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31.3.2006 Wie ist «natürlich» bei Lebensmitteln definiert? Wo liegt bei Lebensmitteln die Grenze zwischen naturrein und künstlich? Je nachdem ob man bei Biosuisse, Unilever oder Syngenta fragt, fällt die Antwort wohl unterschiedlich aus. «foodaktuell» hat Tatsachen und Meinungen recherchiert. Eine offizielle sprich gesetzliche Umschreibung der Natürlichkeit gibt es nicht, daher ist die Konsumentenerwartung massgebend. Aber Konsumenten wären überfordert bei der Frage, wo sie zwischen natürlichen und künstlichen Lebensmittel-Zutaten eine Grenze ziehen würden, denn sie entscheiden sich wohl eher emotional, situativ oder vielleicht einseitig. Bei künstlichen Farb- und Süssstoffen oder chemisch gehärteten Fetten wären sich noch alle einig, und unwidersprochen ist «Butter ein Stück Natur», wie die Werbung betont. Aber ist homogenisierte Milch noch ein Naturprodukt? Und pasteurisierte, hochpasteurisierte oder Ultrahoch-pasteurisierte? Auch bei auf 1 Grad gekühlten Produkten ist keine Kontroverse zu befürchten, aber was, wenn die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt? Und bei den Zusatzstoffen gibt es solche aus natürlichen Quellen wie Pektin, welche auch Biosuisse akzeptiert. Aber es gibt auch eindeutig künstliche, die in der Natur nicht vorkommen wie Äthyl-Vanillin oder das Verdickungsmittel Carboxymethyl-Cellulose. Allzu kompromisslos wäre, alle Zusatzstoffe und Schutzgase in Bausch und Bogen als unnatürlich zu verdammen. Dann fiele übrigens auch das synthetisch hergestellte Vitamin C unter die Guillotine sowie Stickstoff, der als Verpackungsgas sinnvollerweise Oxidationen hemmt. Foodaktuell sammelte einige Tatsachen und Meinungen zur Natürlichkeit bei Lebensmitteln: Was sagt das Gesetz? Adrian Kunz (Bild), Spezialist für Lebensmittelrecht beim Bundesamt für Gesundheit: In der Lebensmittelverordnung gibt es keine spezifische Definition für natürliche Lebensmittel. Es gibt auch noch keine Gerichtspraxis dazu. Massgebens für diese Frage ist der allgemeine Artikel über den Täuschungsschutz. Danach dürfen keine Aussagen über ein Produkt gemacht werden, die selbstverständlich sind, d.h. die alle vergleichbaren Produkte ebenfalls aufweisen. So ist es etwa nicht zulässig, wenn eine Firma XY ihre Milch als natürlich bezeichnet, da Milch von allen Molkereien dieselbe Eigenschaft aufweist. Dies wäre eine Täuschung, weil man dem Konsumenten suggeriert, die XY-Milch sei etwas Spezielles. Nur bei den Speiseölen, Mineralwassern und Aromen gibt es eine konkrete Anforderung an die Aussage „natürlich“. Sie bezieht sich auf die Herstellweise und lässt keine chemischen Behandlungen zu. In einer früheren Fassung der Lebensmittelverordnung gab es ein Verbot, ein Produkt als natürlich zu bezeichnen, wenn ihm künstliche Farbstoffe oder chemische Konservierungsmittel zugesetzt wurden. Und das BAG versuchte 1989, die Bezeichnung „natürlich“ zu schützen, indem es folgende Anforderungen stellen wollte: Keine Zusatzstoffe keine zugesetzten Vitamine oder Mineralstoffe keine Raffination keine Rückverdünnung keine Hitzebehandlung keine Gewinnung durch Hormonbehandlung. Dieser Entwurf wurde jedoch auf Eis gelegt, weil er in der Praxis nicht durchsetzbar war. Reto Battaglia, Leiter der SQTS - Swiss Quality Testing Services äussert sich pragmatisch: Es gibt keine unnatürlichen Lebensmittel. Jedes Lebensmittel hat seinen Ursprung in der Natur. Im Gesetz ist ein Lebensmittel definiert als Nahrungs- oder Genussmittel. Nahrungsmittel sind Erzeugnisse, die dem Aufbau oder dem Unterhalt des menschlichen Körpers dienen und nicht als Heilmittel angepriesen werden. Man verändert lediglich aus der Natur gewonnene Lebensmittel mehr oder weniger stark. Das geht vom einfachen Waschen bis zum Vollraffinieren, und auch Kochen verändert ein Lebensmittel. Früher veränderte man Lebensmittel durch die Verarbeitung mit normaler Selbstverständlichkeit. Heute herrscht vielerorts die Meinung, man dürfe an der Natur und den Lebensmitteln nichts mehr ändern. Aber ein ausgesprochenes Nicht-Lebensmittel ist das vollsynthetische, künstliche Fett Olestra, da es vom Körper nicht aufgenommen wird (Bild: Olestra bzw Olean ist bisher nur in den USA zugelassen). Dieses könnte man als "unnatürlich" bezeichnen, da es in der Natur nicht vorkommt. Karl Weisskopf, Pressesprecher von COOP setzt die Latte hoch und verweist auf das Konzept von NATURAplan: Die Anforderungen sind dieselben wie die Richtlinien der Bio Suisse. Bei verarbeiteten Produkten gilt demnach: „Der Verarbeitungsgrad muss so gering wie möglich sein. Dem Stand der Technik entsprechend erfolgt die Verarbeitung nach der schonendsten Methode. Der Einsatz von Lebensmittel-Zusatzstoffen ist mit wenigen Ausnahmen nicht erlaubt.“ Bei Milchprodukten ist beispielsweise das Pasteurisieren und Homogenisieren zugelassen (neu auch Ultrahocherhitzen bzw Sterilisieren). Generell keine Aufnahme im NATURAplan finden etwa Produkte, die mit Gentechnik, Mikrowellen oder Bestrahlung hergestellt werden. Simonetta Sommaruga, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz SKS, bringt auch die Umwelt ins Spiel: Ein natürliches Lebensmittel ist so produziert, dass die Vielfalt der Umwelt langfristig erhalten bleibt. Im Produkt selber muss der ursprüngliche Geschmack, die Konsistenz und der Nährwert erhalten bleiben. Es bietet den vollen Wert und alle Stoffe, die für eine abwechslungsreiche Ernährung nötig sind. Wichtiger als die Natur ist der Gesundheitswert Die Frage mag akademisch sein, wie man ein natürliches Lebensmittel definiert, nur schon weil die Natürlichkeit keine Gesundheitsgarantie darstellt (man denke an giftige Pilze und blausäurehaltige Bittermandeln oder unbekömmliche rohe Bohnen). Aber bei der Beurteilung von Werbeaussagen muss man objektive Kriterien anwenden und Schranken setzen. Und wichtiger ist die Frage nach dem Gesundheitswert. Gibt es gesunde oder ungesunde Lebensmittel? Michael Beer, Leiter der Abteilung Lebensmittelwissenschaft beim Bundesamt für Gesundheit BAG rief kürzlich an einer Medienkonferenz über Fastfood in Erinnerung, dass es keine ungesunden Lebensmittel gebe sondern nur ungesunde Verhaltensweisen. | |