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Varia
13.7.2006
Chancen und Risiken der Nanotechnologie

Die Nanotechnologie steht intensiv in Diskussion und beeinflusst viele Branchen, unter anderem Lebensmittel und Verpackungsmaterialien. Was ist Nantotechnologie und welches sind ihre Chancen und Risiken?


Confiseriewaren und viele andere Lebensmittel können Nanopartikel aus Titandioxid enthalten, beispielsweise als Deckweiss-Farbstoff.

Als Nanopartikel wird ein Verbund von wenigen bis einigen tausend Atomen oder Molekülen bezeichnet. Der Name leitet sich von der Grösse ab, die bei einigen Nanometern (10-9 m) liegt.

Kleine Nanopartikel mit weniger als tausend Atomen werden häufig auch als Cluster bezeichnet. Nanopartikel stellen die Bausteine der Nanotechnologie dar, die als ein systematisches Nutzen der Nanoskaligkeit in technischen Systemen durch Materialien und Effekte mit charakteristischen Grössen kleiner als 100 nm, definiert wird. Die Aufnahme der Nanopartikel kann über Luft, Wasser, Kleider, Haut, Lebensmittel, Arznei oder Kosmetika erfolgen.

Das Potenzial der Nanotechnologie wurde am 31. Mai 2006 im Workshop „Nutzen der Nanotechnologie im Lebensmittel- und Verpackungsbereich“ am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising bei München vorgestellt.

Dabei wurde die Verarbeitung und Funktion nanoskaliger organischer Partikel sowie Nanopartikel als Strukturenelemente in Lebensmitteln beleuchtet. Es wurde zudem aufgezeigt, wie nanoskalige Schichten und Partikel die Eigenschaften von Packstoffen verbessern. Dabei wurde über Silikat-Nanopartikel in Polymeren, über antimikrobiell wirksame Silber-Nanopartikel sowie über industrielle Schichtsysteme und deren Perspektiven berichtet.

Frühwarnung tut not

Im Rahmen der Früherkennung ist es für die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP in Bern von Bedeutung, sich über die Nanotechnologie und ihre möglichen Folgen für die Lebensmittelverarbeitung und die Konsumentinnen und Konsumenten zu orientieren.

Nanopartikel haben schon heute Einzug in viele Bereiche der industriellen Nutzung wie auch die Medizin und Kosmetik gehalten. Neue Technologien können Risiken für die Gesundheit des Menschen und die Umwelt mit sich bringen. Daher gilt es, begleitend zur Technologieentwicklung mögliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu untersuchen.

In verschiedenen Projekten wird daher die Sicherheit von Nanomaterialien erforscht. Mit dem Ziel, neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Umwelt und Gesundheitsauswirkungen von Nanopartikeln zu Tage zu führen und diese einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.

Nanopartikel: die Bausteine der Nanotechnologie

Die Herausforderung der Nanotechnologie ist die Herstellung massgeschneiderter Eigenschaften von Nanopartikeln und nanopartikulärer Systeme, die durch eine gezielte Einstellung der Teilchengrösse erzielt wird. Im Nanobereich treten Änderungen von Materialeigenschaften auf. Nanopartikel haben damit spezielle chemische und physikalische Eigenschaften, die deutlich von denen des Festkörpers abweichen.

Durch die im Vergleich zum Volumen extrem grosse Oberfläche können vermehrt chemische Reaktionen stattfinden. Besonders herauszustreichen ist daher die chemische Reaktivität, die beispielsweise in Katalysatoren sowohl in der technischen Produktion als auch der Abgasreinigung genutzt wird. Härte und Festigkeit nehmen im Nanobereich zu und Schmelzpunkt, Dichte, Prozess- und Sintertemperaturen und Lichtstreuung ab. Partikel, die kleiner als 20 nm sind, können beispielsweise zur Herstellung völlig transparenter Materialien eingesetzt werden.

Nanopartikel sind nicht neu

Die Exposition des Menschen gegenüber Nanopartikeln ist nicht neu. Bei jedem Verbrennungsvorgang und jedem Vulkanausbruch werden ultrafeine Partikel emittiert. Die Synthese von Nanopartikeln im technischen Massstab wird schon seit Jahrzehnten durchgeführt. Mit der zunehmenden Produktion und dem Einsatz von synthetischen Nanopartikeln ist zukünftig auch mit einem vermehrten Eintrag in Boden, Wasser und Luft zu rechnen.

Nanopartikel haben auch Nebenwirkungen, die sehr genau gegenüber den Vorteilen der Materialien abgewogen werden müssen, bevor diese in die Umwelt entlassen werden. Im Verhältnis zu den natürlichen und den nicht gezielt erzeugten Partikeln ist ihr Anteil in der Umwelt derzeit vernachlässigbar klein. Dennoch müssen die mögliche Einwirkung auf lebende Organismen, ihre Aufnahme und der Transport in und durch Zellen hindurch rechtzeitig erforscht werden, um nachteilige Auswirkungen frühzeitig erkennen zu können.

Derzeit sind Langzeiteffekte noch nicht abzuschätzen. Aus berufsbedingten Expositionen sowie epidemiologischen Studien ist jedoch bekannt, dass Stäube entsprechende Erkrankungen hervorrufen können. Jüngste Studien mit Zellen in Kultur und Tieren haben gezeigt, dass es durchaus Zusammenhänge zwischen der Partikelgrösse sowie ihrer Beschaffenheit mit ihren gesundheitlichen Auswirkungen gibt. Nanopartikel erzeugen bei gleicher Masse aufgrund der grösseren Oberfläche stärkere Effekte als grössere Partikel.

Nanotechnologie: eine Querschnittstechnologie

Im Bereich der Nanotechnologie treffen sich Chemie, Physik und Biologie. Sie ist eine typische Querschnittstechnologie, die eine Vielzahl von Branchen beeinflusst. Klassische industrielle Massenwaren mit weitem Einsatzgebiet sind die schon seit langem hergestellten Nanomaterialien, wie beispielsweise Carbon Black (Kohlenstoffpartikel), pyrogene Kieselsäuren, Aluminiumoxide, Titandioxid, Zinkoxid, Eisenoxid oder Siliziumdioxid.

Diese Nanopartikel sind in vielen Anwendungsfeldern wie der Sensorik, Energietechnik, Elektronik, Optik, Chemie, Automobil, Luftfahrt, Energie und auch der Medizin und Kosmetik im Einsatz. Einige Beispiele:

Ein effektiver Sonnenschutz wird durch den Einsatz von Titandioxid-Nanopartikeln (sowie Zinkoxid) als UV-Filter in Sonnenschutzformulierungen und in Textilien gewährleistet.

In der Medizintechnik werden Nanopartikel als Transportmedium für Medikamente eingesetzt, um dies gezielt an ihrer Wirkungsstelle freizusetzen.

Eine antibakterielle Beschichtung auf Basis von Silberpartikeln ermöglicht keimfreie Geräte und Gebrauchsgegenstände.

Durch nanotechnologische Methoden ist es gelungen, rein metallisches Silber in Form feinster Partikel herzustellen. Diese können in Kunststoffe oder flüssige Substanzen, wie z.B. Lacke, eingearbeitet werden oder als Nanoschicht auf z.B. metallische Bauteile aufgebracht werden.

Nanopartikel können in Farben und Lacken wie auch in der Kosmetik für neuartige Farbeffekte oder auch optische Faltenreduzierung sorgen.

Markt der Nanotechnologie

Der Markt der Nanotechnologie nimmt stark zu. Noch besteht jedoch aufgrund der hohen Preise der Nanomaterialien sowie des noch nicht vollständig abzuschätzenden Risikos für Umwelt und Gesundheit des Menschen eine Hemmnis in der breiten Umsetzung und Anwendung. Nach Prognosen wird jedoch im Jahr 2015 fast jede Industriebranche von Nanotechnologie-Anwendungen durchdrungen sein.

Zukünftig könnte die Nanotechnologie einen entscheidenden Beitrag in der Medizin in der Entwicklung neuer Diagnostika und Therapeutika sowie der Verträglichkeit von Medikamenten für die Gesundheit der Gesellschaft leisten.

Seitens der Lebensmittelindustrie besteht ein Interesse an der Optimierung der Barriereeigenschaften von Verpackungen gegenüber der Permeation von qualitätsrelevanten Substanzen, wie Sauerstoff, Wasserdampf, aber auch Aromastoffen und organischer Kontaminanten sowie einer Optimierung der Fixierung der Druckfarbe auf Verpackungen oder in einer Beschichtung der Verpackungsmaschinen mit Silber-Nanopartikel für eine Verbesserung der Reinigung und Hygiene.

Das Ziel der Nanotechnologie sind verbesserte neue Produkte und verbesserte Prozesse, gleichzeitig gilt es jedoch, potenzielle Gefahren für Umwelt und Gesundheit frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, denn die Gesundheit der Konsumenten steht im Vordergrund.

ALP wird sich daher weiter über die Entwicklungen im Bereich der Nanotechnologie, deren Einsatz in der Lebensmittelindustrie, die Relevanz des Einsatzes von Nanopartikeln in Lebensmittelverpackungen oder gar Lebensmitteln selbst sowie über die Ergebnisse von Studien zu Gesundheitsuntersuchungen und Umweltrelevanz informieren.

Text: Brita Rehberger, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 3003 Bern
Erschienen in: Alimenta 2. Jahrgang, Nr. 14 / 11.07.2006
Bild: foodaktuell

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