Food aktuell
Varia
17.4.2014
Was nützen Probiotika und Präbiotika?



Es ist seit langem bekannt, dass Mikroorganismen im menschlichen Darm eine wichtige Rolle für eine gesunde Verdauung spielen. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass Darmbakterien möglicherweise für ein breiteres Spektrum von Gesundheitsaspekten wichtig sind, einschliesslich Adipositas und gesundem Stoffwechsel.


Die Zahlen an Satzenden sind Literatur-Verweise. Das Literaturverzeichnig ist am Ende des Beitrags.

Mikroorganismen bevölkern verschiedene Stellen des menschlichen Körpers, darunter Haut, Nase, Mund und Darm. Besonders der menschliche Darm beherbergt eine enorme Zahl von Mikroorganismen, etwa 100 Billionen Bakterienzellen, was die Zahl der menschlichen Zellen um schätzungsweise das 10-fache übersteigt.1 Die im Darm vorkommenden Mikroorganismen sind hauptsächlich Bakterien und gehören mehr als 1.000 Arten an, 90% davon gehören zu Firmicutes und Bacteroidetes.2,3

Jeder Mensch hat eine individuelle und höchst variable Zusammensetzung von Darmmikroorganismen, obwohl allen Menschen eine Kernkombination von Mikroorganismen gemeinsam ist.2,4 Die Zusammensetzung der Darmmikroorganismen wird als Darm-„Mikrobiota“ [mikrobielle Flora] bezeichnet, die Gesamtheit der Gene der mikrobiellen Flora als „Mikrobiom“. Die Zahl der Gene der Darm-Mikrobiome übersteigt die Zahl der Gene des menschlichen Körpers um etwa das 150-fache.1

Was beeinflusst die Darm-Mikrobiota?

Die menschliche Mikrobiota wird im frühen Leben festgelegt – der Fötus im Mutterleib ist steril, die Konfrontation mit Mikroorganismen beginnt mit der Geburt, z.B. beim Passieren des Geburtskanals und/oder durch die in der Umwelt vorhandenen Mikroben. Die durch Kaiserschnitt entbundenen Babys haben im Vergleich zu vaginal geborenen eine andere Darm-Mikrobiota, die angeblich weniger günstig und angeblich stärker krankheitsanfällig sein soll, mit erhöhtem Risiko für Übergewicht und Adipositas im späteren Leben.5

Zwar wird die Mikrobiota in einem frühen Stadium des Lebens festgelegt, sie kann sich aber im Lauf des Lebens mit dem Alter, der Ernährung, dem geografischen Standort, der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten sowie durch andere Umwelteinflüsse verändern.6 Überschüssiges Körperfett und Krankheiten stehen ebenfalls im Zusammenhang mit einer Veränderung der Darm-Mikrobiota.

Es ist bekannt, dass die Ernährung vom frühen Lebensalter an – einschliesslich der Frage, ob das Kind gestillt oder durch industriell gefertigte Säuglingsnahrung ernährt wird – die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota beim Menschen beeinflusst, und es wird vermutet, dass langfristige Ernährungsgewohnheiten eine beträchtliche Auswirkung haben, was einige geografische Unterschiede erklärt.2

Das liegt daran, weil Bestandteile der Ernährung, beispielsweise Ballaststoffe, durch bakterielle Fermentation zersetzt und als Brennstoff verwendet werden. Das Essen erhöhter Mengen bestimmter Nahrungsbestandteile kann die Zahl der Bakterien, die diese bestimmten Bestandteile als Brennstoff verwenden, in die Höhe schnellen lassen, was bedeutet, dass Änderungen in der Zusammensetzung der Ernährung zu Änderungen in der Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota führen können.

Die Zusammensetzung der Hauptnährstoffe (das sind die Anteile von Proteinen, Kohlenhydraten und Fett) scheint einen Einfluss zu haben und jede Änderung in der Ernährung führt wahrscheinlich zu einer Verschiebung in der Darm-Mikrobiota.2 Die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Mikrobiota werden zunehmend erforscht.

Die Darm-Mikrobiota und die Gesundheit

Die Erforschung der Mikrobiota des Menschen konzentriert sich hauptsächlich auf die Mikroorganismen im Darm, weil davon ausgegangen wird, dass sie in verschiedener Weise die Gesundheit beeinflussen. Es ist nachgewiesen, dass Menschen, die an bestimmten Krankheiten (z. B. entzündlicher Darmerkrankung, Reizdarmsyndrom, Allergie) leiden, eine Mikrobiota haben, die sich von der gesunder Probanden unterscheidet, obwohl es in den meisten Fällen unmöglich ist zu sagen, ob die geänderte Mikrobiota eine Ursache oder eine Folge der Krankheit ist. Die Muster einer Darm-Mikrobiota, die mit Gesundheit assoziiert werden, sind jedoch schwieriger zu bestimmen.6

Die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota gesunder Menschen kann sehr unterschiedlich sein. Forscher haben herausgefunden, dass unterschiedliche Zusammensetzungen der Darmflora gleiche Funktionen haben können (beispielsweise wie Mikroorganismen bestimmte Bestandteile der Nahrung zersetzen oder wie sie sich auf das Immunsystem des Körpers auswirken). Es wird deshalb angenommen, dass das Funktionieren der Darm-Mikrobiota für die Gesundheit wichtiger ist als deren Zusammensetzung.6

Die im Darm vorhandenen Mikroorganismen spielen eine entscheidende Rolle für eine gesunde Verdauung, beeinflussen aber auch das Immunsystem. Immungewebe im Magen-Darm-Trakt bilden den grössten und komplexesten Teil des menschlichen Immunsystems. Die Darmschleimhaut bildet eine grosse Oberfläche, die den Darm auskleidet, und ist pathogenen (Krankheiten verursachenden) und nicht-pathogenen Antigenen der Umwelt (Substanzen, die das Immunsystem veranlassen, Antikörper zu bilden) ausgesetzt. Im Darmlumen spielen Mikroorganismen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines robusten und ausgewogenen Immunsystems.3

Veränderungen in der Darm-Mikrobiota eines Menschen, zu denen es beispielsweise bei Einnahme bestimmter Antibiotika kommen kann, können das Infektionsrisiko mit opportunistischen Krankheitserregen, beispielsweise Clostridium difficile, erhöhen.6

Faktor für Adipositas?

In den letzten Jahren haben Forscher einen Zusammenhang zwischen Darm-Mikrobiota und Körpergewicht festgestellt. Obwohl sich die meisten Forschungsvorhaben noch in einem Frühstadium befinden, haben Studien ergeben, dass übergewichtige Menschen dazu tendieren, eine etwas andere Zusammensetzung der Darmbakterien als schlanke Menschen zu haben.7,8,4 Ob die veränderte Zusammensetzung der Mikrobiota eine Ursache oder eine Folge der Adipositas ist, ist derzeit noch unbekannt.

Studien haben gezeigt, dass sich die Zusammensetzung der Mikrobiota mit einer Gewichtsabnahme und/oder Gewichtszunahme verschiebt; über die Bedeutung solcher Veränderungen für die menschliche Gesundheit gehen die Meinungen noch auseinander.8 Einige Forscher sind der Meinung, dass die Mikrobiota adipöser Menschen dem Körper helfen kann, die aus der Nahrung „geerntete“ Energiemenge zu erhöhen, was bedeutet, dass bestimmte Strukturen von Darm-Mikrobiota die Wahrscheinlichkeit erhöhen, adipös zu werden.2,4 Diese Theorie ist jedoch noch umstritten, es wird weiterer Studien bedürfen, um herauszufinden, ob sich diese Hypothese bewahrheitet.

Die meisten Nachweise über den Zusammenhang zwischen Darmflora und dem Risiko von Fettleibigkeit stammen bisher aus Tierversuchen. Ergebnisse aus Tierversuchen deuten darauf hin, dass eine „fettleibige“ Mikrobiota (also bestimmte Zusammensetzungen der Mikrobiota bei Adipositas) zu erhöhter Fettleibigkeit und ungünstigen Stoffwechselveränderungen führen können, wenn sie auf eine sterile schlanke Maus übertragen werden.2,4

Tiermodelle bieten zwar interessante Einsichten, es dürfen aber keine direkten Schlussfolgerungen auf solche Zusammenhänge beim Menschen gezogen werden. Dieser Forschungsbereich ist noch recht neu, und es werden weitere Studien erforderlich sein, insbesondere beim Menschen, um zu verstehen, wie und in welchem Umfang die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm sich auf die verschiedenen Stoffwechselfunktionen im Körper auswirkt.

Probiotische und präbiotische Produkte

Probiotika sind als lebende Mikroorganismen definiert, die, wenn in angemessenen Mengen verabreicht, einen gesundheitlichen Nutzen bringen können. Zahlreiche Arten von Probiotika wurden untersucht. Es gibt erste Nachweise, dass bestimmte Probiotika wirkungsvoll zu Verbesserungen bei Symptomen von Reizdarmsyndrom, Colitis ulcerosa (einer Form einer entzündlichen Darmerkrankung) und Infektionskrankheiten führen sowie das Risiko der Entwicklung von Ekzemen und anderer allergischer Erkrankungen reduzieren können.9,10

Auch gesunden Menschen kann die Einnahme von Probiotika nutzen – es gibt einige Nachweise dafür, dass Probiotika bei ihnen das Risiko von Infektionserkrankungen, darunter Infektionen der oberen Atemwege, verringern kann.9 Jede Wirkung eines Probiotikums ist grundsätzlich spezifisch für den jeweils verwendeten Stamm der probiotischen Bakterien. Das bedeutet, wenn eine Wirkung eines probiotischen Stamms entdeckt wird, daraus keine Schlüsse auf die möglichen Wirkungen anderer probiotischer Stämme gezogen werden dürfen.10

Zwar liegt eine beachtliche Menge an Nachweisen vor, dass es eine positive Auswirkung bestimmter probiotischer Stämme bei bestimmten Krankheiten - wie Clostridium difficile-Infektionen und Colitis ulcerosa - gibt, für andere Gesundheitsprobleme jedoch ist die Beweislage noch nicht schlüssig, und es wird weiterer Studien bedürfen, um den Nutzen von Probiotika für gesunde Menschen nachzuweisen.

Die European Food Safety Authority (EFSA) [Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit], die die Europäische Kommission wissenschaftlich berät, hat bisher jegliche gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmittelprodukten abgelehnt, die behaupten, die Einnahme von Probiotika nutze gesunden Menschen. Weitere Forschungen sind auf dem Wege, dabei werden neuere Technologien eingesetzt sowie spezifische Biomarker, die helfen können zu verstehen, ob und wie Menschen aus der Verwendung von Probiotika Nutzen ziehen können.

Obwohl es weiterhin unklar ist, auf welche Weise genau sich Probiotika auf die Gesundheit auswirken, wird die Meinung vertreten, dass Probiotika das Potenzial haben, sich auf die Funktion, mehr als auf die Zusammensetzung, der Mikrobiota auszuwirken.6,9 Wenn das zutrifft, könnte sich der Konsum von Probiotika auf die Gesundheit auswirken, selbst wenn dadurch keine Veränderung der Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota bewirkt wird.6

Präbiotika

Präbiotika sind unverdauliche Nahrungsbestandteile, die von Darmbakterien selektiv zur Fermentation verwendet werden. Das bedeutet, dass Bakterien, die mit positiven Auswirkungen auf die Gesundheit in Zusammenhang gebracht werden, gezielt angesprochen werden.. Es gibt brauchbare Nachweise, dass Präbiotika Veränderungen in der Darm-Mikrobiota bewirken, es ist aber immer noch unklar, auf welche Weise genau die Verwendung von Präbiotika die Zusammensetzung und Funktion der Darmflora verändern kann, wie stabil solche Veränderungen sind und was das für die menschliche Gesundheit bedeutet - dafür sind weitere Untersuchungen erforderlich.6

Auswirkungen von Antibiotika auf die Darm-Mikrobiota

Die Einnahme von Antibiotika kann zu Störungen der Darm-Mikorbiota führen. Der Grund dafür ist, dass sie sich auf verschiedene Arten von Darmbakterien unterschiedlich auswirken; bestimmte Bakterien reagieren auf ein in Frage kommendes Antibiotikum besonders anfällig oder resistent.6 Das kann zu einem durch das Antibiotikum bewirkten Durchfall führen und in einem Krankenhausumfeld das Risiko einer schwereren Form von Durchfall - verursacht durch den Krankheitserreger Clostridium difficile - erhöhen.

Die Auswirkungen von Antibiotika sind üblicherweise kurzfristig, es sind aber auch Störungen der Darm-Mikrobiota über längere Zeiträume hinweg belegt.6 Es gibt Nachweise dafür, dass die Einnahme von Probiotika während einer Behandlung mit Antibiotika das Risiko, eines dadurch verursachten Durchfalls reduzieren kann.11

Schlussfolgerung

Die im Darm des Menschen vorhandenen Mikroorganismen spielen für die menschliche Gesundheit ohne Zweifel eine entscheidende Rolle. Wie genau, in welchem Umfang und in welchen Bereichen sich unsere “Bewohner” auf die menschliche Gesundheit auswirken, bedarf noch der Klärung; das gilt auch für einen Nachweis dazu, wie die Zusammensetzung und/oder Funktion der Mikrobiota verändert werden könnte, um einen bestimmten gesundheitlichen Nutzen zu erzielen. (euffic / FOOD TODAY 10/2013)

Literatur

1.Wu GD & Lewis JD (2013). Analysis of the human gut microbiome and association with disease. Clinical Gastroenterology Hepatology 11(7):774-777.

2.Tremaroli V & Bäckhed F (2012). Functional interactions between the gut microbiota and host metabolism. Nature 489:242-249.

3.Robles Alonso V & Guarner F (2013). Linking the gut microbiota to human health. British Journal of Nutrition 109:S21-S26.

4.Molinaro, Paschetta E, Cassader M, et al. (2012). Probiotics, prebiotics, energy balance, and obesity – mechanistic insights and therapeutic implications. Gastroenterology Clinics of North America 41(4):843-854.

5.Li H-t, Zhou YB & Liu JM (2013). The impact of cesarean section on offspring overweight and obesity: a systematic review and meta-analysis. International Journal of Obesity 37(7):893-899.

6.Bäckhed F, Fraser CM, Ringel Y, et al. (2012). Defining a healthy human gut microbiome: current concepts, future directions, and clinical applications. Cell Host Microbe 12(5):611-622.

7.Fava F, Gitau R, Griffin BA, et al. (2013). The type and quantity of dietary fat and carbohydrate alter faecal microbiome and short-chain fatty acid excretion in a metabolic syndrome 'at-risk' population. International Journal of Obesity 37(2):216-223.

8.Clarke SF, Murphy EF, Nilaweera K, et al. (2012). The gut microbiota and its relationship to diet and obesity. Gut Microbes 3(3):186-202.

9.Sanders ME, Guarner F, Guerrant R, et al. (2013). An update on the use and investigation of probiotics in health and disease. Gut 62(5):787-796.

10.Weichselbaum E (2009). Probiotics and health: a review of the evidence. Nutrition Bulletin 34:340-373.

11.Hempel S, Newberry SJ, Maher AR, et al. (2012). Probiotics for the prevention and treatment of antibiotic-associated diarrhea: a systematic review and meta-analysis. Journal of the American Medical Association 307(18):1959-1969.

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