Food aktuell
Varia
13.1.2016
Wie entwickeln sich die Märkte?

Der Lebensmittelmarkt ist verschiedenen Foodtrends unterworfen gemäss dem FoodReport 2015 der Trendforscherin Hanni Rützler. In Zukunft gehe es nicht mehr einfach um den Verkauf von Produkten sondern um die Lebensqualität der Kunden. Diese würden vermehrt von erlebnis-, genuss- oder zweckorientierten Essmotiven geleitet. Das alte Paradigma «billiger, schneller, mehr» funktioniert im Hinblick auf endliche Ressourcen, gesättigte Märkte und einer zunehmend aktiven und kritischen Kundschaft nicht mehr". Das ist eine der Kernthesen von Hanni Rützler, Geschäftsführerin futurefoodstudio, Wien (Bild).

Kaufmacht hatte der Verbraucher schon immer. Neu sind die Informations- und Kommunikationsmacht des Verbrauchers und seine aktive Handlungsbereitschaft. Aus Konsumenten werden in Zukunft aktive Prosumenten. Sie verstehen sich als Partner: Kunden, die die Art und Weise ihres persönlichen Konsums bewusst - als Teil ihres Lebensstils - gestalten und beim Erwerb von Waren und bei Inanspruchnahme von Dienstleistungen nicht mehr nur nach dem individuellen Gebrauchswert entscheiden, sondern mehr und mehr auch nach sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien.

Die Trendforschung am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) stellt fest: Der Konsum geht in Richtung «regional und doch global, technisch komplex und einfach romantisch, möglichst bequem und doch am liebsten selbstgemacht». GDI-Chef David Bosshart bringt es auf den Punkt: „Science vs. Romantik“. Komplexe Technologie und Globalisierung würden unsere Gesellschaft weiter prägen. Weil das Komplizierte aber oft schwer verständlich ist, würden wir uns dem Überschaubaren und Altbekannten zuwenden. Dieses Heimatgefühl nennt er Romantik. Alles in den Kategorien «klein, selbstgemacht, fair oder zugänglich» habe gute Perspektiven.

Laut GDI macht die Technologie den Zukunftsmenschen bequem. Durch Internet verwöhnt, möchte er alles sofort und möglichst billig haben. Aber gute Ernährung werde immer ihren Preis haben. Für Anbieter heisst das konkret: Emotionen wecken. Die Grundsteine sind bereits gelegt. Man denke an Bio, Fairtrade, Regionalprodukte, Nachhaltigkeit, Urban Farming, Tierschutz und Tierwohl, der ökologische Fussabdruck - diese Themen mobilisieren Emotionen.

Essen wird immer mehr gesellschaftlich thematisiert. Auch wenn der Romantik-Trend grundsätzlich nicht mit Industrieprodukten vereinbar sei, werde es diese auch zukünftig geben dank der Bequemlichkeit der Konsumenten, denn Käufe direkt beim Bauern kostet meistens zuviel Zeit. Ein grosses Zukunftspotential sieht das GDI im Liefer- und Drive-In-Service der Supermarkt-Ketten. Dank Smartphone kann unterwegs Online bestellt werden und die Produkte werden ins Auto oder nachhause geliefert.

Migros und Coop bauen ihre Webshops aus

Supermärkte würden sich zukünftig noch mehr um eine vertikale Struktur bemühen, meint David Bosshart. Das heisst eigener Anbau, eigene Verarbeitung, eigene Vermarktung. Vom Hof bis in den Laden wird alles in Eigenregie organisiert. Versorgungsengpässe und Planungsunsicherheiten wegen volatiler Rohstoffmärkte sollen dadurch umgangen und Lebensmittelskandale vermieden werden. Genau wie bei der bäuerlichen Direktvermarktung, wollen die Grossverteiler ein Maximum der Wertschöpfung behalten.

Romantik hält auch im Supermarktdesign und Ladenbau Einzug: moderne Läden bieten Showproduktionen, schaffen eine Marktatmosphäre und inszenieren Delikatessen wie in der Gourmetgastronomie. «Retail goes gastro» gilt weiterhin: Der Kunde kann nicht nur einkaufen sondern im Laden immer öfter auch essen oder Gerichte als Takeaway mitnehmen. Handkehrum legt auch das unromantische Onlineshopping stark zu: Im 2014 wuchs Coop@home um 10.8% und die Migrostochter LeShop um 4.4%.

Globale Preise für Lebensmittel fallen weiter

Die globalen Lebensmittelpreise sind 2014 zum dritten Jahr in Folge gesunken, teilte die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) mit. Gemäss dem globale Preisindex für Lebensmittel der FAO sind 2014 die Preise für Getreide, Milch, Öle und Zucker zurück gegangen, während einzig das Fleisch eine Teuerung von 8,1 Prozent durchläuft. Der stärkste Preiszerfall ist beim Getreide zu verzeichnen, welcher gar 12,5 Prozent günstiger wurde. Die FAO erklärt den allgemeinen Preiszerfall mit einer hohen Produktion, vollen Vorratskammern sowie einem starken Dollar und tiefen Ölpreis.

Lebensmittel sind heute im Durchschnitt zu billig und werden hierzulande daher zu wenig wertvoll wahrgenommen, was sich einerseits im hohen Anteil an Foodwaste äussert: Nach Schätzungen des WWF gehen in der Schweiz pro Jahr rund zwei Millionen Tonnen geniessbarer Lebensmittel verloren. Die Schätzungen gehen davon aus, dass 20 % dieser Lebensmittelverluste in der landwirtschaftlichen Produktion anfallen, 30 % in Verarbeitung und Handel und 50 % in den Haushalten und bei Grossverbrauchern. Andererseits geben Schweizer Haushalte gemäss der Haushaltsbudgeterhebung des Bundesamtes für Statistik für Nahrungsmittel und alkoholfreien Getränke nur noch 6.3% aus.

Verpackungsbranche innoviert

Die Verpackungsbranche ist sehr innovativ: moderne Verpackungen schützen den Inhalt nicht nur sondern halten ihn frisch und zeigen seinen Zustand an. Sie haben eine funktionierende Öffnungshilfe und werden aus nachhaltigen Rohstoffen hergestellt. Aber die wirtschaftliche Lage für die schweizerische Verpackungsindustrie bleibt schwierig. Sie sieht sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber, vor allem dem Preisdruck von Kundenseite sowie die Abhängigkeit von anderen Märkten.

Die wirtschaftliche Lage für die schweizerische Verpackungsindustrie bleibt aufgrund verschärfter Bedingungen schwierig. Obwohl die Produktion gemäss dem Schweizerischen Verpackungsinstituts SVI sehr gut ausgelastet ist, kämpft sie mit sinkenden Margen. Da die schweizerische Verpackungswirtschaft stark vom europäischen Markt abhängig ist, reagiert sie sehr volatil auf die wirtschaftlichen Entwicklungen in diesen Ländern. Aber auch von Seiten der schweizerischen Kunden erhöht sich der Preisdruck.

Die Unternehmen müssen sich immer mehr der ausländischen Konkurrenz stellen. Und die Verpackung steht oft im Zentrum von Kritik und falschen Ansichten. Sie wird oftmals „nur“ als Abfall angesehen. Dabei erfüllt die Verpackung zahlreiche Funktionen im Bereich Schutz, Logistik, Marketing und Nachhaltigkeit. Den Nutzen der Verpackung stärker zu kommunizieren und so seine Reputation zu verbessern ist ein weiterer Schwerpunkt des SVI dieses Jahr.

Wirtschaftliche Situation und Prognosen

Zwischen Januar und September 2015 stagnierte das BIP der Schweiz. Die deutliche Wachstumsabkühlung geht massgeblich auf die Frankenaufwertung von Mitte Januar zurück. Dämpfende Effekte hatten ausserdem die schwächere Expansion des Welthandels und die nachlassende Dynamik der Inlandkonjunktur. Angesichts der erwarteten leichten Verbesserung der internationalen Konjunktur geht die Expertengruppe von einer graduellen Beschleunigung des Wirtschaftswachstums der Schweiz von 0,8% im Jahr 2015 auf 1,5% 2016 sowie auf 1,9% 2017 aus. Infolge dieser eher zögerlichen Konjunkturbelebung dürfte allerdings die Arbeitslosenquote vorerst noch weiter von 3,3% 2015 auf 3,6% im Jahresdurchschnitt 2016 ansteigen und erst 2017 wieder auf 3,4% zurückgehen.

Der Preis für Erdöl kennt derzeit die Tendenz nach unten und liegt auf einem Siebenjahre-Rekordtief. Seit Sommer 2014 büsste das Erdöl etwa die Hälfte seines Wertes ein. Für die Schweiz ist der tiefe Ölpreis ein Glücksfall. Der Preiszerfall dürfte das hiesige Wirtschaftswachstum im 2015 um 0,3 bis 0,6 Prozent ankurbeln. Langfristig dürfte der Erdölpreis aber tendenziell wieder steigen. Die Produzentenländer können nicht auf unbestimmte Zeit Geld verlieren.

Anders als z.B. beim Benzin gibt es in der Schweiz keinen einheitlichen Strompreis. Je nach Region oder Kundenkategorie können die Preise teils mehr als 50% auseinanderliegen. Die Stromversorgungs-Sicherheit in der Schweiz ist gut und auch mittelfristig gewährleistet. Die Netzverfügbarkeit erreicht im internationalen Vergleich eine sehr hohe Qualität. Der geplante Ausstieg aus der Kernenergie ist mittel- bis langfristig mit Herausforderungen in Bezug auf die Versorgungssicherheit verbunden.

Biokraftstoffe: Wie geht es nach 2020 weiter?

Kaum ein Sektor in der Energiewende ist so umstritten wie der für Biokraftstoffe. Neben Energieeffizienz und bester Motorentechnik ist der Betrieb mit Ethanol aus Getreide oder Biodiesel aus Raps ein Faktor, Treibhausgase im Transportsektor zu reduzieren. Doch der Anbau von Feldfrüchten, die ausschliesslich oder in Koppelproduktion Grundstoffe für den Motorenbetrieb liefern, steht scheinbar im Widerspruch mit dem Anbau von Feldfrüchten für die menschliche Ernährung. Deshalb konnte der 12. Internationale Fachkongress für Biokraftstoffe im Rahmen der Internationalen Grünen Woche auch keine Lösung für die Branche präsentieren.

Das Modell der "indirekten Landnutzungsänderung" ILUC (indirect landuse change) versucht die Verschiebung des Nahrungsmittelanbaus zu erklären. Faustine Defossez von der Dachorganisation für Umweltorganisationen im Europäischen Umweltbüro kritisiert den Anbau für Biokraftstoffe wegen seiner "Preisunelastizität": Bei steigender Nachfrage steigt direkt auch der Anbau von Monokulturen oder verschiebt Ackerflächen in den Regenwald. Das hat wie in Malaysia soziale Nachteile für die Kleinbauern, die ihr Land verlieren. Land Grabbing ist eines ihrer Schlüsselworte.

Demgegenüber kritisiert Dietrich Klein, Direktor des Bundesverbandes der Deutschen Bioethanolwirtschaft, den Modellcharakter der ILUC. Koppelprodukte wie Raps, der Biodiesel, Futter und Grundnahrungsmittel liefert werden genauso wenig berücksichtigt, wie Anbausysteme mit Zwischenfrüchten. "Bioethanol darf durch ILUC nicht bestraft werden", fasste Klein zusammen. Für kaum eine andere Feldfrucht gebe es so viele Nachhaltigkeitszertifikate wie für Biokraftstoffe. Sie beinhalten auch Umwelt- und soziale Aspekte.

Pekka Pesonen vom europäischen Verband der Bauern- und Genossenschaftsorganisationen COPA-COGECA erinnert an die vielen Fehlschläge der Branche. Landwirte und Unternehmen haben in dezentrale Ölmühlen investiert, bis die Politik die Steuerbegünstigungen aufgehoben hat. Doch das Potenzial für den ländlichen Raum sei gross und bleibe ungenutzt. Denn nur bis zum Jahr 2020 sind verbindliche und reduzierte Substitutionsvorgaben für Biokraftstoffe vorgesehen. Ohne Fortschreibung der Ziele und Förderung seien die EU-Länder auf zu heterogenem Niveau für eine effiziente Biokraftstoffproduktion in Europa.

Was 2021 folgt ist denn auch noch offen. Andreas Pilzecker von der Europäischen Kommission musste erst einmal um Verständnis für die aktuelle Diskussion werben. Ob es noch in diesem Jahr eine Einigung über ILUC geben wird, wagte er nicht zu prognostizieren. Die Positionen zwischen Europaparlament und EU-Rat liegen zu weit auseinander. Nach 2020 sollen mehrere Ziele für den Transportsektor gelten. Der Einsatz von Biokraftstoffen sei möglicherweise nur noch ein Baustein. Im Gespräch ist eine Vorgabe für die Reduzierung der Treibhausabgase für den gesamten Sektor. Damit wäre Faustine Defossez einverstanden, weil das auch den Betrieb mit konventionellen Kraftstoffen einbezieht. (Texte: aid, GDI, futurefoodstudio, SVI, Seco)

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