Food aktuell
Varia
19.8.2014
Verpackungen stressen Senioren



Senioren haben mit Verpackungen Mühe, teilweise mit neuartigen und teilweise mit traditionellen, die viel Kraft zum Öffnen erfordern. Sie leiden unter altersbedingten Handicaps bei Kraft, Tastsinn und Sehfähigkeit. (Foto: TU Chemnitz / Jens Mühlstedt)


Lebensmittelverpackungen sind für viele ältere Menschen nicht nur ein Ärgernis, sondern ein ernstzunehmendes Hindernis. Sie können sie oft nicht, nur teilweise oder nur sehr schwer öffnen. Das liegt daran, dass die Kraft in Händen und Fingern nachlässt, Arthritis die Handgreifkraft verändert, die Finger taub und gefühlsarm sind und die Sehkraft stark nachlässt.

Deckelgläser können kaum geöffnet werden, Aufrisslaschen an Tiefziehschalen (z. B. Verpackungen bei Käse oder Wurst) lassen sich nur schwer fassen, Plastikumhüllungen reissen und der Inhalt fällt heraus. Dosendeckel sind scharfkantig, der Ring zum Öffnen einer Dose reisst ab, Flaschen und Saftverpackungen sind kaum richtig zu fassen und zu öffnen oder der Aufrissfaden ist unsichtbar und nicht zu greifen.



Vakuumierte Produkte stehen besonders in der Kritik bei Senioren. Die Verletzungsgefahr ist gross, wenn bei eingeschweissten Produkten aus Not Hilfsmittel zur Anwendung kommen.


In einer aktuellen EU-Studie wird an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW untersucht, welche Verpackungen von älteren Menschen besonders einfach und leicht zu öffnen sind und welche Anregungen hier die Lebensmittelindustrie aufgreifen kann. Zwar gibt es bereits gute Beispiele für leicht zu öffnende Verpackungen, allerdings besteht auch noch viel Verbesserungspotenzial.

Beispielsweise wären grössere Schraubverschlüsse bei PET-Flaschen sehr hilfreich oder Ring-Pull-Dosen mit grösseren Laschen, Tiefziehschalen mit einem breiteren und von allen Seiten zu bedienenden Öffnungsmechanismus. Auch grössere Aufschriften oder Piktogramme bezüglich Inhaltstoffe, Zubereitung oder Nährwerte wären eine grosse Verbesserung.

Neue Impulse zur Optimierung von Lebensmittelverpackungen erhoffen sich Wissenschaftler auch durch das Prinzip des "design for all". Ziel des "design for all" ist es, Konsumgüter so zu verändern, dass sie von jedermann gleichermassen nutzbar sind. Dass es also keine speziellen "Seniorenverpackungen" gibt. Wenn Lebensmittelverpackungen leichter zu öffnen wären, käme das letztlich allen zugute - älteren wie jüngeren Menschen. (Text: aid)

Auch die Technische Universität Chemnitz erforscht, wie benutzerfreundlich Verpackungen sind. Die Professur Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr. Birgit Spanner-Ulmer führte zu diesem Thema Kundenbefragungen und Nutzertests durch. Fazit: Nur wenige der getesteten Verpackungen konnten von allen Probanden geöffnet werden. Sieben Produkte stellten für über 30 Prozent der Versuchspersonen ein unlösbares Problem dar; allen voran ein Päckchen Hefe, das derart eingeschweisst war, dass es von 78 Prozent der Probanden nicht geöffnet werden konnte.

Die Zeiten, die benötigt wurden, um eine Verpackung zu öffnen, lagen bei der Hälfte der Produkte im Durchschnitt bei über einer halben Minute. Spitzenreiter war auch hierbei die Hefe mit durchschnittlich 40 Sekunden. Einzelne Probanden benötigten zum Öffnen bestimmter Verpackungen bis zu 90 Sekunden. Auch Getränkeverpackungen wurden untersucht. Hier erwies sich neben dem Öffnen auch das Ausgiessen oft als schwierig. Bei manchen Verschlusssystemen verschütteten über 60 Prozent der Versuchspersonen das Getränk.

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