Food aktuell
Varia
16.1.2013
Schweizer Billig-Industriekäse auf dem Vormarsch


Schweizer Industriekäse landet zunehmend als Billigstware im Ausland und kommt vermutlich als Analogkäse zB in einer Pizza zurück in die Schweiz. Davon profitieren die Käser.


Schweizer Käse gilt in den meisten Köpfen als Qualitätsprodukt. In den Medien wird er als Premium-Artikel gehandelt, welcher sich auch im Export im Hochpreissegment positioniert. Doch die Realität sieht anders aus: Inzwischen wird rund jedes dritte Kilo Käse nicht mehr handwerklich-gewerblich, sondern industriell herstellt. Und wer sich die Exportstatistiken genauer anschaut, stellt fest, dass Schweizer (Industrie-) Käse zunehmend in der Billigschiene landet.

Frischkäse und Mozzarella wurden letztes Jahr z.B. zu deutlich tieferen Preise exportiert, als importiert. Unter den Exporten der Kategorie "Weichkäse ohne Schimmelbildung" fand sich zudem tonnenweise Weichkäse mit einem Kilopreis von 80 Rappen. Im Jahr davor wurden zwanzig Tonnen sogar für nur 70 Rp./kg im Ausland verschachert – das ist halb so viel, wie der Konsument hierzulande im Laden für einen Liter Milch bezahlt. Dabei sind 13 Kilo Milch nötig um ein Kilo Weichkäse herzustellen.

Billig-Exporte sind kein Zufall

Es lohnt sich trotzdem. Allerdings nur für den Käser. Das liegt an drei Faktoren: Der Verkäsungszulage, dem gestützten Milchfettpreis und der Milch-Segmentierung. Und daran, dass die Wege des Milchhandels so transparent sind wie Schokolade. Die Verkäsungszulage war ursprünglich dazu gedacht, den hohen Schweizer Milchfettpreis beim Export zu kompensieren.

Weil aber die Verkäsungszulage nicht an den Fettgehalt im Käse gebunden ist, haben heute diejenigen Käser, die überhaupt kein Fett im Käse belassen, den Fünfer und das Weggli: Sie bekommen sowohl die Verkäsungszulage als auch den hohen Preis fürs Milchfett. Magerkäse mit null Prozent Fett kann man zwar nicht essen, aber als Rohstoff für Analogkäse, der in Fertigprodukten Verwendung findet, eignet er sich alleweil.

Milchfett war in der Schweiz früher wertvoll und teuer. Heute ist es immer noch teuer, aber nicht in den Mengen gefragt, die seit Aufhebung der Milchkontingentierung anfallen. Das führt zu dem berüchtigten Butterberg, welcher bekanntlich auf Kosten der Bauern abgetragen wird.

Der Berg verdankt seine Entstehung nicht zuletzt der völligen Intransparenz des Milchmarkts: Die Milchverwerter schliessen seit Jahren höhere Milchlieferverträge mit den Bauern ab, als diese überhaupt liefern können. Sobald die Milch fliesst, teilt man den Bauern jedoch mit, es habe zuviel und der Preis müsse runter.

Weil die Bauern nicht nachvollziehen können, wer wo was aus ihrer Milch herstellt, kann die Milch jederzeit billig eingekauft und daraus billiger Käse hergestellt werden, welcher dann zu billigen Preisen verschachert wird, während die Bauern auf der teuren Butter sitzenbleiben.

Ramschkäse auf Umwegen retour in die Schweiz

Eine Käserei, die das grosse Geschäft mit dem kleinpreisigen Käse entdeckt hat, ist laut Branchenkennern die Käserei Imlig in Oberriet. Obwohl Imlig keine Auskunft gibt und entsprechende Anfragen nicht beantwortet, steht fest, dass er in grossem Stil Magerkäse, Pizzakäse und Schmelzkäserohware herstellt, unter anderem im Auftrag der Nordostmilch.

Die Exportstatistik zeigt, dass Magerkäse für Kilopreise von weniger als einem Franken lastwagenweise nach Italien verkauft wird. Ein Teil davon wird vermutlich – mit billigem Pflanzenfett vermischt – via Fertig-Pizza, Fertig-Lasagne und ähnlichem wieder in die Schweiz eingeführt.


Import- und Exportpreise diverser Käsetypen. Schweizer Käse wird zu einem grossen Teil billiger exportiert, als ausländischer Käse importiert wird. Quelle: Eidgenössische Zollstatistik 2011


Mehrere Lastwagenladungen Billig-Weichkäse wurden letztes Jahr auch nach Österreich geliefert. Hier dürfte es sich primär um Schmelzkäse-Rohware handeln. Die Rückkehr in die Schweizer Heimat erfolgt dann als Schmelzkäse aus Österreich - natürlich wesentlich teurer.

In den letzten Jahren ist der Preis der Importware nie unter vier Franken pro Kilo gesunken. Die Wertschöpfung mit dem Käse, den die Steuerzahler via Verkäsungszulage und die Bauern via Butterstützung mitfinanzieren, findet dabei im Ausland statt.

Nur die Spitze des Eisbergs

Die Billigexporte sind vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Da niemand in ganz Europa so billige Käsemasse liefern kann wie die Schweiz, wird die heimische Lebensmittelindustrie den Rohstoff für die Swissness kaum ausser Acht lassen. Preise und Mengen liegen hier im Dunkeln. Dass die Produktion von Convenience-Käse seit 2006 um 60 Prozent gestiegen ist, ist aber ein Hinweis darauf, dass sich hier was tut.

Mit einer Produktion von 1'700 Tonnen pro Jahr hat Convenience-Käse den Ausstoss von Bündner Bergkäse bereits überrundet. Doch grundsätzlich kann fettarmer, ungereifter Industrie-Billigkäse auch in anderen Käsekategorien verbucht werden: Dann taucht er als Weichkäse oder Frischkäse oder anderes in der Statistik auf.

Übrigens ist Magerkäse nicht nur billiger als Milch, sondern auch billiger als manches Eiweissfuttermittel. In der Milchbranche munkelt man schon lange, dass ein Teil des Magerkäses die Schweizer Konsumenten via Kotelett erreicht. Weil Magerkäse aus hochwertigem tierischem Protein besteht, kann damit Sojaschrot im Futter bestens ersetzet werden.

Sojaschrot aus Brasilien wird derzeit für 60 bis 80 Rp./kg importiert, Magerkäse für 80 Rappen pro Kilo exportiert. Die Rechnung ist schnell gemacht. Nur mit der Qualitätsstrategie geht das Ganze nicht mehr auf: Es bedeutet, dass Schweizer Käse wettbewerbsfähig ist mit Schweinefutter.

Sogar mit Gratiskäse Geld verdienen

Eine einfache Rechnung zeigt, warum sich der Billigstkäse lohnt: Pro 100 Kilo Milch erhält der Käser vom Bund 15 Franken Verkäsungszulage (die er an die Bauern weiterleiten muss). Weil in 100 Kilo Milch rund 4 kg Rahm stecken, kann er bis zu 36 Franken über den Rahmverkauf absahnen. Mit der mageren Milch stellt er dann 7,5 Kilo Magerkäse her. Wenn er diesen für 70 Rp/kg verkauft, belaufen sich seine Einnahmen auf rund 56 Franken. Damit muss er seinen Aufwand decken und den Bauern die Milch bezahlen.



Von Margen über 20 Franken pro 100 kg verkäste Milch können z.B. AOC-Emmentaler-Käsereien heute nur träumen, vielerorts werden derzeit gerade noch 15 Franken erzielt.


Das gelingt ihm nur, wenn er die Milch zum C-Preis einkauft. Das entspricht zwar nicht den Vorgaben der Branchenorganisation Milch, weil diese für verkäste Milch eigentlich den A-Preis vorsieht, welcher letztes Jahr bei rund 66 Rappen/kg lag. Oder zumindest den B-Preis vorschreibt, falls es sich um ein "Exportprojekt" oder "Importabwehr" handelt (wobei nicht definiert ist, was darunter zu verstehen ist).

Doch der B-Preis lag letztes Jahr bei rund 55 Rappen. Damit würde der Käser drauflegen, was angesichts der florierenden Billigkäse-Exporte unwahrscheinlich ist. Mit dem C-Preis sieht es deutlich besser aus, denn der betrug letztes Jahr gerademal 22 bis 33 Rappen. Von Margen über 20 Franken pro 100 kg verkäste Milch können z.B. AOC-Emmentaler-Käsereien heute nur träumen, vielerorts werden derzeit gerade noch 15 Franken erzielt.

Unschwer zu erkennen ist, dass die Rechnung immer noch aufgeht, wenn der Käser 25% Fett im Käse belässt.Und dass sich seine Marge noch weiter steigern lässt, wenn der Käse, statt für ein paar Rappen, für z.B. 1,40 Franken pro Kilo verkauft wird. Dann ist er so teuer wie der Frischkäse, den die Schweiz aus Polen importiert. (Text und letztes Bild: LID)

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