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7.3.2014 KOMMENTAR: Welchen Wert haben Produkt-Prämierungen
Kommentar von foodaktuell-Chefredaktor Guido Böhler: Das Konsummagazin Saldo und die Konsumsendung Espresso haben kürzlich kritisiert, dass an der SFF-Produkteprämierung «über 80 Prozent der teilnehmenden Produkte eine Medaille gewinnen». Elias Welti vom SFF konterte: «Unsere Metzger schicken die besten Pferde aus ihrem Stall ins Rennen.» In der Tat machen die Konsumentenschützer hier wieder bewusst oder unbewusst einen statistischen Denkfehler. Die eingereichten Produkte sind ja nicht eine für alle verkauften Produkte repräsentative Stichprobe. Es sind vorselektionierte Produkte d.h. gefiltert nach dem Kriterium, was die Hersteller selbst für besonders gut halten.
Es ist logisch, dass der Anteil der Medaillen-würdigen in dieser «engeren Wahl» höher ist als in der sogenannten Grundgesamtheit. Einen ähnlichen Denkfehler begehen viele Medien, wenn sie voreilige Schlüsse ziehen aus Beanstandungs-Zahlen von Kantonslabors (z.B. «20% der Proben beanstandet»). Auch diese sind nicht repräsentativ, da der Vollzug sinnvollerweise dort intensiver kontrolliert, wo ein Verdacht besteht. Nur wer eine Stichprobe mit dem Zufallsgenerator bildet, erhält eine repräsentative.
Es gibt aber auch einen psychologischen Aspekt beim Verleihen von Gold, Silber und Bronze. «Eine Goldmedaille ist der Preis für den Sieger, den 1. Rang, den Allerbesten einer Kategorie. Davon gehen Konsumenten intuitiv aus, wenn sie die Gold-Medaillen des SFF auf den Wurst- oder Schinken-Packungen im Detailhandel sehen», schreibt Espresso. Das Magazin argumentiert also mit der Konsumentenerwartung und nicht mit Irreführung gemäss dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Man kann annehmen, dass die Konsumentenschützer es anprangern würden, wenn ein Verstoss bei diesem Tatbestand vorhanden wäre. Was bedeutet «Konsumentenerwartung?» Die Konsumentenerwartung ist ein sehr dehnbarer Begriff, aber die Konsumentenschützer werden gern aktiv, wenn sie diese Erwartungen als strapaziert erachten. Und negative Presse ist eine (ebenfalls unlautere) Vorverurteilung. Man muss sich also fragen, ob die Konsumenterwartung hier wirklich strapaziert ist und wie man dies vermeiden kann.
Bei «Goldmedaillen» denken die Konsumenten zuerst ans Prämierungssystem der Olympiade, wo es einen ersten, zweiten und dritten Sieger gibt. Olympia verleiht nur eine einzelne Goldmedaille pro Kategorie, aber der SFF und die meisten andern Prämierungsinstitutionen mehrere. Dieser Widerspruch reizt die Konsumentenschützer, dies ungeachtet der Tatsache, dass es ja tatsächlich vorkommen kann, dass mehrere Produkte die Maximalpunktezahl erreichen. Dies unterscheidet den Produktwettbewerb von den ebenso zahlreichen Wettkämpfen, wo Personen gegeneinander antreten und prämiert werden wie bei der Olympiade. Nicht alle Verbände verleihen Medaillen aber die meisten (z.B. Swiss Bakery Trophy SBT, Olive Oil Award, DLG, Regionalproduktewettbewerb und viele Weinprämierungen). Die Swiss Cheese Awards von Fromarte, dem Verband der Käsespezialisten, verleihen jedoch Trophäen und küren pro Kategorie einen einzigen Sieger. Andere Produkte können ein Diplom erhalten, wenn sie die entsprechenden hohen Anforderungen erfüllen. Dies ist psychologisch unverfänglicher, hat aber mangels Edelmetall-Ettiketten weniger Werbewirkung für die prämierten Produkte.
Wenn man aber das Medaillensystem wählt und mehrere Goldmedaillen verleiht, sollte man die Kriterien transparent machen. Heutzutage wird generell weniger reglementiert und dafür mehr Transparenz verlangt. In der Tat besteht hier Nachholbedarf: ausser dem Olive Oil Award, dessen wissenschaftlich fundierte Methoden auf der Website www.oliveoilaward.ch einsehbar sind, veröffentlicht kein Verband seine Prüf- und Berechnungsmethoden. Dies wäre aber wichtig, um den Verdacht zu entkräften, die Medaillenanforderungen seien zu weich und der Wettbewerb sei ein reines Marketinginstrument.
Ein bemerkenswertes Vorgehen wählt der Westschweizer Bäckermeisterverband (www.lepain.ch): er verleiht bei der SBT zwar Medaillen aber steuert deren Anzahl, indem er bei jedem Wettbewerb die Mindestpunktezahl für Medaillen neu anpasst. Die Punkte, die zu einer Medaille berechtigen, sind also nicht fix sondern werden jedes Jahr so definiert, dass 10% der Produkte eine Goldmedaille erhalten, weitere 15% eine Silbermedaille und 20% eine Bronzemedaille.
Sollte das durchschnittliche Niveau der Produktequalität steigen oder wenn die Juroren strenger taxieren, erhalten dennoch total 45% der Produkte eine Medaille und 55% dementsprechend keine. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die SBT also nur an 45% der Produkte eine Medaille verleiht und nicht an 80%. Diese Grenze ist natürlich Ermessenssache, dient aber auch der Vertrauensbildung. (GB) Weiterlesen: Regionalprodukte-Wettbewerb im Rückblick | ||||||||||||||