Varia | ||||
4.6.2015 Lebensmittelrecht globaler Exportmärkte
Die Jubiläumstagung führte die ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandtge Wissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Europa Institut der Universität Zürich durch. Dies, weil die Tagungsleiterin Evelyn Kirchsteiger-Meier, Dozentin und Leiterin der Fachstelle Qualitätsmanagement und Lebensmittelrecht, zusammen mit Dr. Tobias Baumgartner, Vize-Direktor des Europa Instituts, im Juli 2014 das englischsprachige Fachbuch „Global Food Legislation. An Overview“ (Wiley-VCH Verlag) herausgegeben hat. Die Publikation dieses Fachbuches bildete den Hintergrund für die Tagung. Einen Grund für das Tagungsthema stellte auch die Tatsache dar, dass Teilnehmende aus vergangenen Tagungen regelmässig den Wunsch geäussert hatten, das Lebensmittelrecht wichtiger Exportmärkte zu beleuchten. In ihrem Grusswort blickte Prof. Dr. Corinne Gantenbein-Demarchi, Leiterin des Zentrums für Lebensmittelund Ernährungsforschung, auf die vergangenen Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagungen zurück. Sie stellte fest, dass die Tagung der jährliche Treffpunkt der Lebensmittelrecht-Fachleute ist, bei dem man Informationen von qualifizierten Referentinnen und Referenten im Lebensmittelrecht erhält, sich vernetzt und austauscht. Die kontinuierliche Weiterbildung sowie der Austausch in einem lebendigen Netzwerk von Spezialistinnen und Spezialisten sind gerade für das dynamische und sich ständig weiterentwickelnde Fachgebiet des Lebensmittelrechts von zentraler Bedeutung. Zwei Säulen der Schweizer Handelspolitik Der Einstiegsvortrag von Dr. Tim Kränzlein, stellvertretender Leiter Fachbereich Internationale Handelspolitik im Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), beleuchtete die zwei Säulen der Schweizer Aussenhandelspolitik: die multilaterale Schiene (Welthandelsorganisation WTO) und die bilaterale Schiene (Freihandelsabkommen). Was die Freihandelsabkommen betrifft, so hat die Schweiz gegenwärtig 28 Abkommen mit 38 Partnern abgeschlossen. Trotz der Abkommen können jedoch administrative Hürden für exportwillige Firmen bestehen, wie Dr. Kränzlein dies etwa am Beispiel der Milchprodukte-Exporte nach China erläuterte. Für diese Milchprodukte sind erfolgreiche Einzelinspektionen in den interessierten Betrieben durch chinesische Behörden als Voraussetzung für den Export notwendig. Weiter informierte Dr. Kränzlein über die Arbeitsgruppe (AG) Agroexport, welche als Anlaufstelle für Firmen im Zusammenhang mit Exporten von Nahrungsmitteln und Agrarprodukten dient und eine Plattform der Bundesverwaltung und der relevanten Branchenverbände ist (http://www.blw.admin.ch/themen/01344/01347/index.html?lang=de, [27.05.2015]). Globales Lebensmittelrecht vertieft Die nachfolgenden Länderreferate boten den Teilnehmenden eine grundlegende Einführung in das Lebensmittelrecht der ausgewählten Exportmärkte. Die eingeladenen Referentinnen und Referenten, teilweise zugleich Autorinnen und Autoren des entsprechenden Kapitels in der erwähnten Buchpublikation „Global Food Legislation“, vermittelten Informationen zu folgenden Bereichen: • Lebensmittelrechtliche Grundlagen und wichtige Rechtsakte • Zuständige Behörden • Wichtige Regelungsbereiche des jeweiligen Lebensmittelrechts, beispielsweise hinsichtlich Hygiene, Lebensmittelsicherheit, Kennzeichnung, Dokumentation • Allenfalls weitere Aspekte von besonderem Interesse Die Referentinnen und Referenten zu den Länderreferaten waren: • USA: Gary Jay Kushner, Partner, Hogan Lovells US LLP, Washington • Brasilien: Anneliese Moritz, Felsberg Advogados, São Paolo • Russland: Oleg Zhabinski, Rehau Gruppe, Moskau • Japan: Prof. Dr. Moritz Bälz, Goethe-Universität Frankfurt am Main • China: Dr. Juanjuan Sun, Renmin University of China, Beijing Grundsätzlich wurde im Rahmen der Länderreferate auch das Bewusstsein gefördert, dass die Rechtsvorschriften immer im Kontext der Kultur des entsprechenden Landes, des politischen Systems, der Intrastruktur und der zugehörigen Institutionen verstanden werden müssen. Nachfolgend ist eine Auswahl der vorgestellten Regelungsbereiche vergleichend dargestellt: Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit Die Verpflichtung, ein System nach den HACCP-Grundsätzen auszuarbeiten und umzusetzen, ist in den betrachteten Ländern in unterschiedlichem Ausmass vorhanden. In den USA war bis anhin die Anwendung des HACCP-Konzeptes bis auf wenige Ausnahmen1 nicht verpflichtend vorgeschrieben. Mit der Verabschiedung des von Präsident Obama im Januar 2011 unterzeichneten Food Safety Modernization Acts (FSMA)2 wurde ein Gefahrenbeherrschungssystem nach HACCP-Vorbild – genannt HARPC (Hazard Analysis and Risk-Based Preventive Controls) – für alle von der FDA regulierten Betriebe verpflichtend vorgeschrieben. In Brasilien sind HACCP-ähnliche Regelungen in den von der ANVISA (Nationale Behörde der öffentlichen Gesundheit; Agência Nacional de Vigilância Sanitária3) herausgegebenen „allgemein bewährten Herstellungspraktiken“ für einige Produktgruppen enthalten, beispielsweise für Erdnüsse oder Obstkonserven. Für Russland ist eine wichtige Rechtsvorschrift im Zusammenhang mit der Lebensmittelhygiene und -sicherheit der „Beschluss über die Anwendung von Sanitärmassnahmen4“, der allgemeine Vorschriften zum hygienischen Umgang mit Lebensmitteln enthält; HACCP ist indes nicht speziell erwähnt. In Japan kann seit 1995 der sogenannte „comprehensive sanitation management and production process“ durch das MHLW (Ministry of Health, Labor and Welfare5) pro Betrieb genehmigt werden; dies wird als japanische Variante des HACCP bezeichnet (festgehalten in Art. 13 des Food Sanitation Law, FSL6); während in China HACCP nicht verpflichtend vorgeschrieben ist. Die grundlegende Rechtsvorschrift zum Thema Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit bildet das 2009 verabschiedete Food Safety Law of the People’s Republic of China7. Kennzeichnung Was die Kennzeichnung vorverpackter Produkte betrifft, wurden von den Referentinnen und Referenten unter anderem die Pflichtangaben für die betrachteten Länder dargelegt. Diese Pflichtangaben sind: • USA: „Statement of identity“, Nettogewicht, Nährwertangaben, Informationen über den Hersteller („signature line“), Zutatenliste8. Zudem ist erwähnenswert, dass das USDA die Etiketten derjenigen Betriebe, die ihm unterstellt sind, vor der Inverkehrbringung bewilligt. • Brasilien: Artikelbezeichnung nach entsprechender ANVISA-Verordnung, Herkunftsland, Markenzeichen, Nettogewicht, ANVISA-Registrierungsnummer, Name und Anschrift des Herstellers, Liste der Zutaten, Tag der Herstellung, Haltbarkeitsdatum und Chargennummer, Nährwertinformation und gegebenenfalls weitere Informationen (z.B. hinsichtlich GVO)9. • Russland: Zutatenliste, GVO falls zutreffend, Nährwertkennzeichnung, beabsichtigter Zweck, Zubereitungsmethode für Fertiggerichte, Datum und Ort der Herstellung, Gegenanzeigen im Falle bestimmter Erkrankungen10. • Japan: Ein neues Kennzeichnungsrecht ist seit 1. April 2015 in Kraft; es fasst 58 frühere Regelwerke zusammen. Gemäss neuem Recht sind die Pflichtelemente der Kennzeichnung: Bezeichnung des Lebensmittels, Zutaten, Allergene, GVO falls zutreffend, Zusatzstoffe, Füllmenge, Mindesthaltbarkeits-/Verbrauchsdatum, Aufbewahrungshinweise, Herkunftsland/-ort, Angaben zum Hersteller, Vertriebshändler oder Importeur, Nährwertangaben11. • China: Bezeichnung des Lebensmittels, Zutatenliste, Nettogewicht, Adresse und Kontaktinformationen zum Hersteller oder Verteiler, Tag der Herstellung und Mindesthaltbarkeitsdatum, Aufbewahrungshinweise, Lizenznummer des Herstellers, Code des Produkt-Standards12. Rückverfolgbarkeit Eine Verpflichtung zur Rückverfolgbarkeit als Element des Lebensmittelsicherheitssystems, wie sie im schweizerischen und EU-Lebensmittelrecht vorhanden ist („ein Schritt vorwärts – ein Schritt zurück“)13, besteht in den betrachteten Ländern in ähnlicher Weise in China14. In Japan besteht die Verpflichtung zur Rückverfolgbarkeit nur für Rindfleisch und Reisprodukte15; daneben bestehen diverse Rückverfolgbarkeitssysteme auf freiwilliger Basis. Fussnoten: 1 Die Ausnahmen betreffen die von der Food and Drug Administration (FDA) regulierten Betriebe: Hersteller von Fruchtsäften, Meeresfrüchte-Verarbeiter, Hersteller von säurearmen Konserven und Lebensmitteln mit hohem Säuregehalt, sowie alle vom US Departement of Agriculture (USDA) regulierten Betriebe (fleisch- und geflügelverarbeitende Betriebe sowie Betriebe, die verarbeitete Eiprodukte herstellen). 2 Pub. L. No. 111-353. Der FSMA ändert den Federal Food, Drug and Cosmetic Act (FD&C Act) im Bereich der Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit. http://www.fda.gov/Food/GuidanceRegulation/ FSMA/ucm247548.htm [zuletzt abgerufen: 27.05.2015]. 3 http://portal.anvisa.gov.br/wps/portal/ anvisa/anvisa/home [zuletzt abgerufen: 27.05.2015]. 4 Customs Union Resolution ‘‘On application of sanitary measures in the Customs Union’’ (‘‘O primenenii sanitarnych mer v Tamoyhennom soyuze’’) No. 299 of 28 May 2010). 5 http://www.mhlw.go.jp/english/ [zuletzt abgerufen: 27.05.2015]. 6 Nicht offizielle englische Übersetzung des Food Sanitation Law unter http://www.japaneselawtranslation.go.jp/ [zuletzt abgerufen: 27.05.2015], z.B. zu finden mit dem Stichwort „sanitation“. 7 Nicht offizielle englische Übersetzung des Food Safety Law of the People’s Republic of China z.B. unter http://www.fas.usda.gov/gainfiles/ 200903/146327461.pdf [zuletzt abgerufen: 27.05.2015]. 8 Für weitere Informationen, vgl. FDA’s Food Labeling Guide unter http://www.fda.gov/Food/GuidanceRegulation/ GuidanceDocumentsRegulatoryInformation/LabelingNutrition/ucm2006 828.htm [zuletzt abgerufen: 27.05.2015]. 9 Rechtsgrundlage: Art. 31 Brazilian Consumer Code (CDC), Federal Law No. 8.078/1990. 10 Rechtsgrundlage: ‘‘On quality and safety of foodstuffs’’ (‘‘O kachestve i bezopasnosti pishchevykh produktov’’) No. 29- FZ of 2 January 2000 sowie Vorschriften der EAWU( Eurasische Wirtschaftsunion). 11 Rechtsgrundlage: Food Labeling Law and Food Labeling Standard (Kabinettsverordnung Nr. 10/2015). 12 Rechtsgrundlage: General Rules on Labels of prepacked food (GB7718-2011). 13 Vgl. Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1–24); Art. 50 Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV), SR. 817.02. 14 Vgl. Art. 36 und 37 Food Safety Law of the People’s Republic of China. 15 Rechtsgrundlage: Rice Traceability Law and Beef Traceability Law. Ausblick Tagung 2016 Viele Teilnehmende äusserten in ihren Rückmeldungen den Wunsch, das Thema Export in künftigen Veranstaltungen zu vertiefen. Diesem Wunsch kommt die Tagungsleitung bei Gelegenheit gerne nach. Vertiefte Informationen zu den betrachteten Lebensmittelrechtsordnungen können auch im erwähnten Buch „Global Food Legislation“ (Auch als elektronische Kindle-Version) oder im direkten Kontakt mit den Referentinnen und Referenten gewonnen werden. Die 11. Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagung, die im Mai 2016 geplant ist, wird voraussichtlich wieder Themen zum Schweizer und/oder EU-Lebensmittelrecht aufgreifen. (Text: ZHAW) | ||||