Food aktuell
Varia
21.9.2006
Allergien: Industrie und Gastronomie gefordert

Nahrungsmittelallergien geben seit einigen Jahren Grund für wachsende Besorgnis. Etwa 4% der Erwachsenen und 8% der Kinder leiden darunter, Tendenz steigend. Weltweit haben die schweren und tödlichen Reaktionen auf Nahrungsmittel zugenommen.

Vortrag von Prof. em. Dr. Brunello Wüthrich (Bild), Facharzt für Allergologie und Dermatologie, Spital Zollikerberg an der Präsentation des Allergie-Gütesiegels von aha! Schweizerisches Zentrum für Allergie, Haut und Asthma am 7.9.2006 in der Zürcher Hotelfachschule Belvoirpark:

Allergien beruhen auf einer überschiessenden spezifischen Immunantwort auf sonst harmlose Substanzen aus der Umwelt (Pollen, Tierschuppen, Pilzsporen, Nahrungsmittel oder Kontaktallergene aus Haushalt, Beruf oder Kosmetika u.a.). Bei erneutem Kontakt mit diesen Substanzen (Allergenen) entstehen die verschiedenen allergischen Manifestationen an Atemwege, Haut, Magen-Darmtrakt oder Kreislauf.

Entsprechend den auslösenden Immunmechanismen werden die Allergien in zwei Gruppen eingeteilt:

1. Sofort-Typ- oder Typ-I-Allergien (sog. Anaphylaxie-Typ) werden durch Immunglobulin E (IgE) vermittelt. Nebst den allergischen Reaktionen auf Insektenstiche oder Medikamente gehören hierzu die so genannten Atopien. Beispiel: Lebensmittelallergien.

2. Spät-Typ- oder Typ-IV-Allergien werden durch Immunzellen (T-Lymphozyten) vermittelt. Das klassische Beispiel hierzu ist das Kontaktekzem.

Allergische Erkrankungen aus dem so genannten atopischen Formenkreis (Atopien), wie Neurodermitis, Heuschnupfen, Asthma oder Nahrungsmittelallergien beruhen auf einer erblichen Veranlagung, werden aber durch Umweltallergene, Umwelt-Schadfaktoren und psychosoziale Faktoren geprägt.

Atopien sind häufig (Tendenz eher steigernd), chronisch oder rezidivierend, verursachen eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität und hohe direkte und indirekte Kosten. Jedes zehnte Kind weist heute Symptome einer atopischen Dermatitis (Neurodermitis) auf. Die atopische Dermatitis des Säuglings prädisponiert jedoch für eine so genannte „atopische Karriere“ (Hinzutreten eines allergischen Asthmas oder eines allergischen Schnupfens, vor allem Heuschnupfens, im Schulalter).

Nahrungsmittelallergien sind seit dem klassischen Altertum bekannt, stellen aber besonders seit einigen Jahren eine Quelle wachsender Besorgnis dar. Mögliche allergische Reaktionen reichen von mildem oralen Allergiesyndrom (OAS) und gastrointestinaler Symptome zu Hautausschlägen (Urtikaria- und Neurodermitis-Schübe) über Asthmaanfälle bis zum anaphylaktischen Schock.

Allergiker werden zahlreicher

Gemäss den verfügbaren Statistiken leiden etwa 4% der Erwachsenen und 8% der Kinder unter Nahrungsmittelallergien, Tendenz steigend. Weltweit haben in den letzten 2 Dekaden die schwerwiegenden, ja tödlich verlaufenden Reaktionen auf Nahrungsmittel zugenommen.

Bei auf Lebensmittel sensibilisierten Personen können schon kleinste Dosen von allergieauslösenden Proteinen allergische Reaktionen auslösen und im Extremfall sogar zum Tod führen. Für die Betroffenen bedeutet dies äusserste Vorsicht gegenüber zu konsumierenden Lebensmitteln, vor allem bei zusammengesetzten Lebensmitteln, bei denen im Moment des Verzehrs keine Klarheit über die Inhaltsstoffe besteht.

In diesem Optimierungsprozess in der Nahrungsmittelallergieproblematik sind alle Beteiligten gefordert: Forschung, Klinik, Lebensmittelbetriebe, Gesetzgeber, Vollzug, unabhängige Organisationen, Betroffene. Hier spielt, neben der klinischen, naturwissenschaftlichen und lebensmitteltechnologischen Forschung und Entwicklung, neben dem gesetzlichen Rahmen und dessen Umsetzung, die Prävention und Information eine entscheidende Rolle.

In der Schweiz und in der Europäischen Union berücksichtigt die Nahrungsmittelgesetzgebung das Problem der Allergiker ziemlich umfassend. Die häufigsten Allergene müssen auf dem Packungsprospekt immer deklariert werden, in der Schweiz seit dem 1. Mai 2004, selbst wenn deren Zugabe unbeabsichtigt ist (z.B. Erdnusssplitter in einem Müesliriegel).


Laut Artikel 23 der Schweizerischen Lebensmittelverordnung ist die Deklaration sämtlicher Zutaten (definiert in Artikel 22) sogar für offen angebotene Lebensmittel in Gaststätten, Krankenhäusern, Kantinen und ähnlichen Institutionen obligatorisch.

Auf die schriftliche Deklaration kann allerdings verzichtet werden, wenn die Information dem Konsumenten in einer anderen Form, zum Beispiel mündlich, vermittelt werden kann. Das heisst, dass das Personal von Gastrobetrieben in der Lage sein sollte, dem Kunden genaue Auskunft über die Zutaten sämtlicher angebotenen Speisen zu geben. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus, deswegen diesen Frühling eine von der aha! unterstützte Kampagne „Offenverkauf und Gastronomie“ lanciert wurde.

Mit dem Ratgeber „Allergene im Offenverkauf“ wurde die Basis für den Umgang der Betriebe mit der Problematik, aber auch für den Vollzug der Artikel seitens der Kantonalen Laboratorien definiert.

Mit dem «aha-Gütesiegel» sollen Produkte kenntlich gemacht werden, die nach Vorgaben produziert und etikettiert wurden, die deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen (d.h. Deklaration von anderen Allergenen Nahungsmitteln, z.B. Lupine, Gewürze, Buchweizen) und die sich bezüglich deren Eigenschaften für allergiebetroffene Personen deutlich von sonst vergleichbaren Produkten unterscheiden (keine Formulierung wie „kann Spuren von.... enthalten.

Mehr Betroffene bei Pollenallergien

Die Pollenallergien haben in den letzten Dekaden in den „Western Countries“ stetig und dramatisch zugenommen: Hatte Ende der dreissiger Jahre nur ca. 1% der Schweizer Bevölkerung Heuschnupfen, leiden nun in den Frühjahrs- und Sommermonaten bis zu 20% der in der Schweiz Lebenden unter pollen-bedingten allergischen Symptomen. Der allergische Schnupfen ist seinerseits ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Bronchialasthmas (sog. Etagenwechsel).

Weiterlesen:
Allergen-Gütesiegel
Allergendeklaration im Offenverkauf

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