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21.5.2013 Milchproduktion sinkt, Butterberg schmilzt
2012 war für die Butterhersteller das Jahr der Superlative: Über 50'600 Tonnen haben die Milchverarbeiter hergestellt – ein Rekord. Deutlich mehr, als im Inland verkauft werden konnte. Deshalb wurde die überschüssige Butter ins Ausland exportiert, insgesamt 10'600 Tonnen – auch das ein Höchstwert. Rund 38 Mio. Franken kostete das die Bauern. Denn Schweizer Butter findet auf dem Weltmarkt nur dann einen Käufer, wenn sie künstlich verbilligt wird – mit Abgaben der Milchproduzenten. Es sind dies die Eckwerte eines aus den Fugen geratenen Marktes: Seit 2006, dem Jahr des vorzeitigen Ausstiegs aus der Milchkontingentierung, haben die Bauern von Jahr zu Jahr mehr Milch gemolken. Nur: Die Nachfrage ist nicht im gleichen Mass gestiegen. Aus den Überschüssen wurde primär Butter für den Weltmarkt produziert. Je mehr die Milchproduktion zunahm, desto rapider fielen die Preise. Im Juli 2012 erhielten die Bauern für ein Kilo Industriemilch gerade noch 55,5 Rappen, so wenig wie noch nie seit der Bund im Jahr 1999 begann, die Milchpreise aufzuzeichnen. Milchmarkt kommt ins Lot Nun entspannt sich die Situation. Die Butterberge der Vorjahre sind dahin geschmolzen. Im März 2013 lagen gerade noch 1'334 Tonnen Butter an Lager, 70 Prozent weniger als im gleichen Vorjahresmonat. Im ersten Quartal 2013 wurden lediglich 866 Tonnen exportiert, 75 Prozent weniger als in der gleichen Vorjahresperiode. Grund dafür ist die seit Juli 2012 sinkende Milchproduktion. So haben die Bauern beispielsweise im Februar und März 2013 je sechs Prozent weniger Milch produziert als in den gleichen Vorjahresmonaten. Das habe zum einen mit dem tieferen Milchkuhbestand zu tun, erklärt Stefan Hagenbuch, Vizedirektor der Schweizer Milchproduzenten (SMP).
Derzeit stehen rund 8'400 Kühe weniger in den Ställen der Bauern, was gegenüber 2012 einem Minus von 1,4 Prozent entspricht. Zum anderen sei die Vegetation rund zwei Wochen im Rückstand, so Hagenbuch. Futteranalysen hätten zudem gezeigt, dass das Gras in einigen Regionen qualitativ nicht gut sei. Dies, weil sich die Sonne bislang kaum blicken liess. Von der Milchschwemme zum knappen Gut Die sinkende Milchproduktion hat Folgen. So kann etwa die Genossenschaft der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) die Lieferverträge nicht mehr erfüllen, berichtet die "Bauernzeitung". Das spüren die Milchverarbeiter. "Im Frühling 2012 verzeichneten wir noch einen Verarbeitungsrekord. Im laufenden Jahr ist die Menge sehr viel kleiner", erklärt Christoph Hug, Leiter Unternehmenskommunikation der Hochdorf-Gruppe. Der Milchpulverhersteller hat bereits reagiert. Um die Anlagen trotz Milch-Engpass auslasten zu können, wird nun auch Molke verarbeitet. In den Vorjahren habe man das jeweils in den milchreichen Monaten nicht getan, weil die Anlagen mit der Milchverarbeitung ausgelastet waren, so Hug. Aufgrund der sinkenden Milchproduktion werde zudem geprüft, für Export-Produkte Milch zu importieren. Allerdings seien auch im Ausland die Milchpreise angestiegen. Auch Emmi, der grösste Milchverarbeiter der Schweiz, spürt die rückläufige Milchproduktion. Der Markt könne aber nach wie vor versorgt werden, erklärt Mediensprecherin Sibylle Umiker. "Die tieferen Milchmengen minimieren die Überschussverwertung." So müsse derzeit kaum beziehungsweise keine Butter exportiert werden. Preise steigen Infolge der rückläufigen Milchproduktion hat sich die Lage für die Bauern verändert. "Wir haben nun eher einen Verkäufermarkt und nicht mehr einen Käufermarkt", erklärt Stefan Hagenbuch. Will heissen: Nicht mehr die Verarbeiter, sondern die Milchbauern sind nun am längeren Hebel. Die Branchenorganisation Milch (BOM) hat bereits den Richtpreis per Juni auf 69 Rappen pro Kilo erhöht. Emmi bezahlt ihren Direktlieferanten im Juni 2013 rund 6,5 Rappen mehr als im gleichen Vorjahresmonat. Auch die Nordostmilch AG, einer der grössten Milchhändler, bezahlt den Milchproduzenten laut "Bauernzeitung" ab Juli bis 10 Rappen mehr pro Kilo. Im Verkaufsregal werden die Milchprodukte deshalb bald teurer. Als Mitglied der BOM sei Coop gezwungen, die Preiserhöhung weiterzugeben, erklärt Coop-Mediensprecher Urs Meier. "Wann und wie hoch die Erhöhung sein wird und welche Produkte sie betrifft, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen." Sie werde so moderat wie möglich ausfallen. Melken Bauern bald wieder mehr? Der Grat zwischen Über- und Unterversorgung des Milchmarktes ist schmal. Obwohl Milch derzeit gesucht ist, kann das Pendel bald wieder in die andere Richtung ausschlagen. Emmi erwartet, dass sich die Mengen im Sommer über dem Vorjahreswert bewegen werden und die Unterlieferungen in der zweiten Jahreshälfte kompensiert werden. Auch Stefan Hagenbuch geht davon aus, dass steigende Milchpreise die Bauern animieren können, nach einer gewissen Zeit wieder mehr zu produzieren. Entscheidend werde die Entwicklung Ende Sommer sein, wenn die Tiere von der Alp kämen. Höhere Milchpreise könnten die Bauern dazu veranlassen, die Kühe wieder in den Stall zu führen, anstatt sie auf die Schlachtbank zu schicken. (Text und Diagramm: LID / Michael Wahl) | |||