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18.3.2015 «Bioniere» in Verarbeitung und Handel
Die Bio-Vermarktung erfolgte zu Beginn zu einem grossen Teil direkt ab Hof. In der Demeter-Bewegung war die Hofverarbeitung zudem von Beginn weg eingebettet in Heim- und Betreuungsangebote, eine Kombination, die sich in erfolgreichen Nischen bis heute erhalten hat. Erschwerend wirkten extrem reglementierte Marktstrukturen, v.a. in der Milchverarbeitung. Hofverarbeitern kam daher eine sehr wichtige Bedeutung zu. Die Direktvermarktung stiess jedoch schon früh an ihre Grenzen. Biolandwirtschafts-Organisationen wie Biofarm engagierten sich schon frühzeitig im Aufbau unabhängiger Vermarktungsstrukturen. Dies war besonders wichtig für Getreide- und weitere Ackerbauprodukte. Auf die Aufbereitung durch Getreidesammelstellen und Mühlen waren immer häufiger auch gewerbliche und industrielle Verarbeitungsbetriebe angewiesen. Eine wichtige Sonderrolle kam der Steiner Mühle – heute Teil der Groupe Minoteries – im Emmental zu, einem Gebiet, das schon früh viele Biobetriebe aufwies. Seit den 50er Jahren spezialisierte sich das Unternehmen auf die Verarbeitung von Biogetreide. Mitte der 90er Jahre wagte Thomas Steiner den Schritt und positionierte sich erfolgreich zu 100% als Bioverarbeiter. Bereits Anfang der 1960er-Jahre verkaufte die Migros Biogemüse der Genossenschaft AVG-Galmiz – Jahrzehnte vor Coop Naturaplan. Möglich wurde dies durch die persönliche Bekanntschaft des Bio-Pioniere Hans Müller und Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler. Unter der Ägide der Nach-Duttweiler-Generation änderte der Grossverteiler jedoch seine Strategie bald wieder. Migros etablierte den Anbaustandard „Integrierte Produktion”, der bis in die 90er-Jahre unter der Eigenmarke M-Sano vermarktet wurde. Der orange Riese setzte damit einen neuen Standard für die heutige konventionelle Landwirtschaft. Wie kommt Bio ins Regal? In den 70er und 80er Jahren entstanden gleichzeitig mit der Verbreitung der Umweltbewegung die ersten Bio- und Drittwelt-Läden. Diese lagen meist in grösseren Orten und Städten. Auf dem Land gab es noch kaum Biokundschaft. Damit stellte sich die entscheidende Frage: Wie kommen die Bioprodukte von A nach B? Die Antworten entstanden aus der konkreten Praxis lokaler Initiativen und Kooperationen. Oft waren es Quereinsteiger, die sich mit viel Engagement, aber anfangs nicht immer gleich viel Know-How an die Lösung der Logistikaufgaben machten. Mit steigender Erfahrung und einem langsam aber stetig wachsenden Biomarkt stieg die Kooperation und Arbeitsteilung. Es entstanden erste regionale Verteilzentren. Aktuell nimmt das Interesse an der lokalen Versorgung wieder zu – „Bio-Regio” ist im Trend.
Die frühen Biogross-Händler unterlagen einem grossen Wandel. Wichtige Akteure wie der Reform-Express verschwanden von der Bildfläche. Über einen längeren Spannungsprozess aus Wettbewerb und Kooperation entstand aus verschiedenen Biogrosshandelsfirmen der für den Biofachhandel wichtigste Schweizer Zulieferer Bio Partner. Alles in Bio? – Woher die Zutaten nehmen? In den „Bionier”-Zeiten der 70er und 80er Jahre standen auch die ersten gewerblichen Bioverarbeiter vor grossen Logistikaufgaben, namentlich die Bäckereien und die Gastronomie. Bei einer Umstellung auf die Bioverarbeitung ist es heute noch kaum sinnvoll, einfach „dasselbe in Bio” anzubieten. Bis in die 90er Jahre war dies aus rein technischen Gründen gar nicht möglich. Getreide und weitere Ackerbauprodukte, Milchprodukte, einige Früchte und Gemüse, waren schon lange in Bioqualität verfügbar. Aber bereits das Angebot an Süssmitteln und Gewürzen war extrem eingeschränkt. Vieles war schlichtweg nicht vorhanden, da sich auch noch keine Nachfrage danach etabliert hatte. Dem Biogrosshandel kam daher schon früh die Rolle zu, verarbeitungstaugliche Sortimente für gewerbliche und immer häufiger industrielle Verarbeiter aufzubauen. Viele der frühen gewerblichen Bioverarbeiter beschafften ihre Rohstoffe mangels Alternativen oder als Teil ihrer Unternehmensphilosophie soweit wie möglich aus lokalen Quellen. Oft fehlten aber die Biobauern als mögliche Partner. Bio aus der Region – heute ist die eine realistischere Strategie, zumal die Biolandwirtschaft in den meisten Landesteilen verankert ist.
Als Coop und weitere Grossverteiler in den 90er Jahren einen Nachfragesog an Biomilchprodukten erzeugten traf dies genau in die Zeit grosser agrarpolitischer Strukturbereinigungen. Für viele ländliche Käsereien etwa in Graubünden und der zuliefernden Milchbauern hiess es daher: „Entweder Bio oder keine Käserei mehr!” Daraus resultierten viele Erfolgsgeschichten und ein langfristiges Zukunftspotential für viele ländliche Gebiete. Die Anfänge waren jedoch oft einschneidend und die lokale Verankerung musst erst aufgebaut werden. Gewerbliche Bioverarbeiter, welche mit Qualität, Menge und Preis mithalten konnten, erhielten dadurch ein interessantes Wachstumspotential – falls sie bereits vorher die dazu erforderlichen Beziehungen zur Biolandwirtschaft aufgebaut hatten und auch diesen einen guten Biopreis garantierten. Einer, der diesen Ansprüchen genügen konnte, war Pius Biedermann. Dank fairem Verhalten gegenüber seinen Partnern in der Biolandwirtschaft hatte er – zeitweise ganz im Gegensatz zur Konkurrenz – immer genügend Biomilch. Know-How und Flexibilität schufen eine grosse Stammkundschaft, vom Grossverteiler über den Biofachhandel bis zu den gewerblichen Verarbeitungsbetrieben. Das Unternehmen Biedermann AG wuchs dadurch in wenigen Jahren von einer kleinen Dorfmolkerei zu einem industriellen Milchverarbeiter, heute das Biokompetenzzentrum des Emmi-Konzerns. Bioniere: Die zweite Generation Die Integration der beiden „Bioniere” Biedermann und Steiner Mühle in grössere Unternehmensgruppen stellt den Erhalt des erarbeiteten Bio-Wissens sicher. Während bei grösseren Unternehmen die Integration in eine Unternehmensgruppe der richtige Weg sein kann, hängt bei gewerblichen Bioverarbeitern meist die Existenz von der erfolgreichen Nachfolgeregelung ab. Eines von vielen erfolgreichen Praxisbeispielen: Bio-Beck Lehmann, seit einigen Jahren unter Leitung der zweiten Familiengeneration.
Bio-Beck Lehmann hat sich als einer der ersten Knospen-Lizenznehmer seit den 80er Jahren von der kleinen thurgauischen Landbäckerei zu einem eigentlichen Bio-KMU entwickelt mit schweizweiter Verbreitung in verschiedensten Vermarktungskanälen. Erhalten geblieben ist die handwerkliche Herstellung, naturnahe Rezepturen weit über die Bioanforderungen hinaus und ein starkes Bewusstsein für die unternehmerische Herkunft. Bio – ein Begriff etabliert sich Im 1972 wurde das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL gegründet, welches nun für die Schweizer Biolandbauforschung eine zentrale Rolle einnimmt. Auch in der Richtlinienentwicklung, für den Aufbau der Biokontrolle und -zertifizierung sowie der Bioberatung hat es wichtige Akzente gesetzt. 1976 begannen die fünf Bioorganisationen Demeter, Biofarm, Bioterra, Progana sowie das FiBL gemeinsame Basisrichtlinien für den Biolandbau zu erarbeiten. 1980 wurden die «Richtlinien für Verkaufsprodukte aus biologischem Anbau» verabschiedet und das damalige Logo des FiBL, die Knospe, als Schutzmarke angemeldet. In diesem Zusammenhang wurde 1981 die Vereinigung schweizerischer biologischer Landbauorganisationen (VSBLO) gegründet. 1997 gab sich diese Dachorganisation der Schweizer Biobauern und Biobäuerinnen den Namen Bio Suisse. Parallel zur Einführung der Schweizer Bioverordnung (1997/ 1998) etablierten sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre unabhängige staatlich anerkannte (akkreditierte) Zertifizierungsstellen, wie die aus der Biobewegung heraus entstandene «bio.inspecta» und «Bio Test Agro» und weitere. (Text: LID / Peter Jossi) | |||||||||||