Food aktuell
Varia
26.8.2015
Lebensmittelverordnungs-Revision «Largo»

Das Parlament hat am 20. Juni 2014 das neue Lebensmittelgesetz verabschiedet. In der Folge muss das Verordnungsrecht grundlegen überarbeitet und restrukturiert werden. Das gesamte Paket umfasst 4 Verordnungen des Bundesrates, 22 Verordnungen des EDI und 1 Verordnung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Das BLV informiert:

Bisher waren diejenigen Lebensmittel verboten, die nicht im Verordnungsrecht spezifiziert waren, oder sie unterlagen einer Bewilligungspflicht (sog. Positivprinzip). Neu ist es umgekehrt. Alle Lebensmittel sind erlaubt, wenn sie sicher sind und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Die Vorgaben stellen sicher, dass der Gesundheits- und Täuschungsschutz gewährleistet bleiben und ermöglichen unseren Produzenten mehr Innovation.

Das heisst, dass Lebensmittel, die bis anhin einer Bewilligungspflicht unterlagen, nun keine Bewilligung mehr brauchen, sofern sie explizit den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Zum Beispiel benötigt ein Produkt aus Milchfett, das nicht die erforderlichen Fettprozente erreicht, um als Butter zu gelten, keine Bewilligung mehr. Es darf jedoch nach wie vor nicht als Butter bezeichnet werden. Aber es kann ohne Bewilligung mit der vom Produzenten gewählten Bezeichnung auf den Markt gebracht werden. Einzige Verpflichtung ist, dass die Sachbezeichnung nicht täuschend sein darf.

Die Revision des Lebensmittelrechts bringt für die Konsumentinnen und Konsumenten in folgenden Bereichen Verbesserungen:
• Umfassende Information über Lebensmittel, die im Online-Handel bezogen werden;
• Erhöhte Transparenz bei der Angabe des Produktionslandes von Lebensmitteln und der Herkunft von deren Rohstoffen;
• Detailliertere Kennzeichnung der Fischereierzeugnisse (Fanggebiet, Fangmethode und Produktionsart);
• Deklaration der Allergene auch im Offenverkauf;
• Generelle Pflicht zur Nährwertdeklaration;
• Ausdehnung des Täuschungsverbots auf kosmetische Mittel, Gebrauchsgegenstände und Stoffe;
• Verbesserung der Sicherheit kosmetischer Mittel;
• National einheitliche Regelung für Dusch- und Badewasser.

Weiter vorgesehen sind gewisse administrative Erleichterungen für Kleinstunternehmen. Dies betrifft die folgenden Punkte:
• Angemessene Reduktion der Dokumentation über die Selbstkontrolle.
• Vereinfachte Anforderungen an die Selbstkontrolle, die durch die Branchenleitlinien festgelegt werden.
• Die zuständige kantonale Vollzugsbehörde kann im Einzelfall Abweichungen von den allgemeinen Hygienevorschriften zulassen (z.B. für bauliche Anforderungen an Räume, in denen Lebensmittel verarbeitet werden).
• Das HACCP-System (Hazard Analysis and Critical Control Points-System, ein systematischer Weg zur Sicherstellung der Lebensmittelsicherheit) ist in einer dem Sicherheitsrisiko und dem Produktionsumfang angepassten Form anzuwenden.
• Ausnahmen für Kleinstunternehmen, die bei Lebensmitteln, die an Ort und Stelle hergestellt oder direkt an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden, die Nährwerte nicht obligatorisch angeben müssen.

Eine der wichtigsten Neuerungen betrifft die Struktur des Lebensmittelrechts. So sind zahlreiche Verordnungen von dieser Revision betroffen (siehe unten), dies jedoch nicht in erster Linie aus materiellen, sondern vielmehr aus formalen Gründen. Tatsächlich wurden viele Verordnungen lediglich neu strukturiert (Zusammenführung mehrerer Verordnungen oder Aufteilung einer Verordnung in mehrere Teile, die je eine neue Verordnung bilden), womit eine möglichst grosse Harmonisierung mit der Struktur des europäischen Rechts geschaffen wurde.

Zusammenfassung der Änderungen nach Verordnung

1. Verordnung des Bundesrates über die Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände
Die neuen Bestimmungen orientieren sich weitgehend am EU-Recht. Das Parlament ist jedoch bezüglich der Pflicht zur Angabe des Produktionslandes abgewichen und hat eine spezifisch schweizerische Regelung beschlossen: Das Produktionsland ist bei sämtlichen Lebensmitteln zwingend anzugeben. In der EU muss das Produktionsland nur dann angegeben werden, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten ohne diese Angabe getäuscht werden könnten.

2. Verordnung des Bundesrates über den Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung
Die neue Verordnung vereinigt in einem Erlass alle Vollzugsbestimmungen, die bisher in der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung, der Verordnung über den Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung und der Verordnung über die Ausbildung und die Prüfung der mit dem Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung betrauten Personen geregelt war. Die neue Verordnung wurde formal vollständig revidiert, übernimmt jedoch zum grössten Teil die bereits heute geltenden Bestimmungen. Allerdings wurden die Bestimmungen durch ein Kapitel über die verstärkten Kontrollen bei der Einfuhr bestimmter Lebensmittel ergänzt, das einen Teil der in verschiedenen EU-Verordnungen festgelegten Anforderungen übernimmt.

3. Verordnung des Bundesrates über den nationalen Kontrollplan
Diese Verordnung regelt auf Bundesebene die Aufgaben und Zuständigkeiten des nationalen Kontrollplans gemäss Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständegesetz, Landwirtschaftsgesetz, Tierseuchengesetz, Heilmittelgesetz und dem Tierschutzgesetz. Der nationale Kontrollplan umfasst insbesondere die Grundzüge der Bundespolitik im Bereich der Lebensmittelsicherheit sowie die risikobasierte Grundkontrolle der verschiedenen Betriebs- und Produktekategorien zur Förderung der Kohärenz der nationalen Strategien. Die Ausführungsharmonisierung wird durch die Regelung der Grundkontroll-Intervalle der Betriebe verstärkt. Die Verordnung ist ein Steuerungsinstrument des Bundesrates zur Sicherheitskontrolle der Lebensmittelkette.

4. Verordnung des Bundesrates über das Schlachten und die Fleischkontrolle
Diese Verordnung entspricht der bestehenden Verordnung. Änderungen gibt es beim Jagdwild: Die bisherige Unterscheidung nach der Grösse des Betriebs, in dem das Wild weiterbearbeitet wird, soll durch einen risikobasierten Ansatz abgelöst werden.

5. Hygieneverordnung des EDI
Die Verordnung entspricht im Inhalt der bestehenden Verordnung, sie wurde jedoch aufgrund des Hygieneabkommens mit der EU soweit wie möglich mit den Bestimmungen der EU harmonisiert. Inhaltliche Neuerungen betreffen vor allem die Übernahme der EU-Bestimmungen über tiefgefrorene Lebensmittel, die Übernahme des neuen Wertes für die Salmonellen- Untersuchung bei den Schlachttierkörpern der Schweine sowie - in Abweichung zur EU - die Definition eines Prozesshygienekriteriums für Campylobacter bei der Geflügelschlachtung.

6. Lebensmittelinformationsverordnung des EDI
Die Verordnung entspricht im Inhalt der bestehenden Verordnung Sie wurde soweit wie möglich mit dem EU-Recht harmonisiert. Wie bereits heute sind die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben als Teil der Information der Konsumentinnen und Konsumenten in der Lebensmittelinformationsverordnung integriert. Bezüglich der Angabe des Produktionslandes wie auch der Herkunft der Rohstoffe und des Fleisches wurden spezifisch schweizerische Regelungen entwickelt. Bei der Angabe des Produktionslandes ist neu die Angabe EU (oder Südamerika oder Ozeanien) bei verarbeiteten Lebensmitteln zulässig.

Weiter soll in Zukunft die Herkunft der primären, "unverarbeiteten" Zutat, welche einen Anteil am Enderzeugnis von 50% oder mehr hat, angegeben werden müssen. Bei Lebensmitteln mit Fleisch löst bereits ein Anteil von 20% die obligatorische Herkunftsangabe aus. Die Herkunft von "wertgebenden" Zutaten muss obligatorisch angegeben werden (z.B. Heidelbeeren im Heidelbeerjoghurt). Keine obligatorische Angabe ist bei verarbeiteten Zutaten notwendig (z.B. Herkunft des Kakaos in der Schokolade im Schokoladejoghurt). Die freiwillige Angabe ist immer möglich. Auf die Anwendung hormoneller und nicht hormoneller Leistungsförderer soll neu deutlich sichtbar und in leicht lesbarer Schrift im gleichen Sichtfeld wie die Sachbezeichnung hingewiesen werden.

Im Offenverkauf sind die Herkunft von Fleisch und Fisch, die Allergene und die Anwendung von GVO bzw. die Anwendung besonderer technologischer Verfahren wie ionisierende Strahlen sowie die Anwendung hormoneller oder nicht hormoneller Leistungsförderer in jedem Fall schriftlich anzugeben. Alle anderen Informationen müssen wie bereits heute mündlich gemacht werden können. In Verpflegungsbetrieben, Restaurants usw. müssen die Angaben (Herkunft Fleisch/Fisch, Allergene, GVO, ionisierende Strahlen, Leistungsförderer) in geeigneter Form sichtbar gemacht werden, z.B. auf der Speisekarte. Wie in EU-Recht wird die obligatorische Nährwertkennzeichnung eingeführt. Ausnahmen gibt es u.a. für Lebensmittel, die an Ort und Stelle hergestellt oder direkt vom Erzeuger an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden.

Die Verordnung umfasst spezifische Bestimmungen für Nahrungsergänzungsmittel, die im geltenden Recht in der Verordnung über Speziallebensmittel geregelt waren. Neu wird analog zur EU eine Meldepflicht vor dem ersten Inverkehrbringen von neuen Produkten eingeführt, um eine effiziente Überwachung zu ermöglichen. Zudem werden zur Erhöhung des Gesundheitsschutzes in einem neuen Anhang gewisse Pflanzen von der Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln ausgeschlossen.

8. Verordnung des EDI über neuartige Lebensmittel
Aufgrund der neuen Lebensmitteldefinition im Lebensmittelgesetz und der Aufhebung des Positivprinzips wurde analog zur EU eine Bewilligungspflicht für neuartige Lebensmittel eingeführt. Die Verordnung regelt das Verfahren zur Bewilligung solcher Lebensmittel.

9. Verordnung des EDI über Lebensmittel für Personen mit besonderem Ernährungsbedarf
Die aktuelle Speziallebensmittelverordnung wurde vollständig überarbeitet und mit dem EURecht harmonisiert.

10. Verordnung des EDI über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmter anderer Stoffe
Diese Verordnung geht aus der Verordnung über den Zusatz essentieller und physiologisch nützlicher Stoffe zu Lebensmitteln hervor. Neu müssen die Zusätze bioverfügbar sein. Die Möglichkeit der Anreicherung von Speisesalz mit Iod und Fluor aus volksgesundheitlichen Gründen sowie die diesbezüglichen Anpreisungen wurden beibehalten.

11. Verordnung des EDI über Kontaminanten
Die bisherige Fremd- und Inhaltsstoffverordnung wird aufgehoben. Der Inhalt wird auf drei neue Verordnungen verteilt: auf die Verordnung über Höchstgehalte an Pestizidrückständen, auf die Verordnung über Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe sowie auf die Verordnung über Kontaminanten. Die Kontaminantenverordnung orientiert sich am geltenden schweizerischen sowie am EU-Recht. Höchstgehalte, die in der EU nicht geregelt sind, für welche in der Schweiz jedoch ein Grenzwert galt, werden aus Gründen des Gesundheitsschutzes beibehalten.

12. Verordnung des EDI über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Erzeugnissen pflanzlicher und tierischer Herkunft
Diese Verordnung orientiert sich am EU-Recht. Es wird wie in der EU eine Berichtspflicht bezüglich Rückstandssituation eingeführt. Zudem soll das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV wie bereits heute die Kompetenz haben, die Anhänge an die Entwicklung in der EU anzupassen. Das BLV macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, soweit die gesundheitliche Beurteilung dies zulässt.

13. Verordnung des EDI über Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe und von Futtermittelzusatzstoffen in Lebensmitteln tierischer Herkunft
Bis heute waren die Rückstände von Tierarzneimitteln in der Fremd- und Inhaltsstoffverordnung sowie in der Tierarzneimittelverordnung geregelt. Die Zusammenführung der Bestimmungen zu den pharmakologisch wirksamen Stoffen entspricht der Systematik der EU. Es werden Höchstkonzentrationen sowie Referenzwerte für Massnahmen festgelegt.


14. Verordnung des EDI über Zusatzstoffe Die Zusatzstoffverordnung wurde 2013 total revidiert. Kleinere Anpassungen wurden vorgenommen, um mit dem EU-Recht weiterhin harmonisiert zu sein.

15. Verordnung des EDI über Aromen und Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften
Im geltenden Recht sind die Aromen als Zusatzstoffe geregelt. Die Bestimmungen über Aromen sind jedoch über verschiedene Verordnungen verstreut. Mit dem neuen Lebensmittelgesetz fallen Aromen unter die Zutaten und sollen in Angleichung an das EU-Recht in einer eigenen Verordnung geregelt werden. Die zulässigen Aromen werden abschliessend aufgeführt. Eine Ausnahme zur EU bildet nach wie vor die Regelung der Lebensmittel, denen keine Aromen zugesetzt werden dürfen (z.B. Brot).

20. Verordnung des EDI über Materialien und Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen
Der Bewilligungsprozess für rezyklierten Plastik wurde an denjenigen der EU angepasst. Die in der EU erteilten Bewilligungen sollen auch in der Schweiz gelten. Die anderen Bewilligungsverfahren wurden zugunsten der regelmässigen Änderungen der Anhänge aufgegeben.

21. Verordnung des EDI über Aerosolpackungen
Die Verordnung entspricht der bestehenden Verordnung. Einzig die Bewilligungspflicht von Treibmitteln wurde gestrichen.

22. Verordnung des EDI über die Hygiene beim Schlachten
Die Verordnung entspricht der bestehenden Verordnung. Die neuen Bestimmungen bei Jagdwild detaillieren diejenigen der Verordnung über das Schlachten und die Fleischkontrolle.

23. Verordnung des EDI über Lebensmittel pflanzlicher Herkunft, Pilze und Speisesalz
In dieser Verordnung werden die spezifischen Bestimmungen zu den Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft zusammengefasst, die aktuell in verschiedenen Verordnungen aufgeführt sind. Die geltenden Bestimmungen wurden geprüft und an das EU-Recht und den Stand der Entwicklung angepasst.

24. Verordnung des EDI über Lebensmittel tierischer Herkunft
Wie für die Lebensmittel pflanzlicher Herkunft wurden in dieser Verordnung sämtliche Bestimmungen zu Lebensmitteln tierischer Herkunft erfasst. Erstmals sollen bei einer positiven Risikobeurteilung gewisse Insektenarten als Lebensmittel zugelassen werden. Bei den Fischereierzeugnissen werden analog zur EU neue Kennzeichnungselemente (Fanggerät und Produktionsmethode) übernommen.
(Text: BLV, Volltext: www.blv.admin.ch)

PRESSESCHAU

Ganze Lebensmittelbranche opponiert, auch der Vollzug

Für Sie gelesen in der Sonntagszeitung: Bern Seit Dezember müssen die Wirte in der EU auf der Speisekarte deklarieren, welche Zutaten die Menüs enthalten. Nun zieht die Schweiz nach – geht aber weit über diese Regelung hinaus. Dies geht aus einem dicken Paket hervor, das kürzlich in den Briefkästen von Wirtschaftsverbänden, ausgewählten Firmen der Lebensmittelbranche, Kantonen und Parteien landete. In einem Anflug von Selbstironie hat Alain Berset dem Paket den Namen «Projekt Largo» gegeben.

Neu müssen Wirte, Hoteliers, Metzger und Bäcker das Produktionsland von Lebensmitteln und Rohstoffen ausnahmslos auf der Speisekarte oder in der Verkaufstheke angeben. In der EU besteht diese Pflicht nur dann, wenn die Konsumenten ohne diese Angabe getäuscht würden. Zudem muss im Offenverkauf und in Restaurants schriftlich auf Allergene und gentechnisch veränderte Organismen hingewiesen werden. Auch hier geht die EU weniger weit, obwohl Berset sein Paket damit begründete, die Schweiz wolle den Konsumentenschutz jenem in der EU angleichen und Handelshemmnisse abbauen. Die Restaurants und Läden sind ausserdem verpflichtet, den Nährwert der verkauften Lebensmittel anzugeben.

Schon jetzt ist klar, dass die betroffenen Branchen geballte Opposition machen werden. Am meisten stört sie, dass die Schweiz nicht nur das EU-Lebensmittelrecht nachvollzieht, sondern sogar noch schärfere Vorschriften eingebaut hat – den berüchtigten Swiss Finish. «Das ist ein Bürokratiemonster im wahrsten Sinne des Wortes», sagt Andreas Züllig, Präsident von Hotelleriesuisse. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausser ein paar wenigen Spezialisten jemand diese Verordnung lesen wird. Kontrolliert wird es aber auf jeden Fall.»

Praktisch die gesamte Lebensmittelbranche äussert sich ablehnend, darunter der Wirteverband Gastrosuisse, die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz (Migros, Coop, Denner, Manor), die Swiss Retail Federation (Aldi, Landi, Lidl, Spar, Valora, Volg), der Schweizer Verband für Spital-, Heim- und Gemeinschaftsgastronomie, die beiden grössten Personalrestaurantbetreiber SV Group und Compass Group, der Schweizer Fleisch-Fachverband, der Schweizerische Bäcker-Confiseurmeister-Verband und der Verband Veledes, der die freien Detaillisten vertritt.

Die Lebensmittelbranche sagt, die Umsetzung von «Largo» führe zu einem riesigen administrativen und personellen Aufwand und sei verbunden mit grossen Kosten. Ändere beispielsweise ein Wirt seine Menükarte, verbringe er künftig Stunden damit, die Inhaltsstoffe und Nährwerte herauszufinden und neue Speisekarten zu schreiben. Das gehe zulasten der Wettbewerbsfähigkeit – auch im internationalen Umfeld. Vor allem aber sei es gar nicht möglich, die neuen Deklarationsregeln wahrheitsgetreu umzusetzen. Wähle etwa ein Koch spontan ein anderes Gewürz, müsse er die Speisekarte anpassen – in der Theorie.

Das Parlament habe letztes Jahr ein neues Lebensmittelgesetz beschlossen, das akzeptabel sei, sagt Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer. «Aber jetzt hat die Verwaltung eine Verordnung geboren, die viel weiter geht und nicht umsetzbar ist. Sie ist ein Papiertiger.» Gegenüber der Wirtschaft sei das in einer Zeit, in der angesichts der Frankenstärke sogar der Bundesrat von Deregulierung spricht, «eine Frechheit und schlichtweg realitätsfremd», sagt Platzer. Der Bundesrat, das Parlament und die Kantone müssten «die Reissleine ziehen».

Viele Bäcker und Metzger verdienen heute mit dem Verkauf von Mittagsmenüs, Sandwiches, Salaten und Pizzen gutes Geld. Ihre Verbände befürchten, dass sie diese täglich ändernden Angebote wieder aufgeben, wenn sie die Inhaltsstoffe, Nährwerte und Allergene schriftlich dokumentieren müssen. «Für viele, insbesondere die kleinen Betriebe, ist das nicht machbar», sagt Ruedi Hadorn, Direktor des Fleisch-Fachverbandes. Es sei auch für die Konsumenten unattraktiv: «Wir befürchten, dass die Kunden vor lauter Papier in der Fleischtheke die Produkte nur noch ansatzweise beziehungsweise gar nicht mehr sehen.»

Selbst das Allergiezentrum Schweiz ist skeptisch, ob die vorgeschriebene schriftliche Deklaration von Allergenen zum Ziel führt. Die neuen Regeln gaukelten eine «Scheinsicherheit» vor, sagt Geschäftsleiter Georg Schäppi. Denn in Restaurants und Hotels gebe es immer wieder kurzfristige Veränderungen von Rezepten oder Improvisationen am Kochherd. Wenn die Verwaltung nun eine zu starre Vorgabe durchdrücke, werde es garantiert schriftliche Deklarationen geben, die nicht stimmen. Dann lieber eine mündliche, aber korrekte Auskunft, so Schäppi.

Ablehnend äussern sich auch die kantonalen Lebensmittelinspektorate. Sie befürchten einen massiven Mehraufwand, weil sie im Auftrag des Bundes kontrollieren müssen, ob die neuen Regeln überall eingehalten werden. Das verursache den Kantonen hohe Kosten, bringe den Konsumenten aber keinen grossen Mehrwert, sagt der Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin, Präsident des Verbands der Kantonschemiker. «Ich bezweifle, dass das der Durchschnittskonsument will.» Aus seiner Sicht genügt die bisherige Praxis, dass der Gast den Wirt oder den Kellner fragt, wenn er Auskunft über Allergene oder den Inhalt von Speisen haben will.

Uneinig sind die Konsumentenschutzorganisationen. «Über die Tendenz, alles und alle vor allem zu schützen, kann ich nur den Kopf schütteln», sagt Babette Sigg, Präsidentin des Konsumentenforums. «Wo bleiben Eigenverantwortung und gesunder Menschenverstand? Wo bleibt der Genuss?» Die Stiftung für Konsumentenschutz begrüsst hingegen die neuen Vorschriften. Die Kunden hätten zunehmend das Bedürfnis, zu wissen, was sie essen, sagt Geschäftsführerin Sara Stalder. «Viele Gastronomen haben Angst vor dieser Transparenz, weil sie oft mit industriell gefertigten Produkten kochen.»

Genau dies werde mit den Verordnungen gefördert, widerspricht die grösste Personalrestaurant-Anbieterin SV Group. Je frischer, regionaler und saisonaler ein Betrieb koche, desto grösser wäre der administrative Aufwand, sagt Sprecherin Manuela Stockmeyer. «Am wenigsten Aufwand hätte der Koch, der viele ConvenienceProdukte braucht.» (Volltext: www.sonntagszeitung.ch 23.8.2015)

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