Food aktuell
Varia
17.6.2014
Wie riskant sind Hormone in Fleisch und Milch?


Fleisch aus den USA kann mit Hormonen produziert worden sein. Ein Hinweis darauf ist obligatorisch, aber falls dies nicht so ist, darf es ausgelobt werden.


Hormonen können natürlicherweise im Fleisch vorkommen aber auch von Hormonpräparaten stammen, die bei Nutztieren angewendet werden. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) informiert über wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Hormone sind chemische Botenstoffe, die innerhalb des Körpers spezifische Signale zur Regulation körpereigener Prozesse übermitteln (griech. hormon = antreibend). Um zu gewährleisten, dass nur Zellen des Zielgewebes spezifisch auf das Signal reagieren, sind diese mit jeweils passenden Rezeptoren ausgestattet, die das Hormon spezifisch binden. Zellen ohne diesen Rezeptor können kein Hormon binden und „ignorieren“ das Signal.

Da Hormone als chemische Botenstoffe vom Körper zur Regulation körpereigener Prozesse gebildet werden, enthält Fleisch, wie zum Beispiel Muskelfleisch oder Leber und Nieren, natürlicherweise Hormone. Bei unkastrierten Schlachttieren können im Vergleich zu kastrierten Tieren höhere Gehalte an Hormonen auftreten. Bei unkastrierten Ebern konnte zum Beispiel Nandrolon als ein natürliches Abbauprodukt des Testosteron-Stoffwechsels in mitunter hohen Konzentrationen in Leber, Niere und Hoden nachgewiesen werden. Im Muskelfleisch hingegen sind die Nandrolongehalte bei kastrierten und unkastrierten Schweinen in etwa vergleichbar.

Fleisch von trächtigen Tieren, sofern es in den Handel gelangt, enthält natürlicherweise höhere Gehalte an bestimmten Hormonen als Fleisch von nicht trächtigen Tieren. Eine weitere Quelle für hormonell wirksame Substanzen, die in Muskelfleisch oder in den verzehrbaren Organen vorkommen können, stellen Schimmelpilzgifte mit östrogener Wirkung (z. B. Zearalenon) dar, die von bestimmten Pilzen gebildet werden und Getreidearten wie Mais, Weizen, Gerste befallen können. Das Fleisch von Nutztieren, die mit Zearalenon kontaminiertes Futter aufnehmen, kann dann möglicherweise zusätzlich geringe Gehalte dieser hormonell wirkenden Substanzen enthalten. Unter Fleisch werden alle verzehrbaren Teile des Schlachtkörpers wie Muskelfleisch oder z. B. Leber verstanden.

Die Gehalte an Progesteron, Testosteron und Östrogen sind in Kuhmilch im Vergleich zu Muskelfleisch oder den verzehrbaren Organen von Schlachttieren oder zu Fisch, Eiern oder vegetarischen Lebensmitteln höher. Ein erheblicher Anteil der von einem Erwachsenen über diese Lebensmittel täglich aufgenommenen Gesamtmenge an Östrogenen (ca. 60 %) und Progesteronen (ca. 80 %) stammt aus Kuhmilch.

Wirken natürliche Hormone anders als synthetische?

In der Regel unterscheiden sich die natürlicherweise vorkommenden und die synthetisch hergestellten Hormone nicht in ihrem Wirkungsmechanismus am Rezeptor. Synthetisch hergestellte Hormone können aber unter Umständen eine andere Wirkstärke aufweisen oder sich in der Aufnahme, Verteilung oder Metabolismus von den vom Körper gebildeten Hormonen unterscheiden. So werden manche synthetische Hormone im Körper langsamer abgebaut, so dass die Verweilzeit im Körper länger sein kann. Auch können Stoffwechselprodukte synthetischer Hormone eine andere Wirkstärke aufweisen als die Ausgangssubstanz oder mit anderen Rezeptoren interagieren und so ein unterschiedliches Aktivitätsspektrum entfalten.

Hormone im Tierfutter

Der Einsatz von Hormonen im Tierfutter ist generell in der Europäischen Union (EU) nicht zulässig. In der Vergangenheit wurden Stoffe mit hormonaler Wirkung zu Mastzwecken (sog. „Fütterungshormone“) eingesetzt, weil sie die Futterverwertung der Tiere verbessern. Der Begriff der Futterverwertung beschreibt, wie viel Kilogramm Futter ein Tier aufnehmen muss, um ein Kilogramm Körpermasse zuzunehmen. Wegen möglicher gesundheitlicher Risiken für den Menschen und aufgrund des veränderten Ethik- und Umweltbewusstseins ist der Einsatz solcher „Fütterungshormone“ in der Tiermast im Jahr 1988 EU-weit verboten worden.

Hormone dürfen in der Nutztierhaltung für tierzüchterische und therapeutische Anwendungen eingesetzt werden. Für den Einsatz in der Nutztierhaltung zugelassene Hormone sind in Tabelle 1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 aufgeführt. Diese Hormone dürfen nur nach bestimmten Vorschriften verwendet werden. Nach der Behandlung müssen die im Zulassungsverfahren festgelegten Wartezeiten eingehalten werden, bis das Tier geschlachtet oder seine Produkte wieder in den Handel gelangen dürfen. Zu den möglichen Anwendungsbereichen von Hormonen bei Nutztieren gehören unter anderem die Zyklussynchronisation, die Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen oder der Abbruch einer unerwünschten Trächtigkeit.

In den Jahren 2008-2012 gab es nur einen Positivbefund im Urin eines Pferdes in Deutschland, wobei das in diesem Fall nachgewiesene Hormon auch natürlicherweise gebildet werden kann. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) berichtet über das Monitoring von Rückständen medizinischer Produkte und anderer Substanzen in Tieren und Lebensmitteln tierischer Herkunft: Im Jahr 2010 wurden 0,19 % (90 von 47.337 Proben) positiv auf die Hormone getestet. Im Jahr 2011 waren aus der gleichen Klasse 0,11 % (53 von 46.378 Proben) positiv.

Risiken beim Verzehr von «Hormonfleisch»

Im Rahmen des Zulassungsverfahrens von Tierarzneimitteln erfolgt eine gesundheitliche Bewertung der Stoffe. Dabei wird eine "akzeptable tägliche Aufnahmemenge“ (ADI-Wert) festgelegt. Der ADI-Wert gibt die Menge eines Stoffes an, die über die gesamte Lebenszeit täglich aufgenommen werden kann, ohne die Gesundheit des Verbrauchers zu gefährden. Auf Grundlage des ADI-Wertes werden sogenannte Rückstandshöchstmengen für bestimmte Lebensmittel festgelegt, die nicht überschritten werden dürfen.

Werden die im Zulassungsverfahren festgelegten Wartezeiten zwischen Hormongabe und Schlachtung der Tiere eingehalten, ist nicht von einer Überschreitung der festgesetzten Rückstandshöchstmengen der eingesetzten Hormone in Lebensmitteln tierischer Herkunft auszugehen und eine gesundheitliche Gefährdung des Verbrauchers praktisch ausgeschlossen. Dies gilt auch für Tierarzneimittel, die bestimmungsgemäss zur Zyklussynchronisation eingesetzt werden.

In der Europäischen Union gilt generell ein Verbot der Verwendung von Hormonen zur Förderung der tierischen Leistungen bzw. des Wachstums in der Tiermast. Allerdings gilt ein solches Verbot nicht in allen Drittländern (wie etwa in den USA). Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat auf Anfrage der Europäischen Kommission im Jahr 2007 einen Bericht über Untersuchungen zur Auswirkung von in Drittländern legal verwendeten Hormonen in der Produktion tierischer Lebensmittel aus Drittländern veröffentlicht. Im Fokus standen u.a. Hormone, die zur Förderung des Wachstums bei Tieren in Drittländern eingesetzt wurden. Die EFSA kommt in diesem Bericht zu dem Ergebnis, dass für eine abschliessende Bewertung gesundheitlicher Risiken, die aus dem Verzehr von Fleisch resultieren könnten, nicht genügend toxikologische Daten bekannt sind.

Die natürlichen Hormonspiegel im Fleisch können schwanken. Im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplans werden regelmässig Proben auf Steroide untersucht. Dabei wird zwischen synthetischen und natürlichen Steroiden unterschieden. In den Jahren 2008 bis 2012 wurden weder Östradiol noch Testosteron in den analysierten Proben nachgewiesen. Auf Basis der in der Literatur verfügbaren Daten zu Steroidhormongehalten in der Muskulatur von trächtigen Tieren ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Aufnahmemengen für Östradiol und Progesteron deutlich unterhalb der täglich akzeptablen Aufnahmemenge liegen.

Hormone in der Milch

Kuhmilch ist ein von Tieren gewonnenes Lebensmittel, welches von Natur aus Hormone enthält. Dazu gehören natürlich vorkommende weibliche Sexualhormone, wie zum Beispiel Progesteron, welches zu den Gelbkörperhormonen gehört, oder Östrogene, auch Follikelhormone genannt. Insgesamt sind die mit Kuhmilch bei üblichem Verzehr aufgenommenen Mengen an Progesteron und Östrogenen im Vergleich zu den ohnehin im Körper des Menschen gebildeten Mengen dieser Hormone vergleichsweise gering. Dies gilt insbesondere für erwachsene Frauen mit natürlicherweise höherer Eigenproduktion an diesen Hormonen.

Der Gehalt an Progesteron in Vollmilch (Fettgehalt 3,5 %) liegt bei etwa 10 Mikrogramm pro Kilogramm Milch. Da Progesteron fettlöslich ist, finden sich bei fettarmer Milch niedrigere Progesteronkonzentrationen, während die Werte bei fettreicheren Produkten wie Butter höher liegen. Zu den natürlichen Östrogenen zählen Östron und insbesondere Östradiol als wichtige Vertreter dieser Gruppe. Für Vollmilch (Fettgehalt 3,5 %) wurden Gesamtgehalte an Östron in Höhe von 0,13 Mikrogramm und von Östradiol unter 0,02 Mikrogramm pro Kilogramm Milch angegeben.

Die Höhe der körpereigenen Produktion an Sexualhormonen bei der milchgebenden Kuh hängt vom Zeitpunkt im Zyklus bzw. der Laktation ab. In einzelnen Proben von Kuhmilch sind dementsprechend die Gehalte an Progesteron und Östrogenen unterschiedlich hoch. Die Betrachtung der Hormongehalte bei verzehrsfertiger Milch bezieht sich auf Sammelmilch, d. h. auf ein Gemisch verschiedener Milchchargen mit unterschiedlichen Hormonkonzentrationen. Das führt u. a. auch dazu, dass die Angaben zu in Milch gemessenen Hormonkonzentrationen in der wissenschaftlichen Literatur streuen können.

Risiken beim Verzehr von Milch aufgrund der Hormongehalte

Bei üblichem Milchverzehr sind unter Berücksichtigung eines Orientierungswertes für den täglichen Verzehr an Milch (einschliesslich Joghurt) von 200-250 g die zu erwartenden aufgenommenen Hormonmengen im Vergleich zur natürlichen Eigensynthese dieser Hormone beim Menschen als sehr gering anzusehen. Zudem werden die Hormone im menschlichen Körper sehr schnell abgebaut (ausgeprägter „First pass“-Effekt der Leber bei peroraler Aufnahme). Die vorliegenden wissenschaftlichen Daten geben gegenwärtig keinen Anlass für die Annahme eines relevanten Gesundheitsrisikos.

Was gilt in der Schweiz?

Massgebend ist die Landwirtschaftliche Deklarationsverordnung (LDV) d.h. die Verordnung über die Deklaration für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus in der Schweiz verbotener Produktion. Hier ein Auszug:

Eingeführte Erzeugnisse und Zubereitungen nach Artikel 1 müssen bei der Abgabe an Endkonsumentinnen und Endkonsumenten gemäss den Artikeln 3-5 deklariert werden, es sei denn, der Verkäufer oder die Verkäuferin könne nachweisen, dass das Erzeugnis oder die Zubereitung nicht aus in der Schweiz verbotener Produktion stammt.

2 Die Abgabe von Erzeugnissen und Zubereitungen in gemeinschaftlichen Einrichtungen wie Gaststätten, Krankenhäusern oder Gemeinschaftsverpflegungsbetrieben ist ebenfalls deklarationspflichtig.

3 Als in der Schweiz verboten gilt:
a.die Produktion von Fleisch nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a unter Verwendung von Hormonen nach Anhang 4 der Tierarzneimittelverordnung vom 18. August 2004 und von Antibiotika oder anderen antimikrobiellen Stoffen nach Artikel 160 Absatz 8 des LwG zur Leistungsförderung;
b. die Produktion von Fleisch von Hauskaninchen nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a, wenn die Anforderungen bezüglich der Haltung von Hauskaninchen nach den Artikeln 7, 10 Absatz 1, 64 und 65 der Tierschutzverordnung vom 23. April 20084 nicht erfüllt sind;
c. die Produktion von Eiern nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, wenn die Anforderungen für die Haltung von Haushühnern nach Anhang 1 Tabelle 9 der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 nicht erfüllt sind.

Fleisch, Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse sind mit einem oder gegebenenfalls beiden der Hinweise «kann mit Hormonen als Leistungsförderer erzeugt worden sein» und «kann mit Antibiotika und/oder anderen antimikrobiellen Leistungsförderern erzeugt worden sein» zu deklarieren.

2 Fleisch, Fleischzubereitungen und Fleischerzeugnisse von Hauskaninchen sind mit dem Hinweis «aus in der Schweiz nicht zugelassener Haltungsform» zu deklarieren. www.admin.ch

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