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4.4.2006 Convenience wird exklusiver Die Convenience-Branche umfasst alle Conveniencestufen und fast alle Lebensmittelgattungen vom Gemüse über Fleisch bis zu Backwaren und ist daher sehr vielseitig zusammengesetzt (Bild: bei Gastro-Star). Sie lanciert stetig mehr Spezialitäten als Standardprodukte. Dies dient nicht nur den Kunden sondern auch der Zukunftssicherung der Hersteller selbst. Früher hiesst die Conveniencebranche Konservenindustrie, was darauf hindeutet, dass damals die Haltbarmachung im Vordergrund stand. Später kamen Tiefkühlprodukte hinzu und seit einigen Jahren kühlfrische bzw «Chilled Food» wie beispielsweise im Coop als «Betty Bossi» oder in der Migros als «Anna’s Best» verkauft. Dank der modernen Kühlketten-Logistik hat heute die Frische mehr Priorität als die Haltbarkeit. So liegt es nahe, dass in der Branche stetige Verschiebungen stattfinden: Kühlfrisch-Convenience wächst stark auf bereits mittlerem Niveau, Tiefkühlprodukte wachsen auf hohem Niveau immer noch leicht, dafür verlieren die Steril-Nasskonserven Marktanteile. Bei der Branchenstruktur fällt auf, dass die grossen Hersteller (Hilcona, Frigemo und der Migrosbetrieb Bischofszell Nahrungsmittel BINA) sowohl tief- wie auch hochstufige Convenience herstellen. KMU dagegen operieren eher im Segment der hochstufigen bzw verzehrsfertigen (Bild: Pasteten von Le Patron). Beispiele für mittelgrosse Betriebe sind Le Patron (Orior-Gruppe), Deliciel sowie Pizoler (beide Ospelt-Gruppe), die Frostag Food-Centrum AG, La Pasteria Fattoria AG. Und Beispiele für kleine Hersteller von exklusiven Nischenprodukten: Novena, La Culina und Ceposa. Die Grossbetriebe der Conveniencebranche sind im Branchenverband «Swiss Convenience Food Association SCFA» vereinigt, welche der FIAL angehört (heute gehört auch BINA dazu). Nicht nur Herstell- sondern auch Import-Firmen mischen im Conveniencemarkt kräftig mit. Beispiele: Gmür (Spezialist für TK-Ethno und Spezialitäten, im Bild: Peppersticks ), Barilla (neu auch mit TK-Pasta) und Délifrance (TK-Backwaren). Eine weitere Kategorie sind Schweizer Hersteller, die steigende Mengen von Schwestergesellschaften im Ausland importieren. Dazu gehören Nestlé (Findus, Buitoni) und Unilever (Knorr). Logistische Meisterleistungen Flexibilität sowie logistische Leistungen gehören zu den Stärken der Branche. Spitzenleistungen erbringen beispielsweise national distribuierende Sandwich-Hersteller wie «Hilcona Freshexpress» sowie Panetta, denn viele Sandwiches sind leicht verderbliche Tagesfrischprodukte. Eine Herausforderung dagegen ist die Agrarpolitik AP 2011 des Bundes: Die Schutzzölle von Agroprodukten wie Gemüse und Fleisch werden abgebaut, aber die einheimische Landwirtschaft ist durch ihr Kostenhandicap international bei Massenprodukten nicht wettbewerbsfähig. Und auch den industriellen Betrieben der SCFA fehlt die «Economy of scale», um trotz günstig importierbaren Rohstoffen zu international vergleichbaren Preisen zu produzieren. Die Folge davon - anhand eines Beispiels: Der Pommefrites-Spezialist Kadi wird bei dereinst offenen Grenzen in der Schweiz höchstens noch «hightech-gecoatete» Spezialfrites produzieren. Dafür verlegt sich die Firma auf die Herstellung von Convenience-Ethnofood, wie Marketingleiter Heinz Rutishauser kürzlich an der Igeho demonstrierte (Bild). Dies sind keine austauschbaren Standardprodukte wie Frites, welche Kadi «dannzumal importieren und als Handelsware im Sortiment führen wird», so Rutishauser. Konfitüre gegen Karotten Auch für die fehlende «Economy of Scale» hat die Branche eine Strategie: Einzelne Hersteller, die miteinander im Wettbewerb stehen, kooperieren. Der Sinn davon: Statt mehrere Betriebe, die parallel Konfitüre oder Dosenkarotten in kleinen Mengen herstellen, wird es in Zukunft nur noch einen oder zwei geben, welche dies mit verbesserter Auslastung tun und sich gegenseitig beliefern. Es gibt auch Hersteller, die sich auf die Lohnproduktion konzentrieren. Rezepte und Marken werden dabei nicht tangiert, und der Konsument sieht den Produkten das Geschehen hinter den Kulissen nicht an. Dieser Trend zur Lohnproduktion macht vor allem Sinn, um Überkapazitäten zu vermeiden oder um kapitalintensive Anlagen für Standardconvenience zu amortisieren, etwa Rotationsautoklaven (für Sterilkonserven) oder kryogene Schockfroster (für Fertiggerichte). Premium und Innovation Die Kostensituation erlaubt kaum Exporte von Standardconvenience wie Kartoffelchips oder Pouletnuggets wohl aber von exklusiven Premiumpasta oder Fertigpizzen (Bild: Aldente-Pasta-Herstellung bei Pastinella). Umgekehrt tendieren aber die Schweizer Grossverteiler immer mehr zum Einkauf im Ausland. Auch die Konsumtrends laufen den einheimischen Herstellern oft zuwider: So bevorzugen die Konsumenten immer mehr Früchte- und Gemüsearten, die nicht in der Schweiz angebaut werden können. Das Dilemma ist mit stetiger Innovation im Premiumsegment lösbar und allenfalls mit Patentrechten, damit die Hersteller schwer imitierbare, exklusive Spezialitäten anbieten können. Beispiele: Kartoffelravioli (Bild: von La Culina) und Pasteten (Le Patron). Die Zukunft der Branche liegt daher nach Meinung des SCFA-Geschäftsleiters Beat Hodler in der konsequenten Diversifizierung zu hochstufiger Premium-Convenience. Was sind Convenienceprodukte? Convenienceprodukte sind vorverarbeitete Lebensmittel mit einem Bequemlichkeitsnutzen. Man teilt sie in Stufen ein: Null enspricht Rohprodukten wie ungewaschene Kartoffeln oder ganzen Fischen. Auf der höchsten Stufe 5 stehen verzehrsfertige Produkte wie im Takeaway angebotene. Dazwischen liegen vorgerüstete, pfannenfertige und vorgegarte. Weiterlesen: Lob oder Tadel für Betty Bossi? Convenience-Markt | |