Food aktuell
Varia
12.1.2007
Engrosmärkte Teil 1: Besonderheiten und Erfahrunge

Der Engrosmarkt ist zwar kleiner als der Detailhandelsmarkt dafür dynamischer und erlaubt bessere Margen. Die Dynamik stellt allerdings besondere Anforderungen. Einige Hersteller berichten über ihre Erfahrungen in den unterschiedlichen Teilmärkten.



Die Teilmärkte des Detailhandels und des gewerblichen bzw industriellen Engrosgeschäftes unterscheiden sich auch in der Produkt-Gebindegrösse. Bei Speiseöl reicht das Spektrum von Literflaschen (Detailhandel) über Mehrliterflaschen oder Kartons (Gastronomie) und Palettentanks (Bild) bis zu Tankwagen (Industrie).


Sowohl industriellen wie auch gewerblichen Herstellern stehen zwei verschiedene Marktsegmente offen: Detail- und Engros-Kundengruppen. Engros-Kunden können Gastronomen sein sowie gewerbliche oder industrielle Verarbeiter. Und jede Zielgruppe besitzt spezifische Anforderungen.

Die Marktsegmente unterscheiden sich durch unterschiedliche Packungsgrössen: Wer für den Detailhandel produziert, benötigt aufwändige Maschinen für Portionenpackungen und meistens eine grössere Marketingabteilung: Aufbau und Pflege einer Marke ist im B2C-Geschäft (Business to Consumer) aufwändiger als im B2B (Business to Business).

Auch bei Produktgestaltung, Logistik und Marktbearbeitung bestehen wesentliche Unterschiede. Im Detailhandel gerieten die Margen durch den Markteintritt von Aldi noch stärker unter Druck, aber im Engros-Geschäft sind sie oft besser.

Anforderungen des Gastronomiemarktes

Einige Hersteller berichten über ihre Erfahrungen: Sowohl Hero wie der Conveniencehersteller Fredag bestätigen höhere Deckungsbeiträge im Gastrosegment verglichen mit dem Detailhandel, weil Listungskosten und Werbebeiträge tiefer sind. Und die Grossmetzgerei Traitafina nennt als Vorteil den grösseren Abladewert, das einfachere Handling und die günstigere Verpackung, weil diese nicht als Werbeträger genutzt wird.

Ausserdem sind Produktelancierungen einfacher und günstiger gemäss Erfahrung von Hero sowie dem Confiserie-Halbfabrikate-Hersteller Barry Callebaut. Akzeptanztests sind weniger aufwändig und das Time-to-Market (Zeitbedarf von der Planung bis zur Lancierung) ist kürzer: Ein Gastroeinkäufer entscheidet oft selbst oder gemeinsam mit Küchenchefs. Er kann ausserdem flexibler disponieren. Doch die Kundenbindung ist schwieriger, nicht zuletzt, weil die Hersteller-Marke selten auf der Speisekarte steht und somit selten bei den Restaurant-Gästen verankert werden kann.

Der Einkäufer einer Supermarktkette hingegen lässt sich eher mit Resultaten einer professionellen Marktforschung bedienen, denn Endkonsumenten sprechen auf bekannte und stark beworbene Marken an. Dafür gibt der Einkäufer einer Neuheit mehr Zeit, um den Abverkauf zu beobachten. Allerdings verlangt er bei jedem Neuprodukt einen Streichartikel, damit das Sortiment nicht explodiert.

Just in Time-Logistik

Als Nachteile nennt Fredag beim Gastromarkt kleinere Produktionschargen: Dieses Segment ist ohnehin kleiner und ausserdem stärker fragmentiert, etwa in häufige Neuheiten und saisonale Produkte. Bei kühlfrischen Produkten wird mehr Just-in-time-Logistik verlangt, der Produktionsrhythmus ist hoch und die Pufferlagermenge pro Artikel gering.

Bei haltbaren Waren, welche vor allem ab Lager geliefert werden, ist dieser Einfluss geringer. Bei diesen Waren gilt die Faustregel, dass sich Hersteller, Zwischenhandel und Detailhandel die Laufzeit eines Produktes gleichmässig aufteilen. Konkret bei Schokolade von 12 Monaten Haltbarkeit: der Hersteller darf die Waren mit einer Restlaufzeit von acht Monaten liefern. Doch Frischprodukte werden den Engroskunden oft ab Produktion in einem bis zwei Tagen geliefert.

Ein weiterer Nachteil ist bei Bell AG zu hören: Je nach Preis und Aktion wechseln einige Gastroeinkäufer den Lieferanten fast täglich. Ausserdem verlangen grosse Gastrobetriebe manchmal kundenspezifische Rezepte bereits ab zehn oder zwanzig Kilo Bezugsmenge.

Da viele Gastrolieferanten chargenweise oder sogar mit Grossküchenapparaten produzieren, sind kleine Chargen technisch zwar machbar aber nicht unbedingt rentabel. Zwar verlangen auch Grossverteiler oft Exklusivrezepte, Coop beispielsweise für «Betty Bossi», oder Discounter suchen billige «No names». Doch diese Mengen erlauben meistens eine rationelle kontinuierliche Produktionsweise. Bild: Chargenproduktion von Rauchlachs bei Dyhrberg im Steinofen.

Zahlreiche Kleinkunden

Im Gastromarkt ist die Zahl der Kunden gemäss Bell grösser und heterogener als im Detailhandelsmarkt, wo in der Schweiz eine grosse Konzentration herrscht. Und gemäss Hero zeichnet sich der Gastromarkt durch grössere Dynamik und höhere Qualitätsanforderungen aus. Dies gilt vor allem in der öffentlichen Gastronomie, während die Handels- sowie Gemeinschaftsgastronomie preisorientiert einkauft, da auch deren Gäste Tiefpreise erwarten.

Die Marketingkosten sind im Gastromarkt anders strukturiert aber nicht unbedingt geringer: Gemäss Fredag gibt es weniger Listungsgebühren, dafür mehr Price-off und Pomotionskosten. Auch Hero sowie Bell bezeichnen Verkaufsförderung und Aussendienst als wichtige Marketinginstrumente im Gastromarkt.

Das Gastrosegment, oft HORECA genannt (Hotels, Restaurants und Kantinen) kann je nach Kundenstruktur auch gewerbliche Verarbeitungsbetriebe wie Konditoreien oder Metzgereien umfassen. Gewerbe- und Gastrobetriebe unterscheiden sich zunächst einmal zahlenmässig: Den über 50'000 HORECA stehen nur rund 1500 Metzgereien gegenüber sowie 2100 Bäckereien und 320 Confiserien (ohne Filialen).

Bei Bell AG registriert man keinen nennenswerten Unterschied zwischen dem Metzgerei-Fachhandel und dem Detailhandel – beide werden direkt oder über Grossisten beliefert.

Bei Barry Callebaut sind Chargengrösse, Marketingkosten und Margen in beiden Segmenten gleich und eher eine Strategiefrage. Und die Ansprüche an die Belieferung seien fast identisch und würden zum grössten Teil durch den spezialisierten Zwischenhandel (zB Pistor) abgewickelt. Direktlieferungen sind eine Ausnahme, da die Liefergrössen meist zu klein sind. Bei der Belieferung der Konditoreien müssen Rohstoffe mit andern Produkten des betrieblichen Bedarfes wie Reinigungsmittel gebündelt werden können.

Weiterlesen: Engrosmärkte Teil 2: Markenpolitik und Einkauf

Suchbegriffe für diesen Bericht: Engrosmarkt, Gastromarkt

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