Food aktuell
Varia
7.5.2013
Bürokratie: Hemmschuh für Gewerbebetriebe



Referat von Stefan Schlüchter, Metzgermeister, Dürrenroth BE am 25.4.2013 vor den Medien.

Vor rund drei Jahren hat der damals 33-jährige Metzgermeister in Dürrenroth (BE) eine Metzgerei übernommen und im 2011 bereits mit einer Filiale erweitert.


Die Erfolgsgeschichte der Metzgerei Schlüchter «fleisch und feini choscht» ist getrübt von vielen administrativen Aufwendungen und hohen bürokratischen Hürden, die dem aufstrebenden Unternehmen das Leben massiv erschweren.

Dazu zählen aus Sicht des Praktikers vor allem die Ausgestaltung der mikrobiologischen Grenz- und Toleranzwerte, die teilweise praxisfernen Vorgaben bei der Selbstkontrolle, die Intensität der Betriebskontrollen, die massiv teurer werdende und nur sehr schwer umsetzbare Schlachtviehkontrolle sowie die überbordenden Deklarationsvorgaben. Obwohl die genannten Instrumente durchaus Sinn machen, so fehlen bei deren Ausgestaltung vielfach das gesunde Ausgenmass bzw. die Verhältnismässigkeit.

Mit der gut vorbereiteten Übernahme der damaligen Metzgerei Röthlisberger in Dürrenroth konnte sich der damals 33-jährige Metzgermeister Stefan Schlüchter 2010 einen Jugendtraum erfüllen, den er bereits 2011 durch die Übernahme einer Filiale in Wasen i.E. zusätzlich erweiterte. Die metzgerei Schlüchter beschäftigt heute rund 20 Mitarbeitende, darunter auch vier Lernende (3 Fleischfachleute, 1 Detailhandelsfachfrau).

Obwohl fernab der Hauptverkehrsrouten gelegen, so hat es Stefan Schlüchter mit seinem Team fertig gebracht, sich mit Innovationen und den typischen Spezialitäten „Ammitauer Chuchigräuchts“ innert kurzer Zeit einen Namen weit über die Region hinaus zu schaffen (siehe auch www.feinichoscht.ch).


Mit seinen rund 20 Mitarbeitenden inkl. vier Lernenden hat sich Jungunternehmer Stefan Schlüchter mit seinen hochstehenden Produkten und seinen innovativen Aktivitäten innert kurzer Zeit einen über das Emmental hinaus reichenden Namen geschaffen.


Mit der Schlachtung von Tieren aus der Region im eigenen Schlachthaus predigt er die Regionalität seiner Produkte nicht nur, sondern er lebt sie zusammen mit seinem Team auch vor. Stefan Schlüchter zeigt sich aber auch innovativ, sei es mit dem Angebot von verschiedenen Wurstabonnements, der Durchführung von Kursen zur Herstellung von Würsten wie auch beim Partyservice, wo er mit Angeboten wie Pizzaplausch, Feuertopf, Grillfest oder Apéros seine Kundschaft in den Bann zu ziehen sucht.

Bürokratische und administrative Hürden

Auf dem Weg zu seiner Erfolgsgeschichte sah und sieht sich der Jungunternehmer Schlüchter nebst den finanziellen Hürden auch verschiedenen fragwürdigen gesetzlichen Vorschriften und einer übermässigen Administration ausgesetzt, die ihn und seine Metzgerei zunehmend belasten.

Da sind einmal die mikrobiologischen Grenz- und Toleranzwerte, die es so in der EU gar nicht gibt, deren Weiterführung zwecks Sicherstellung des hohen Schweizer Standards hierzulande aber auch in Zukunft notwendig ist. Störend bleibt jedoch deren Ausgestaltung in der Praxis, wenn vom Vollzug z.B. für noch zu erhitzende Pastetlifüllung dieselben Toleranzwerte verlangt werden wie für Fertigprodukte, welche zum Verzehr im kalten Zustand gedacht sind.

Was eine Fehlinterpretation von Toleranzwerten auch zur Folge haben kann, zeigte die „Cervelashysterie“ im letzten Sommer. Dies, obwohl der untersuchte Parameter der Gesamtkeimzahl einzig und alleine eine Aussage über die Herstellungs- und Logistikprozesse, nicht aber über die sensorische Qualität, noch über eine allfällige gesundheitliche Gefährdung gibt. Es ist daher auch aus Sicht der Praxis sinnvoll, dass die 2. Version der im 2011 durch die Behörden bewilligten Branchen-Hygieneleitlinien in diesem Sinne noch einmal angepasst wurde.

Selbstkontrolle mit Mass

Bekanntlich ist jeder lebensmittelverarbeitende Betrieb von Gesetzes wegen zu einer Selbstkontrolle nach dem HACCP -Prinzip verpflichtet. Dazu können die einzelnen Branchen gemäss Hygieneverordnung sog. Branchenleitlinien erstellen und von den Bundesbehörden und dem Vollzug bewilligen lassen, wie dies der SFF im Oktober 2011 getan hat. Diese Branchen-Hygieneleitlinien stellen für die einzelnen Metzgereien sehr wohl ein wertvolles Hilfsinstrument dar, umfassen aber auch eine Vielzahl von Punkten, die es gemäss den gesetzlichen Vorgaben zu kontrollieren gilt, deren Wirkung oft aber sehr fraglich ist.

Auch gibt es eine Vielzahl von Formularen, die sich vom Bürotisch aus ausfüllen lassen, ohne dass damit ein positiver Effekt im Betrieb selber gegeben ist (z.B. Reinigungskontrolle, Temperaturkontrolle, Hygieneschulung des Personals, usw.).

So gibt es z.B. für die regelmässige Temperaturaufzeichnung im Kühlraum anstelle der manuellen Aufzeichnung auch elektronische Temperaturlogger.

Dies, obwohl beim täglichen mehrmaligen Betreten des Kühlraumes eine entsprechende Temperaturabweichung auch so festzustellen wäre. Die Kosten eines elektronischen Temperaturlogger-Systems für einen Betrieb in der Grösse der metzgerei schlüchter ag würde sich auf ca. Fr. 2‘500.- belaufen, die es zuerst zu verdienen gilt.

Im Zusammenhang mit der obligaten Personalweiterbildung werden in der Metzgerei Schlüchter die besten Erfahrungen damit gemacht, dass jeweils mit dem Lohnblatt ein entsprechendes Merkblatt zu einem bestimmten Thema an die Mitarbeitenden abgegeben wird. Dies ist wesentlich wirkungsvoller als das Zusammenrufen des Personals für eine interne Personalschulung mindestens einmal pro Jahr.

Unnötiger Perfektionismus bei Betriebskontrollen

Als fleischverarbeitendes Unternehmen wird eine Metzgerei auch diversen Betriebskontrollen unterworfen, sei dies von Seiten der Behörden (z.B. Lebensmittelkontrolleur, Veterinär) oder auch von privaten Organisationen (z.B. Labels, Zertifizierungen). Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftskreisen, in denen die Erfüllung von 80% der Anforderungen ausreicht, ist es im Lebensmittelbereich leider oft so, dass die geringste Abweichung zu einer Beanstandung mit Kostenfolge führt bzw. ein entsprechender Rekurs eingereicht werden muss (z.B. Temperatur in der Selbstbedienungstheke war aufgrund der sommerlichen Temperaturen um 1,5°C zu hoch).

Im Vergleich zum umliegenden Ausland zeigt sich damit gerade im Vollzug ein Perfektionismus, der so nicht nötig ist und sich auch nicht alleine durch die Drittlandsituation der Schweiz begründen lässt.

Teuer und für KMU’s kaum umsetzbar

Die Lebensmittelgesetzgebung schreibt des Weiteren vor, dass Schweine und Haartiere wie Rinder, Kälber, Schafe vor der Schlachtung einer Lebendtierschau und dann die Schlachtkörper zusätzlich einer Fleischschau zwecks Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit zu unterziehen sind. Während die Durchführung der Fleischschau durch einen amtlichen Tierarzt unbestritten ist, führt die Lebendtierschau in der Praxis zunehmend zu beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung.

Gerade die Forderung, dass die Begutachtung der lebenden Tiere ebenfalls durch einen amtlichen Tierarzt vorzunehmen ist, führt verschiedentlich zu grossen logistischen Problemen sowie einer unnötigen Verteuerung. Dies deshalb, weil der betreffende Veterinär am selben Tag teilweise mehrmals zu selben Metzgerei fahren muss und für jede einzelne Anfahrt die entsprechenden Anfahrtskosten verrechnet.

Die Betreuung mehrerer Metzgereien wird unter solchen Umständen nahezu unmöglich bzw. erfordert Höchstleistungen in der logistischen Koordination mit nur sehr wenig Spielraum – wenn überhaupt. Dies kann ein Zusammengehen von mehreren Lieferanten zur Folge haben, was in der Konsequenz mit längeren Wartezeiten für die betreffenden Schlachttiere verbunden ist.

Deklaration: Wahnsinn statt Verhältnismässigkeit

Ohne auf die einzelnen Aspekte der heutigen Deklarationsvorgaben eingehen zu wollen, ist die nach wie vor ansteigende Menge an Kennzeichnungsvorschriften absolut störend und kontraproduktiv. Dies auch angesichts der Häufigkeit der Änderungen, die jedes Mal eine Änderung einer Vielzahl von Etiketten nach sich ziehen. Zudem wird die Herstellung von Produkten aus diversen Bestandteilen nahezu verunmöglicht, wenn sämtliche Deklarationsvorschriften eingehalten werden sollen (z.B. Grilltrio mit drei unterschiedlichen Würsten, Käse und Ananas)!



Vorverpackte Emmentaler Wurstwaren der Metzgerei Schlüchter mit den gesetzlich geforderten Deklarationen


Auch stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit die einzelnen Kunden – es sind explizit nicht die Konsumentenorganisationen oder die Behörden gemeint – in der Praxis die Fülle der Kennzeichnungen wirklich beachten bzw. überhaupt verstehen. Auch bleibt offen, ob die Fleischstücke wie z.B. Koteletts aufgrund der notwendigen Etiketten grösser werden müssen oder ob die Zukunft der Deklaration von Fleisch und Fleischprodukten in Beipackzetteln analog zum Medikamentenbereich liegt. Es ist selbstverständlich im ureigensten Interesse jeder Metzgerei, dass sie ihre Kundschaft in transparenter Art und Weise über ihre Produkte informiert.

Zu wünschen und hoffentlich auch bald umsetzbar ist jedoch, dass bezüglich Deklaration endlich das Prinzip der Verhältnismässigkeit und nicht dasjenige der überbordenden Bürokratie die Oberhand gewinnt! Daher steht Metzgermeister Schlüchter dafür ein, dass „Schweizer Qualitätsprodukte gefördert und gleichzeitig einer strengen Kontrolle unterzogen werden. Letztere muss aber im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit in jedem Falle verhältnismässig und fair sein!“ (Text: SFF)

Weiterlesen: Gegen Fleischsteuer und Deklarationswahn

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