährungssektor zu optimieren. Kurze Wege zwischen Erzeugern, Verarbeitern, Handel und Verbrauchern schaffen Vertrauen, und selbsttragende Netzwerke sorgen für dauerhafte Verankerung in der Region.


Bild: Die Toggenburger Metzgerei Preisig beteiligt sich am grössten Schweizer Regionalprodukte-Programm «Culinarium Ostschweiz» (zertifiziert durch ProCert). Bei Fleisch ist den Konsumenten die regionale Herkunft besonders wichtig.

"Wenn man den Verbrauchern wieder Vertrauen in Lebensmittel geben will, muss man sozusagen eine persönliche Beziehung schaffen: Die Konsumenten wollen wissen, woher ihre Nahrungsmittel stammen. Dies gelingt am besten mit Qualitätsprodukten aus der jeweiligen Region, sprich mit einer Küche der kurzen Wege." Diese Auffassung vertritt der Oldenburger Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Raabe, der gemeinsam mit seinem Kollegen Reinhard Pfriem im Rahmen des Projektes "Ossena" regionale Wirtschaftsbeziehungen untersucht.

Das Forschungsteam sucht nach praktischen Lösungen und Wegen, um regionale Produktketten in Ostfriesland zu optimieren; dazu gilt es, die Beziehungen und wechselseitigen Anforderungen zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern, verarbeitender Industrie und Handel sowie der Gastronomie, Grossverbrauchern und Konsumenten bestmöglich aufeinander abzustimmen. Solche Beziehungen sollen in wirtschaftlich selbsttragenden Strukturen (Netzwerken) organisiert und somit dauerhaft verankert werden.

Das Projekt wird im Rahmen des Schwerpunktes "Sozial-ökologische Forschung" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Es verfolgt dabei nicht allein einen wirtschafts-, sondern auch einen kulturwissenschaftlichen Ansatz. Es trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Ernährung ein Bestandteil der Kultur ist.


Bild: Die Migros hat das Programm «aus der Region ADR» vorbildlich zum Konzept erhoben.

Ernährungskultur drückt sich in den jeweiligen Lebensstilen der Menschen aus, ist aber auch von regionalen Besonderheiten geprägt, beispielsweise einer spezifischen Angebotskultur auf Seiten der Erzeuger und des Handels. Das Projekt empfiehlt daher zum Beispiel, dass Erzeuger ihre Agrarprodukte wieder stärker als Lebensmittel und nicht wie inzwischen verbreitet als blosse Rohstoffe betrachten. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, Qualitätsprodukte aus der Region erfolgreich in der Region vermarkten zu können.

Qualitätsprodukte können dem Verbraucher auch durch die Gastronomie der Region näher gebracht werden. In der Untersuchungsregion Ostfriesland hat das Projekt daher den Gastronomie-Netz "Ostfriesland Kulinarisch" angeregt, dessen Mitgliedsbetriebe regionale Produkte und Gerichte auf ihren Menükarten führen. Das Projekt organisiert aber auch Veranstaltungen, die unter dem Titel "Ostfriesland-Mahl" Erzeuger und Verbraucher zusammenbringen und gleichzeitig Informationen über Lebensmittel und deren Zubereitung vermitteln.


Bild: Auch Konditoreien und Confiserien können sich bei einigen Produkten mit regionaler Herkunft profilieren wie hier die Thurgauer Confiserie Wellauer. Wenn die Wertschöpfung in der Region genug hoch ist, haben sogar Produkte mit mehrheitlich importierten Zutaten wie Zucker oder Kakao eine Chance auf Zertifizierung.

Eine Lebensmittelversorgung der kurzen Wege ist allerdings nur möglich, wenn die komplette Vermarktungskette innerhalb der Region geschlossen ist. Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, die regionale Wertschöpfung innerhalb dieses Wirtschaftsektors zu erhöhen.

Nachhaltige Ernährungskultur

Das Projekt entwickelt praktische Lösungen, die auf die Besonderheiten der wirtschaftlich problematischen Regionen zugeschnitten sind. Diese sollen jedoch gleichzeitig einer "nachhaltigeren Ernährungskultur" Rechnung tragen, die Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität und individuelles Wohlbefinden miteinander vereint.


Das Projekt arbeitet eng mit Praxispartnern in der Region zusammen, die gleichzeitig als Multiplikatoren dienen. Dazu gehören die Landwirtschaftskammer, Handelsketten, Gastronomen und regionale Verbände. Ergebnisse werden auf dem Kongress "Impulse für Landwirtschaft und Ernährung - Ergebnisse der sozial-ökologischen Forschung" vorgestellt, der am 17. und 18. Januar 2006 im Harnack-Haus in Berlin stattfindet.

Beteiligte Institutionen sind die Universität Oldenburg: Institut für Betriebswirtschaft und Wirtschaftspädagogik, Institut für Pädagogik, Institut für Psychologie. Sowie die Universität Göttingen: Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte.

Weiterlesen: Konzepte für Regionalprodukte

Text: Medienmitteilung IDW
Bilder und Legenden: foodaktuell

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