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29.5.2014 Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagung: Rückblick
In der Einführung zur Tagung betonte Tagungsleiterin Evelyn Kirchsteiger-Meier, Leiterin Fachstelle QM und Lebensmittelrecht und Dozentin, dass im Zusammenhang mit dem Thema „Kennzeichnung und Anpreisung“ insbesondere der Täuschungsschutz von Bedeutung ist, welcher bereits im Zweckartikel, dem Art. 1 des Lebensmittelgesetzes (LMG)1, verankert und in Art. 18 und 19 LMG weiter ausgeführt ist. Der Täuschungsschutz hat eine stark konsumentenschützerische Komponente und trägt auch zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb bei. In Bezug auf das Tagungsthema zudem wichtig und interessant ist die Bedeutung der Angaben auf der Produktverpackung für die Konsumentinnen und Konsumenten. So wurde im Rahmen einer Studie der Universität St. Gallen von 20112 eine repräsentative Stichprobe von Personen befragt, worauf sie beim Kauf verschiedener Produkte vertrauen. Für Lebensmittel gaben rund 62% der Befragten an, dass den Angaben auf dem Produkt vertraut wird. Weiter hat die Studie auch dargelegt, dass ein Grossteil der Befragten bereit ist, für umweltfreundliche Produkte einen Aufpreis zu bezahlen sowie Anbieter zu wählen, für die soziale Werte wichtig sind. Die Herausforderung für Lebensmittelunternehmer besteht nun darin, die Konsumentinnen und Konsumenten über verschiedene Aspekte des Lebensmittels zu informieren (Pflichtangaben sowie weitergehende, freiwillige Angaben), ohne sie zu verwirren und ohne eine Täuschung, d.h. falsche Vorstellungen, zu wecken. Zusammenfassung der Tagungsreferate Die Verordnung über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln (LKV): Inhalte, Ziele, Zukunft Im ersten Referat der Veranstaltung erläuterte Dr. Judith Deflorin, Leiterin Fachbereich Marktzutritt im Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), die wichtigsten Änderungen in der per 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Fassung der Verordnung über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln (LKV3). Die Änderungen, die auch unter www.lm-revisionen.admin.ch abgerufen werden können, wurden im Zuge der weiteren Harmonisierung mit dem EU-Recht vorgenommen, insbesondere mit der sogenannten „Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV4)“. Erläutert wurden auch die wichtigsten Anforderungen aus der LMIV, welche nicht ins schweizerische Recht übernommen wurden; dazu gehören: • Art. 14 LMIV; Anforderungen zum Fernabsatz • Art. 18 Abs. 3 LMIV; Anforderungen der Kennzeichnung von Nanomaterialien (Definition für technisch hergestellte Nanomaterialien in delegierter Verordnung Nr. 1363/20135, die inzwischen allerdings wieder zurückgezogen wurde6) • Art. 30 Abs. 3 LMIV; Freiwillige, zusätzliche Nährwertangaben Erläutert wurden zudem die Probleme, die sich für Schweizer Unternehmen im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 LMIV respektive Art. 9 Abs. 1 lit. h LMIV (verantwortliche Person) ergeben. Die Anbringung des Namens der Firma und der Anschrift des Lebensmittelunternehmers (gemäss Art. 8 Abs. 1 LMIV) gehört nach Art. 9 Abs. 1 lit. h LMIV zu den Pflichtangaben, die auf der Etikette anzubringen sind. Art. 8 Abs. 1 LMIV bestimmt die Eigenschaften, die der verantwortliche Lebensmittelunternehmer haben muss, wie folgt: Das Lebensmittel muss unter seinem Namen oder Firma vermarktet werden, und er muss seinen Sitz in der EU haben. Wenn der Lebensmittelunternehmer seinen Sitz nicht in der EU hat, ist der Importeur verantwortlich. Diese Regelung hat daher einen grossen Einfluss für die Unternehmer, die in die EU exportieren. Die Produkte müssen mit einer Anschrift aus der EU versehen sein. Für Produzenten, die mit mehreren Kunden (Importeuren) in der EU zusammenarbeiten, kann dies umständlich/aufwändig sein. Allenfalls lässt sich ein Hauptimporteur bestimmen, der auf allen Packungen aufgedruckt werden kann. Dies bedeutet jedoch, dass dieser für alle entsprechenden Produkte die Verantwortung für die Information betr. der Lebensmittel trägt. Das (noch) geltende Kennzeichnungsrecht (Etikettierungs-Richtlinie 2000/13/EG7) sieht eine solche Regelung zur Verantwortlichkeit für die Etikettierung nicht vor. In der dem Referat folgenden Diskussion stand vor allem die neue Regelung betreffend der verbesserten Sichtbarkeit der Allergen-Kennzeichnung im Vordergrund (Art. 8 Abs. 1 lit. b LKV). Dabei wurde von den Bundesbehörden erläutert, dass die gebräuchliche, jedoch freiwillige „Allergen-Box“ den Anforderungen nach Art. 8 Abs. 1 lit. b LKV nicht genügt; d.h. die Allergenangaben müssen auf jeden Fall durch die Schriftart, den Schriftstil, die Hintergrundfarbe oder andere geeignete Mittel vom Rest des Zutatenverzeichnisses hervorgehoben werden. Die nachfolgenden beiden Referate widmeten sich dem Aspekt „Herkunft“; dieses Thema gewinnt an Bedeutung, wie beispielsweise der Agrarbericht 2013 des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW)8 darlegt: In einer repräsentativen Umfrage wurde aufzeigt, dass die Produktherkunft für die Befragten insbesondere bei tierischen Produkten eine Rolle spielt. Herkunftsangaben Schweiz und EU – Unterschiede und Gemeinsamkeiten Das Referat von Dr. Karola Krell Zbinden, aufs Lebensmittelrecht spezialisierte Rechtsanwältin bei Markwalder Emmenegger, Bern legte die Gemeinsamkeiten und Unterschiede Schweiz – EU in Bezug auf die Anforderungen der Herkunftsangaben dar. Nach schweizerischem Lebensmittelrecht muss das Produktionsland bei sämtlichen Lebensmitteln angegeben werden (Art. 2 Abs. 1 lit. g LKV, Art. 15 LKV). Darauf kann nur verzichtet werden, wenn das Produktionsland aus der Sachbezeichnung oder aus der Adresse des Lebensmittelunternehmers (nach Art. 2 Abs. 1 lit. f LKV) ersichtlich ist (siehe Art. 15 Abs. 6 LKV). So wäre ein mögliches Beispiel für Art. 15 Abs. 6 LKV: „Französischer Rahm-Weichkäse“, falls dieser tatsächlich in Frankreich hergestellt ist. Unter bestimmten Voraussetzungen muss auch das Produktionsland des Hauptrohstoffs angegeben werden. Die Voraussetzungen zur Angabe des Produktionslandes eines Rohstoffs sind gemäss Art. 16 Abs. 1 LKV: • der Rohstoff beträgt mehr als 50 Massenprozent am Enderzeugnis, und • das Produktionsland des Rohstoffs stimmt nicht mit dem für das Lebensmittel angegebenen Produktionsland überein, und • in der Sachbezeichnung oder der übrigen Kennzeichnung des Lebensmittels ist ein Hinweis enthalten, der darauf schliessen lässt, dass der Rohstoff aus dem Land stammt, das als Produktionsland des Lebensmittels angeben ist. Es ist zu beachten, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Angabe des Produktionslandes des Hauptrohstoffs gemacht werden muss. Ein mögliches Beispiel dafür wäre: „Bünderfleisch: Hergestellt in der Schweiz mit Rindfleisch aus Argentinien“. Anzumerken ist, dass die Angabe des Produktionslandes nach schweizerischen Vorschriften gemäss Art. 16e Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG9) vom Cassis-de- Dijon-Prinzip ausgeschlossen ist, d.h. das Produktionsland des Lebensmittels und allenfalls des Hauptrohstoffs muss bei importierten Lebensmitteln auf jeden Fall auf der Etikette angegeben werden, um den schweizerischen Vorschriften zu entsprechen. In der EU hingegen musste das Ursprungsland bzw. der Herkunftsort bisher nur bei bestimmten Lebensmitteln, so bei Rindfleisch10, angegeben werden. Bei den übrigen Lebensmitteln musste die Angabe gemäss der – noch bis 13. Dezember 2014 geltenden - „Etikettierungs-Richtlinie“ Nr. 2000/13 nur erfolgen, falls ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über den tatsächlichen Ursprung oder die wahre Herkunft des Lebensmittels möglich wäre. Die Richtlinie Nr. 2000/13 wird durch die bereits erwähnte „Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV)“ ersetzt, welche gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. i, respektive Art. 26, für weitere Lebensmittel die Angabe des Ursprungslands, respektive den Herkunftsort, verpflichtend vorschreibt. Die Angaben sind nachfolgend kurz beschrieben. • Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes von Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch Nach Art. 26 Abs. 2 lit. b LMIV wird die Herkunftskennzeichnung für die genannten Fleischsorten verpflichtend, was gemäss dem Erwägungsgrund Nr. 31 LMIV der Erwartungshaltung der Konsumentinnen und Konsumenten entspricht, da eine entsprechende Kennzeichnung bei Rindfleisch bereits verpflichtend ist. Für die Umsetzung hat die EU-Kommission die Durchführungsverordnung Nr. 1337/201311 erlassen, welche ab 1. April 2015 Geltung erlangt. Die Durchführungsverordnung sieht eine zweistufe Herkunftskennzeichnung vor („aufgezogen in“ / „geschlachtet in“); dies ist eine weniger ausführliche Kennzeichnung als bei Rindfleisch, wo zusätzlich angegeben wird, wo das betreffende Tier geboren ist. Dies ist unter anderem der Grund dafür, dass das EU-Parlament die Kommission aufgefordert hat, die Durchführungsverordnung Nr. 1337/2013 wieder zurückzuziehen12; die Kommission ist jedoch nicht darauf eingegangen. • Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes der „primären Zutat“ Neu hinzugekommen ist ebenfalls die Einführung der verpflichtenden Angabe des Ursprungslandes respektive des Herkunftsortes der primären Zutat gemäss Art. 26 Abs. 3 LMIV. Dies ist für Lebensmittel relevant, welche bereits eine Angabe des Ursprungslandes oder Herkunftsortes aufweisen. Ist dieses/dieser nicht identisch mit dem Ursprungsland oder dem Herkunftsort der primären Zutat, muss auf der Etikette ebenfalls das Ursprungsland oder der Herkunftsort der primären Zutat angegeben werden. Als „primäre Zutat“ wird in Art. 2 Abs. 2 lit. q LMIV diejenige Zutat oder diejenigen Zutaten eines Lebensmittels definiert, die über 50 % dieses Lebensmittels ausmachen oder die die Konsumentinnen und Konsumenten üblicherweise mit der Bezeichnung des Lebensmittels assoziieren und für die in den meisten Fällen eine mengenmässige Angabe vorgeschrieben ist (dies entspricht nicht dem Art. 16 Abs. 1 LKV). Die EU-Kommission soll gemäss Art. 26 Abs. 5 LMIV bis zum 13. Dezember 2014 dem Parlament und dem Rat einen Bericht übermitteln, der die in Art. 26 Abs. 7 LMIV enthaltenen Angaben und Abschätzungen enthält. Ein Entwurf des Berichtes wird für Juni 2014 erwartet. • Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes bei weiteren Lebensmitteln Für einige weitere Lebensmittel, die in Art. 26 Abs. 5 LMIV explizit genannt werden, ist die verpflichtende Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes ebenfalls vorgesehen. Dies betrifft Milch, Milch, die als Zutat in Milchprodukten verwendet wird, unverarbeitete Lebensmittel, Erzeugnisse aus einer Zutat sowie weitere Arten von Fleisch (als die in Anhang XI LMIV aufgeführten). Auch in Bezug auf diese Angaben muss die EU-Kommission bis 13. Dezember 2014 dem Parlament und dem Rat einen Bericht übermitteln, der die in Art. 26 Abs. 7 LMIV enthaltenen Angaben und Abschätzungen berücksichtigt. • Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes bei Fleisch, das als Zutat verwendet wird Art. 26 Abs. 6 LMIV bildet die Grundlage für die Einführung der verpflichtenden Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes bei Fleisch, das als Zutat verwendet wird. Der geforderte Bericht liegt seit Dezember 2013 vor13. Gemäss den Schlussfolgerungen des Berichtes besteht erhebliches Interesse seitens der Konsumentinnen und Konsumenten an einer Ursprungskennzeichnung für Fleisch als Zutat. Es zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten bei den Präferenzen und Vorstellungen der Konsumenten14. Der Bericht legte auch dar, dass die Lieferkette für Fleisch als Zutat oft komplex und lang ist. Zudem ist es so, dass sich das Rückverfolgbarkeitssystem der EU mit dem Grundsatz „eine Stufe danach – eine Stufe davor“ nicht zur Weitergabe von Ursprungsinformationen entlang der Lebensmittelkette eignet. Dieses System dient in erster Linie dazu, die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten; die Angabe von Ursprungsinformationen ist darin nicht eingeschlossen. Weiter werden im Bericht drei mögliche Szenarien für eine Ursprungskennzeichnung untersucht: o Die Beibehaltung der freiwilligen Kennzeichnung o Die Einführung einer verpflichtenden Ursprungskennzeichnung nach dem Muster „EU“, „Nicht-EU“ o Die Einführung einer verpflichtenden Ursprungskennzeichnung unter Angabe des Mitgliedstaates oder Drittstaates. Die im Bericht erwähnten Szenarien und deren Vor- und Nachteile werden nun mit dem Parlament und dem Rat diskutiert, um die nächsten Schritte festzulegen. Dazu gehört gegebenenfalls die Ausarbeitung eines Legislativvorschlags. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Unterschiede in der Herkunftskennzeichnung zwischen der Schweiz und der EU existieren, welche voraussichtlich auch in Zukunft bestehen bleiben. So sieht die EU beispielsweise auch künftig keine generelle Pflicht zur Angabe des Produktionslandes eines Lebensmittels vor, während die Schweiz daran festhält (Art. 15 LKV), auch im Rahmen der Totalrevision des Lebensmittelgesetzes LMG15. Es handelt sich dabei um nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Schweiz drauf – Schweiz drin? Fürsprecher Stefan Szabo vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) erläuterte den Stand der Vorgaben zur „Swissness“ und ging dabei auch auf die Hintergründe und die Geschichte der „Swissness“-Vorlage ein. Durch das Gesetzgebungspaket „Swissness“ soll der Schutz der Herkunftsbezeichnung „Schweiz“ und des Schweizerkreuzes im In- und Ausland verstärkt und damit die „Marke Schweiz“ besser geschützt werden. Ausgangspunkt ist die Zunahme der missbräuchlichen Verwendung der Herkunftsangabe „Schweiz“ und des Schweizerkreuzes im In- und Ausland. Der Bundesrat hat daher, als Antwort auf verschiedene parlamentarische Postulate, am 15. November 2006 den Bericht „Schutz der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes“16 verabschiedet; im November 2009 wurde die Botschaft publiziert17. Die Diskussionen im Parlament dauerten rund drei Jahre; im Juni 2013 wurde die Vorlage durch National- und Ständerat angenommen. Folgende Anforderungen sind gemäss geändertem Markenschutzgesetz (nMSchG)18 zu erfüllen, damit Lebensmittel künftig als „schweizerisch“ ausgelobt werden dürfen: • Mindestens 80% des Gewichtes der in der Schweiz verfügbaren Rohstoffe müssen aus der Schweiz stammen (Art. 48b Abs. 2 nMschG) • Milch und Milchprodukte müssen zu 100% aus der Schweiz stammen (Art. 48b Abs. 2 nMSchG) • Der wesentliche Verarbeitungsschritt muss in der Schweiz stattfinden (Art. 48b Abs. 5 nMSchG) Für Rohstoffe, die nicht in der Schweiz angebaut werden können, und für den Fall von schlechten Ernten sieht das Gesetz Ausnahmen vor (Art. 48b Abs 3a und 3b nMSchG). Auch gehen Rohstoffe, bei denen der Selbstversorgungsgrad unter 50% liegt, nur zur Hälfte in die Rechnung ein, solche mit einer Inlandversorgung von unter 20% werden nicht gezählt (Art. 48b Abs. 4 nMSchG). Die Anforderungen des geänderten Markenschutzgesetzes gelten zudem nicht: • wenn eine geografische Angabe bereits im Register des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) eingetragen ist (Art. 48d lit. a nMSchG) • wenn eine verwendete Herkunftsangabe dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise entspricht (Art. 48d lit. b nMSchG) Detailfragen zur Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen des nMSchG werden in Ausführungsbestimmungen festgelegt; die entsprechende Verordnung soll im Sommer 2014 in die externe Vernehmlassung gehen. Agrarrechtliche Kennzeichnungen Das erste Referat des Nachmittags, vorgetragen von Patrik Aebi, Leiter Fachbereich Qualitäts- und Absatzförderung im Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), ging auf agarrechtliche Kennzeichnungen ein, insbesondere die Kennzeichnungen zur geographischen Herkunft, der Kennzeichnung von Berg- und Alpprodukten sowie die Bio-Verordnung. Patrik Aebi stellte diese Kennzeichnungen und Anforderungen in den Kontext der Qualitätsstrategie der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft, welche in der „Charta“19 festgehalten und von bisher rund 140 Akteuren der gesamten Wertschöpfungskette getragen ist. Das Ziel ist die Fokussierung auf Qualitätsführerschaft, Qualitätspartnerschaft und Marktoffensive. Der Bund unterstützt die Qualitätsstrategie, indem geeignete staatliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, zu denen die drei genannten Vorgaben zur Kennzeichnung gehören: • Geschützte Ursprungsbezeichnungen (GUB / AOP = Appellation d’origine protégée) und geschützte geographische Angaben (GGA / IGP = Indication géographique protégée)20. Die Schweiz und die EU haben durch die Unterzeichnung des Anhangs 12 des bilateralen Landwirtschaftsabkommens den gegenseitigen Schutz der geographischen Angaben vereinbart21. Der Anhang 12 ist am 1. Dezember 2011 in Kraft getreten. • Anforderungen an Berg- und Alpprodukte22; unter http://www.blw.admin.ch/themen/00015/00182/index.html?lang=de [20.05.2014] kann die zur Einteilung eines Ortes in „Berg“ oder „Alp“ notwendige Zonenkarte angewählt werden („Kartenausschnitt wählen“). • Anforderungen an Bio-Produkte23. Die Schweizer Bio-Verordnung ist äquivalent mit den EUVorgaben; festgehalten in Anhang 9 des bilateralen Landwirtschaftsabkommens. Die genannten Massnahmen und Rahmenbedingungen sollen zur Positionierung und Differenzierung von Schweizer Lebensmitteln beitragen. „Natürlichkeit“ und „Frische“ im Lebensmittelrecht „Natürlichkeit“, „Zurück zur Natur“ ist ein Trend in der Lebensmittelbranche; jedoch bergen diese Begrifflichkeiten ein hohes Täuschungspotential, insbesondere bei industriell verarbeiteten Produkten. Katja Brzezinski, Geschäftsführerin der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth, ging auf die lebensmittelrechtlichen Definitionen insbesondere von „Natürlichkeit“ ein. Gesetzliche Definitionen zu „natürlich“ finden sich im EU-Recht in folgenden Verordnungen: • „Aromen-Verordnung“ Nr. 1334/200824: Die besonderen Anforderungen an die Verwendung des Begriffs „natürlich“ sind in Art. 16 Verordnung Nr. 1334/2008 festgelegt. Grundsätzlich darf der Begriff „natürlich“ zur Bezeichnung eines Aromas nur verwendet werden, wenn der Aromabestandteil ausschliesslich Aromaextrakte und/oder natürliche Aromastoffe enthält. Die Definition von „ „natürlicher Aromastoff“ und „Aromaextrakt“ findet sich in Art. 3 Abs. 2 lit. c und d der Verordnung Nr. 1334/2008. Die Verordnung regelt auch die Kennzeichnungsoptionen für den Begriff „natürlich“ in Art. 16 Abs. 3 bis 6 und erläutert im Anhang II die Liste der herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren, die für die Aufbereitung „natürlicher Aromastoffe“ oder „Aromaextrakte“ verwendet werden dürfen (siehe Art. 3 Abs. 2 lit. c und d der Verordnung). Die Schweiz hat die Bestimmungen der „Aromen-Verordnung“ Nr. 1334/2008 in Art. 8bis LKV per 1. Januar 2014 übernommen. • Anhang zur Verordnung Nr. 1924/200625 („Health-Claim-Verordnung“, HCVO): Im Zusammenhang mit nährwertbezogenen Anhaben kann der Begriff „von Natur aus/natürlich“ verwendet werden, wenn ein Lebensmittel von Natur aus die im Anhang aufgeführten Bedingungen für die Verwendung einer nährwertbezogenen Angabe enthält (wenn es sich also beispielsweise nicht um ein angereichertes Lebensmittel handelt). Für die Schweiz ist eine analoge Definition in Anhang 7 LKV enthalten. Katja Brzezinski erläuterte in ihrem Referat auch den Streit in Deutschland zwischen der Stiftung Warentest und der Firma Alfred Ritter. Dabei geht es um eine Testreihe, die die Stiftung Warentest im Dezember 2013 zu Nussschokoladen durchgeführt hat. Das Produkt „Voll-Nuss“ von Ritter-Sport erhielt dabei das Gesamturteil „mangelhaft“; bei den übrigen Bewertungen hatte die Schokolade mit „gut“ abgeschnitten. Die Abwertung erfolgte mit der Begründung, dass das im Produkt nachgewiesene Piperonal als „natürliches Aroma“ auf der Zutatenliste aufgeführt wurde. Nach Auffassung der Tester jedoch könne Piperonal für die industrielle Massenproduktion nicht in ausreichendem Mass aus natürlichen Rohstoffen gewonnen werden; die Kennzeichnung „natürliches Aroma“ sei daher irreführend. Die Firma Ritter wies den Vorwurf zurück und berief sich auf eine Erklärung des Aromenherstellers Symrise, dass es sich um ein natürliches Aroma im Sinne von Art. 16 Abs. 6 der „Aromen-Verordnung“ Nr. 1334/200826 handle. Vor Gericht unterlag die Stiftung Warentest; gemäss dem Landgericht München darf die Stiftung Warentest nicht behaupten, dass das Zutatenverzeichnis der Ritter Sport Voll-Nuss-Schokolade in Bezug auf die Verwendung von natürlichem Aroma irreführend sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass nie eine Gefährdung des Verbrauchers bestanden habe, und die Stiftung Warentest habe die Bestimmungen der Aromen-Verordnung in nicht vertretbarer, enger Weise ausgelegt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Stiftung Warentest hat Berufung eingelegt27. Eine weitere Kennzeichnung von „natürlich“ ist im Zusammenhang mit der Verwendung des Süssungsmittels Steviolglycoside (E 960) zu beleuchten. Das damalige Bundesamt für Gesundheit BAG (heute BLV) hat im Informationsschreiben Nr. 158/201028 erläutert, welche Anpreisungen – unter Berücksichtigung des in Art. 10 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV)29 spezifizierten Täuschungsverbots – für Steviolglycoside gemacht werden dürfen. Auslobungen wie „ mit natürlicher Süsse“, „natürlicher Süssstoff“, „mit natürlichen Zutaten gesüsst“ usw. sind nicht zulässig, da die Steviolgyloside unter drastischen physikalischen/chemischen Bedingungen gewonnen werden, wobei gemäss Literatur auch stoffliche Veränderungen auftreten können. Die Steviolglycoside kommen nicht natürlich in Lebensmitteln vor, sondern werden „künstlich“ hinzugefügt. Dauerbrenner „Clean Labelling“ Auf den Begriff „Natürlichkeit“ und dessen schwierige Definition im Zusammenhang mit Lebensmitteln ging auch Michael Gusko, Managing Director bei Kampffmeyer Food Innnovation GmbH, Hamburg, ein. Michael Gusko stellte den Begriff „Natürlichkeit“ in den Kontext des Megatrends „Clean Labelling“. Dabei gilt zuerst einmal festzuhalten, dass es keine gesetzliche Definition von „Clean Labelling“ gibt. Gemeinhin wird darunter fast immer der Verzicht auf den Einsatz von Zusatzstoffen verstanden. Clean Labelling beinhaltet demnach meistens eine Auslobung, die sich auf den Verzicht von Zusatzstoffen oder Zusatzstoffklassen bezieht. Kampffmeyer Food Innovation GmbH hat zum Verständnis der Konsumentinnen und Konsumenten über „Clean Labelling“ im Jahr 2012 eine repräsentative Studie30 veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, dass Natürlichkeit ein entscheidendes Kaufkriterium darstellt und Verbraucher bereit sind, mehr für Produkte mit einem „sauberen“ Etikett zu bezahlen. Für etwa drei Viertel der Befragten besteht ein enger Zusammenhang zwischen „natürlich“ und „gesund“. Inhaltsstoffe und Herstellungsprozesse werden insbesondere dann als natürlich eingestuft, wenn sie den Befragten aus ihrem Alltag bekannt sind31. Im Zusammenhang mit dem Begriff „Natürlichkeit“ erwähnte Michael Gusko zudem den Normungsantrag bei ISO (International Organization for Standardization) zur Definition „natürlicher“ Lebensmittelzutaten. Auf Antrag der SNV (Schweizerischen Normen-Vereinigung) wurde im ISO-Normungskommittee ISO/TC 34 "food products" eine Arbeitsgruppe zur Festlegung von Kriterien und Definitionen für "natürliche" Zutaten für die Getränke- und Nahrungsmittelindustrie gebildet. Das neue Norm-Projekt trägt den Titel "Definition of criteria for a food ingredient to be considered as 'natural' - Guidelines on technical definitions and criteria for natural food ingredients" und befindet sich in der Vorbereitungsphase32. Umweltdeklaration von Produkten Anders Gautschi, Leiter Sektion Konsum und Produkte im Bundesamt für Umwelt (BAFU) konnte aus erster Hand über die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Produktumweltinformationen zu Lebensmitteln“ berichten, da er diese Arbeitsgruppe leitet. Die Arbeitsgruppe steht im Kontext des Aktionsplans des Bundesrates „Grüne Wirtschaft“. Der Bundesrat hat bereits im Oktober 2010 Aufträge zur Grünen Wirtschaft an das BAFU erteilt; am 8. März 2013 wurde dann vom Bundesrat der Aktionsplan Grüne Wirtschaft mit 27 bestehenden und neuen Massnahmen verabschiedet33. Diese sollten insbesondere eine Verbesserung der Ressourceneffizienz von Konsum und Produktion zur Folge haben, heute noch nicht geschlossene Stoffkreisläufe im Bereich Abfälle und Rohstoffe schliessen, das internationale Engagement der Schweiz für die Grüne Wirtschaft verstärken und Ziele festlegen zur effizienten Nutzung natürlicher Ressourcen, zur Messung des Ressourcenverbrauchs sowie zur Berichterstattung. Auch sollte der Dialog mit Stakeholdern geführt und die Bevölkerung informiert und sensibilisiert werden. Im Rahmen dieser Aufträge wurde die genannte Arbeitsgruppe gegründet, die durch Anders Gautschi geleitet wird und sich spezifisch mit dem Thema Umweltdeklaration von Produkten befasst. Die Gruppe kam zum Schluss, dass keine verpflichtende Ökokennzeichnung, sondern freiwillige Deklarationen nach einheitlichen Richtlinien als sinnvoller Weg erscheinen. Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe gliedern sich in grundsätzliche Empfehlungen zur allgemeinen Qualität von Umweltdeklarationen und spezifische Empfehlungen für die Bewertung von Produkten. Die grundsätzlichen Empfehlungen basieren auf folgenden Kriterien: Fokus auf Gesamtbilanz, Aktualität, Verfügbarkeit, Verständlichkeit, Transparenz, Verlässlichkeit, Vergleichbarkeit und Relevanz. In den spezifischen Empfehlungen wird die Ökobilanzierung als die am besten geeignete Methode zur Bewertung der Umweltwirkungen von Produkten empfohlen. Die Empfehlungen enthalten auch Massnahmen für die Kommunikation. Diese soll aus einer Hauptinformation und einer Hintergrundinformation bestehen. Die Hauptinformation unterstützt direkt den Kaufentscheid eines Produktes; sie weist die globale Umweltwirkung aus. Zusätzlich können bis zu drei weitere relevante Umweltauswirkungen aufgezeigt werden. Dabei ist immer die Referenz anzugeben. Hintergrundinformationen sind für interessierte Kreise und Qualitätskontrollen gedacht; sie sollen nicht zwingend auf dem Produkt angegeben werden. Anders Gautschi erläuterte auch entsprechende Aktivitäten auf EU-Ebene („Single Market for Green Products34), wo sich das BAFU mit Projekten beteiligt, sowie den Verlauf der nächsten Schritte. Eine breite Konsultation findet im Frühjahr 2014 statt, danach folgen die Auswertung sowie der Entscheid über das weitere Vorgehen. (Text: ZHAW) Literatur-Fussnoten: siehe www.lsfm.zhaw.ch/medien d | ||||