Food aktuell
Varia
6.9.2006
Wie gut sind Fertigpizzen wirklich?

Vorgebackene Pizzen haben qualitativ stark aufgeholt. Aber wie gut sind sie im Vergleich mit einer Frischpizza vom Pizzaiolo? Kommentar zum Kassensturztest.


Die Industrie bietet stetig mehr Sorten vorgebackener Pizzen an - und einige wurden in den letzten Jahren markant besser – es gibt sogar im Holzofen vorgebackene. Auch gewerbliche Bäckereien verkaufen mit Erfolg teilgebackene Pizzen aus Eigenproduktion. Einer der grössten Schweizer Pizzahersteller ist Hilcona AG, welche im Werk Orbe täglich bis 60’000 Pizzen produziert. Die Firma liefert «sowohl im Detailhandel wie in der Gastronomie mehr Frisch- als TK-Pizzen», so Firmensprecher Markus Weiskopf, «und die frischen legen weiter zu».

Weiskopf ist überzeugt, dass «der Gast der servierten Pizza nicht anmerkt, ob der Koch sie frisch oder gefroren in den Ofen schob». Die tiefgekühlte benötigt zwei Minuten mehr Backzeit, aber auch logistische Aspekte entscheiden, welche Variante für einen Betrieb besser geeignet ist.


Auch bei Hiestand AG bewegen sich die Umsätze «auf hohem und leicht wachsendem Niveau», so Marketingleiter Michael Schai. Doch Hiestand konzentriert sich auf (importierte) TK-Pizzen.

Holzofenpizza aus dem Combisteamer?

Wer keinen Pizza-Steinofen besitzt, backt die Conveniencepizza im Combisteamer. Dieser überträgt zwar die Wärme durch heisse Luft statt Kontakt und Strahlung wie der Steinofen. Trotzdem merkt man nach dem Fertigbacken kaum einen Unterschied. «Der Teig hat beim Vorbacken im Steinofen bereits Farbe und Aroma entwickelt», erklärt Schai. Die Zuständigen von Findus/Buitoni sowie Lusso Foods teilen diese Meinung: Eine Holzofenpizza aus dem Combisteamer muss kein Ettikettenschwindel sein.

Grundsätzlich sind für die Pizzaqualität entscheidend «Herstellweise und Qualität der Zutaten», meint Roman Bernegger von Novena in Ulrichen VS, welche Conveniencepizzen handwerklich herstellt. Und Peter Stähli, Pizzakursleiter der Bäckereifachschule Richemont hält die tiefgekühlten für besser, «weil der Teig nicht gummig wird und keine mikrobiellen Risiken bestehen».


Aber wie nahe kommen Conveniencepizzen an eine Pizzaiolo-Pizza heran? Beide Experten räumen ein, dass «ein Pizzaiolo noch bessere Pizzen machen kann als die Industrie, wenn es ein Profi ist: Die Industrie muss Kompromisse machen».

Schwankende Qualität

Aber nicht alle Pizzaioli sind Profis. «Pizzaioli arbeiten unterschiedlich gut», weiss Stähli, «doch die Streubreite bei Conveniencepizzen ist noch grösser». Dies zeigte ein Test der Sendung Kassensturz am 5.9.2006 sowie einer des Konsummagazins «K-Spezial» bei Pizzen des Detailhandels vor drei Jahren: «Hilcona due gusti kühlfrisch» siegte mit 67 von 100 Punkten, erreichte aber nur die Note «genügend». Zwischen 60 und 63 Punkte erhielten die Marken Carrefour, Betty Bossi, Buitoni und Pasta Farinato. Das Schlusslicht mit 47 Punken bildete die Denner-Pizza, die billigste im Test. «Carrefour» war ein TK-Produkt, alle andern waren Frischprodukte.



Automatische kontinuierliche Pizzaproduktion bei Hilcona in Orbe VD. Täglich bis 60’000 Stück laufen vom Band, um die hohe Nachfrage zu decken.


Die Tester kritisierten «zu wenig Tomatensauce und zu wenig Käse». Dies mag daran liegen, dass die Industrie im Preiskampf des Detailhandels an den Rezepten spart. Auch in der Gastronomie kommen bei Conveniencepizzen Schwankungen vor: Weiskopf, früher selbst Gastronom, appelliert daher an die Köche «die Zubereitungsanleitung auf der Packung einzuhalten».

Selbst-erfüllende Propheten mit der Kamera

Grundsätzlich sind solche Experten-Degustationen im Blindtest mit einer verbal definierten Notenskala und schriftlichen Beurteilungen seriös. Am Paneltest im Kassensturz vom 5.9.2006 nahmen zwar Profis teil, aber sie wussten, dass sie Fertigpizzen degustierten – eine Frischpizza-Eichprobe war nicht dabei (wenigstens hätte ein Pizzakurier teilnehmen sollen). Eine derartige Degustation ist nicht vollständig blind und könnte zu hinunter gestauchten Noten führen, da die Prüfer vielleicht unbemerkt einen Badwill-Abzug machen: Der Mensch ist selten ein wirklich neutrales Messinstrument.

Von Profi-Degustatoren ist zwar zu erwarten, dass sie keine Gefälligkeitsnoten geben (z.B. eine 3 statt eine 4, um den Pizzerien einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen). Aber Laien neigen stark zu Gefälligkeitsantworten und fallen auf Suggestivfragen herein. Wenn das Kassensturzteam den Pizzeriagästen eröffnet, sie hätten soeben eine nicht als solche deklarierte Fertigpizza gegessen und vor laufender Kamera nach der Meinung fragt, wird keiner sich eine Blösse geben oder die Leistungen der Pizzeria schmälern, indem er antwortet «gar nicht schlecht». Selbst wenn es so wäre.

Im Gegenteil: der Gefilmte wird vor den Kassensturz-Zuschauern als Gourmet auftreten wollen und die Fertigpizza im Bausch und Bogen verspotten. Diese Testanlage gleicht der berüchtigten «selbst-erfüllenden Prognose». Ausserdem: was will der Kassensturz eigentlich beweisen? Dass eine Fertigpizza keinem Qualitätsvergleich mit einer Pizzaiolopizza standhält? Die Konsumenten sind sich durchaus bewusst, dass es Klassenunterschiede gibt, die Werbung meistens übertreibt, und dass sie von einer Fertigpizza nicht dasselbe erwarten dürfen.



Ist ein Zweistern-Hotel «schlecht», wenn es nicht so aussieht wie dieses Fünfstern-Hotel? Natürlich nicht: Man darf nicht Klasse mit Qualität verwechseln.


Zum Vergleich: Wenn man ein Zweistern-Hotel testet, führt man auch nicht Gäste, die ein Fünfstern-Hotel buchten in dieses Zweistern-Hotel und lässt sie ein Urteil abgeben. Bei Vergleichen über die Klassengrenze hinweg muss man mit offenen Karten spielen, alle Kriterien erfassen und besonders den Preis.

Auch innerhalb der Fertigpizzen gibt es Klassenunterschiede: eine Holzofenpizza ist höher positioniert als eine M-Budget im Duopack. Hinzu kommen emotionale Kriterien wie die Herstellweise (handwerklich oder industriell) und die Herkunft (vom lokalen Bäcker, aus der Schweiz oder importiert).

Nicht zu vernachlässigen ist bei Economy-Convenience die Anwendungsvielfalt: Konsumenten können ein fades (bzw absichtlich schwach gewürztes) Convenience-Produkt nachwürzen und selbst ausgarnieren. Aber jedes sollte unabhängig vom Preis sensorisch fehlerfrei sein.

Einige teilgebackene Conveniencepizzen im Vergleich

TK = tiefgekühlt, KF = kühlfrisch

Hiestand
TK: Holzofenpizza Margherita 150g
Holzofenpizza Prosciutto: 150g
Steinofenpizza Margherita: 260g

Hilcona
KF: Pizza Gastro Margherita, rechteckig, 900g
Belegpizza Margherita, rund 270g, beide auch TK
TK: Belegpizza rund 300g

Nestlé FoodServices / Buitoni
TK: Pizza im Snackformat (Rotolino, im Bild): mit Schinken oder klassisch. 150g. Vorteile: hohe Warmhaltestabilität (geeignet für Vitrine), einfache Zubereitung: tiefgekühlt schieben, Backzeit 10-12 Minuten.
TK: Pizza Schnitte Margherita, rechteckig, 350g
Pizza Margherita Buitoni, TK, rund, 280g (der Buitonipizzateig ist dünner.)


Lusso Foods / Iglo Bistro
TK: Pizza al forno Margherita rund 350g
Pizza al Forno Prosciutto e Funghi rund 420 g

Novena Frischprodukte
KF: Biopizza Margherita, Prosciutto, Montanara, Dinkel-Vegi-Pizza. Gewicht 310 oder 340g

Weiterlesen:
Kassensturz kritisiert Fertigpizzen
Pizzakonzepte

Copyright http://www.foodaktuell.ch