Food aktuell
Varia
16.9.2013
Rekordtiefe Kartoffelernte 2013


Die derzeit anlaufende Kartoffel-Ernte wird voraussichtlich die kleinste seit Jahrzehnten sein. Die Produzentenpreise sind bereits gestiegen. Steigen bald auch im Detailhandel die Preise? Bild: Kartoffel-Vollerntemaschine.


„Die Erträge liegen 20 bis 25 Prozent tiefer als im Vorjahr”, erklärt Ruedi Fischer, Präsident der Vereinigung der Schweizer Kartoffelproduzenten. Grund für die kleinere Ernte sei der nass-kalte Frühling mit tiefen Bodentemperaturen. Das habe die Bodenbearbeitung erschwert, der Anbau sei drei bis vier Wochen später erfolgt als in einem Normaljahr. Zudem hätten die Kartoffeln aufgrund der Nässe keine tiefen Wurzeln gebildet, was dann im Sommer, wo es oft trocken war, das Wachstum gehemmt habe.

Wie dem Kartoffelproduzenten aus dem bernischen Bätterkinden geht es heuer allen seiner Berufskollegen: Aufgrund der ungünstigen Witterungsbedingungen fallen die Mengen deutlich kleiner aus. Gerechnet wird mit 341‘000 Tonnen. Gegenüber dem Vorjahr würde dies einem Minus von rund 24 Prozent bzw. 100‘000 Tonnen entsprechen – es wäre die kleinste Ernte seit Jahrzehnten.

Mit solch grossen Ernteschwankungen müsse gerechnet werden, erklärt Irene Vonlanthen, Geschäftsführerin der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten. „Mit der gleichen Anbaufläche wie heuer erzielten die Produzenten 2009 und 2011 Überschüsse, nun sind es deutlich weniger Kartoffeln.”

Preise steigen

Als Folge der mageren Ernte sind die Produzentenpreise bereits gestiegen. Für Speisekartoffeln wie Charlotte, Annabelle oder Alexandra erhalten die Produzenten 53 Franken pro 100 kg – 4,25 Franken mehr als im Vorjahr. Ob die Kartoffeln im Verkaufsregal bald teurer werden, könne derzeit noch nicht gesagt werden, erklärt Christian Sohm, Leiter Einkauf Früchte und Gemüse bei Coop. Auch ob vermehrt Kartoffeln importiert werden müssen, um den Inlandbedarf abzudecken, sei noch nicht klar. Es handle sich lediglich um eine Ernte-Schätzung; es gelte, die effektiven Erntemengen abwarten.


Angestiegen sind auch die Preise für Kartoffeln, aus denen Pommes Frites und Pommes-Chips gemacht werden. Für die Lebensmittelindustrie ungünstig ist zudem, dass der Anteil an kleinen Kartoffeln heuer höher ist als im Vorjahr. Ungünstig deshalb, weil die Kartoffeln für die Herstellung von Pommes-frites und Pommes-Chips eine Mindestgrösse aufweisen müssen.

Zusätzliche Importe nötig

Die Branchenorganisation der Kartoffelwirtschaft Swisspatat hat bereits auf die sich abzeichnende magere Ernte reagiert. Ende August wurde beim Bundesamt für Landwirtschaft ein Gesuch für ein zusätzliches Import-Kontingent von 25‘000 Tonnen Veredelungskartoffeln eingereicht.

Ob auch bei den Speisekartoffeln zusätzliche Importe nötig sein werden, könne erst nach der ersten Lagererhebung beurteilt werden, erklärt Swisspatat-Geschäftsführerin Christine Heller. Ruedi Fischer geht davon aus, dass im nächsten Frühjahr früher als sonst Speisekartoffeln eingeführt werden müssen.

Raclette-Kartoffeln in Hülle und Fülle

Auch wenn die Produzenten höhere Preise für ihre Kartoffeln lösen, verdienen sie unter dem Strich weniger als im Vorjahr. „Die höheren Preise kompensieren die kleinere Ernte nicht vollumfänglich”, erklärt Irene Vonlanthen. Immerhin bleibt ihnen eine teure Verwertungsaktion wie vor zwei Jahren erspart. 2011 fiel die Ernte derart üppig aus, dass die Kartoffelbranche 11 Mio. Franken aufwerfen musste, um die Überschüsse zu verwerten.


Freuen können sich Raclette-Liebhaber: Der Anteil an kleinen Kartoffeln wird in diesem Jahr höher ausfallen als 2012. Die Kartoffelproduzenten befürchten indes, dass das Angebot grösser ist, als der Detailhandel effektiv als „Raclette-Kartoffeln” absetzen kann. Die Produzenten hoffen aber, dass der Detailhandel bei der Vermarktung der vielen kleinen Kartoffeln mithilft.

Weniger Produzenten, kleinere Anbaufläche

Der Kartoffelanbau in der Schweiz hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt: Die Anzahl Produzenten ist von 44‘200 im Jahr 1980 auf aktuell 5‘400 geschrumpft. Diese bewirtschaften durchschnittlich 200 Aren (1980: 54 Aren). Die Erntemengen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, weil die Anbaufläche reduziert wurde. Derzeit liegt diese bei 11‘000 Hektaren.

Dies reicht laut Swisspatat aus, um die Selbstversorgung sicherzustellen. Aufgrund internationaler Verträge muss die Schweiz Kartoffeln und Kartoffel-Produkten aus dem Ausland einen minimalen Marktzutritt von fünf Prozent (22‘250 Tonnen) gewähren. Der Pro-Kopf-Konsum ist mit rund 46 kg seit Jahren stabil.

Deutschland: Pommes Frites werden teurer

Wie in der Schweiz fällt auch in Deutschland die Kartoffel-Ernte wetterbedingt kleiner aus. Der Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie spricht bereits von Versorgungsengpässen. Konsumenten müssten sich bereits in Kürze auf „sehr deutlich steigende Preise für alle Kartoffelverarbeitungsprodukte” einstellen. (Text und erstes Bild: LID)

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