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29.1.2015 GDI-Forscher nennen Konsumtrends Was möchte die Gesellschaft von Morgen eigentlich? Die Trendforschung antwortet: regional und doch global, technisch komplex und einfach romantisch, möglichst bequem und doch am liebsten selbstgemacht. Megatrends entwickeln sich meist unter der Wahrnehmungsschwelle, lösen aber verbalisiert oft ein „Ach ja, stimmt!” beim Zuhörer aus. David Bosshart (Bild), CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI), veranschaulichte am Lobag-Podium in Bern, wie die aktuellen Entwicklungen ein Bild der Zukunft malen können. „Trendforschung, ist das eine Wissenschaft?”, fragte gleich zu Beginn der Veranstaltung der Moderator, Markus Aebi. Die Zukunftsszenarien werden anhand wissenschaftlicher Beobachtungen erstellt, aber nichts sei in Stein gemeisselt, erklärte Bosshart. Science vs. Romance Beim Blick in die Zukunft sieht das GDI vor allem einen Megatrend: „Science vs. Romance“. Wie zu erwarten, werden Technologie und Globalisierung unsere Gesellschaft weiter prägen. Komplexe technologische Softwares werden immer mehr zum unentbehrlichen Hilfsmittel in allen Lebenssituationen. Weil das Komplizierte aber oft schwer verständlich ist, werden wir uns laut Trendforschung dem Überschaubaren und Altbekannten zuwenden. Dieses Heimatgefühl, das wir in einer schwer fassbaren und globalisierten Welt suchen, nennt Bosshart „Romantik“. Alles, was in die Kategorien klein, selbstgemacht, fair oder zugänglich gesteckt werden könne, habe gute Perspektiven. Essen für Leib und Seele Eigentlich eine gute Nachricht für die Schweizer Landwirtschaft, die sich bereits um dieses Image bemüht. Wären da nicht diese Widersprüche. Laut GDI macht die Technologie den Zukunftsmenschen bequem. Durch Internet verwöhnt, möchte er alles sofort und möglichst billig haben. Aber gute Ernährung werde immer ihren Preis haben, betonte Bosshart. Deshalb sollten Produzenten sich seiner Meinung nach bemühen, die Verbindung zwischen gutem Essen und Gesundheit, Vergnügen und Nähe zu betonen. „In der Schweiz ist das Schoggi- und Chäs-Image noch viel zu präsent”, sagt David Bosshart. Für Lebensmittel heisst das konkret: Emotionen wecken. Die Grundsteine sind bereits gelegt. Man denke an Bio, Fairtrade, regionale Labels, Urban Farming und das allseits beliebte Schlagwort Nachhaltigkeit. Faire Arbeitsbedingungen, artgerechte Tierhaltung, der ökologische Fussabdruck - diese Themen sprechen den Konsumenten auf einer emotionalen Ebene an. Essen ist nicht nur eine Energiequelle, sondern wird gesellschaftlich thematisiert. Die Grossen setzen auf Online Grösser, besser, stärker ist also ein Ding der Vergangenheit? Auch wenn der Romantik-Trend grundsätzlich nicht mit Markenprodukten und Lebensmittelkonzernen vereinbar sei, werde es die Grossen und Mächtigen der Lebensmittelbranche auch zukünftig geben, so Bosshart. Gerettet werden sie wieder von der Bequemlichkeit der Konsumenten, denn die Lebensmittelbeschaffung direkt beim Produzenten nimmt oft mehr Zeit in Anspruch als ein Gang zum Supermarkt. Ein sehr grosses Zukunftspotential sieht das GDI im Liefer- und Drive-In-Service der Supermarkt-Ketten. Dank Smartphone kann unterwegs Online bestellt werden und die Produkte werden vor die Haustüre geliefert oder – wohlgemerkt ohne Kostenaufschlag – in einem Abholzentrum direkt in den Kofferraum gelegt. Die zwei grössten Schweizer Verteiler, Migros und Coop, bauen dieses Segment bereits aus und bieten eine immer grössere Auswahl ihrer Produkte auch Online an. Im Vergleich zu Nachbarländern besteht aber noch viel Aufholbedarf: 2014 zählte Frankreich laut dem Konsumentenheft LSA über 3‘000 Abholpunkte, die Schweizer Grossverteiler Coop und Migros verzeichneten insgesamt 6. Diese Zahlen müssten selbstverständlich relativiert werden, die Tendenz mache sich aber trotz Startschwierigkeiten auch in der Schweiz bemerkbar. Supermärkte als Bauern Den „Do-It-Yourself”-Trend nehmen sich auch die Supermärkte zu Herzen. Bereits jetzt gibt es weltweit immer weniger, dafür aber immer grössere Supermärkte. Neben dieser horizontalen Marktkonzentration werden sich Supermärkte zukünftig ebenfalls um eine vertikale Konzentration bemühen, meint David Bosshart. Das heisst eigener Anbau, eigene Verarbeitung, eigene Vermarktung. Vom Hof bis in den Laden wird alles in Eigenregie organisiert. Versorgungsengpässe und Planungsunsicherheiten wegen volatiler Rohstoffmärkte sollen dadurch umgangen und Lebensmittelskandale vermieden werden. Genau wie beim Konzept der Direktvermarktung, wollen die Grossverteiler ein Maximum der Wertschöpfung in ihren Rängen bewahren. Um die Romantik bemühen sie sich dennoch, sei es in der landesnahen Werbung, den Nachhaltigkeitsberichten oder ihrem sozialen Engagement im Rahmen ihrer CSR-Aktivitäten. Wie weiter? Reiten die Trendsetter schon bald auf der nächsten Welle oder ist gute und regionale Ernährung mehr als nur eine Modeerscheinung? Mit absoluter Sicherheit kann das niemand beantworten. Die Zukunft bleibt auch mit Trendforschung ein grosses Rätsel, denn Technologien entwickeln sich sprungweise. Wie Bosshart sagt: „Niemand hat das iPhone kommen sehen.” Personen bleiben aber vermutlich weiterhin individuell und unterscheiden sich in ihren Vorlieben und ihrem Handeln. So könnten die Aussagen der Trendforscher trotz grundlegender Widersprüche zutreffen. Organisiert hat das Podium der Berner Bauernverband Lobag. (Text: LID) | |