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4.12.2007 Veröffentlichung von Hygieneberichten? Im Kanton Zug sollen in nächster Zukunft die Betriebe gesetzlich verpflichtet werden, die Kontrollberichte den Konsumenten zugänglich zu machen.
Dazu Kommentare der Stiftung Konsumentenschutz SKS, eines Betriebsinhabers, eines ehemaligen Lebensmittelinspektors und der foodaktuell-Redaktion: lesen Kommentar des Schweizer Cafetier Verbandes SCV Jeweils bei der Publikation der Jahresberichte der kantonalen Labors machen Negativschlagzeilen in der Presse dem Gastgewerbe zu schaffen. Sogar die seriöse NZZ liess sich am 14.06.07 zu nachstehender Schlagzeile hinreissen: "Wenn Lebensmittelkontrolleure die Türen zu Restaurantküchen aufstossen, haben sie in bis zu 30 Prozent der Fälle etwas zu beanstanden. Die Quote sinkt trotz Kontrollen und Rügen kaum." So entsteht der Eindruck, dass fast ein Drittel aller gastgewerblichen Betriebe unsauber, unhygienisch und geradezu gesundheitsgefährlich sind. Vertieft man sich jedoch in die Berichte der kantonalen Labors, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Im Jahresbericht des kantonalen Laboratoriums Bern wird festgehalten "Die Gesamtbewertung der Lebensmittelsicherheit zeigt, dass zwar 35 % aller Betriebe einzelne Mängel ausweisen, diese Mängel aber nur bei 3 - 5 % aller Betriebe gravierend sind". Im Durchschnitt werden pro kontrollierten Betrieb (wenn überhaupt), drei bis fünf Proben erhoben. Unter dieser Betrachtungsweise sinkt die Quote der beanstandeten Betriebe nochmals beträchtlich und dürfte um die 5 % liegen. Aber sogar diese Quote muss nochmals relativiert werden. Proben können aus nachstehenden Gründen beanstandet werden: a. Fehler in der Anpreisung b. Falsche Deklaration (Zusammensetzung) c. Mikrobiologische Beschaffenheit d. Rückstände und Verunreinigung e. Physikalische Eigenschaft f. Gesundheitsgefährdende Beschaffenheit Die Beanstandungen gemäss lit. c bis f machen im Durchschnitt 85 % der beanstandeten Proben aus. Was wird kontrolliert - und beanstandet Gemäss Art. 1 LMG ist der Zweck und das Ziel der Lebensmittelgesetzgebung: - Schutz der Gesundheit des Konsumenten - Schutz des Konsumenten vor Täuschung - Sicherstellung des hygienischen und einwandfreien Umgangs mit Lebensmittel und Gebrauchsgegenständen Es werden also nicht nur Lebensmittel, sondern auch Gebrauchsgegenstände, die Sauberkeit und Ordnung des Betriebes, der bauliche Zustand, aber auch Arbeitsprozesse, Kontrollaufzeichnungen, Arbeitsanweisungen und die Speise- und Getränkekarten kontrolliert. Die Umsetzung des HACCP-Konzepts ist schriftlich nachzuweisen.
Somit können bereits eine undichte Dichtung an einem Kühlschrank, fehlende Kontrolle der Kühlschranktemperatur-Aufzeichnung, kein schriftlicher Nachweis über die Reinigung der Rahmmaschine, ein herumstehender Besen, eine verbeulte Alu-Pfanne, aber auch nur das Fehlen eines schriftlichen Kontroll-Konzeptes etc. etc. zu Beanstandungen führen. Vor allem Kleinbetriebe mit ein bis zwei Mitarbeitern bekunden verständlicherweise grosse Mühe, diesen administrativen Aufwand erbringen zu können. Gerade bei dieser Art von Beanstandungen kommt immer wieder der Verdacht hoch, dass die Lebensmittelinspektoren eine gewisse Quote von Beanstandungen zwecks Erreichung des Einnahmen-Budgets, aufweisen müssen. Risikobasierte Kontrollen Die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit müssen für alle gleich sein. Kleine und regionale Lebensmittelunternehmen brauchen dafür angepasste Vorkehrungen für sichere Lebensmittel. Diese müssen sich trotz gleicher Sicherheitsziele von den Sicherheitskonzepten für grosse, industrielle Hersteller unterscheiden. Das neue Lebensmittelrecht (Art. 56 des LGV "regelmässige und risikobasierte Kontrollen") ermöglicht eine Flexibilisierung der Vorschriften, aber die Kontrollbehörden nutzen diesen Spielraum nicht. Einzig und allein das Angebot und die vorangegangenen Kontrollen werden für die Beurteilung des Risikos herbeigezogen, nicht aber die Grösse und die Art des Betriebes, was gemäss Gesetz absolut möglich wäre. Veröffentlichung der Kontrollberichte Zwar wird gegenwärtig signalisiert, dass es sich bei der geplanten Veröffentlichung nicht um den Kontrollbericht 1 : 1 handeln wird, sondern um eine Art Zusammenfassung mit einer Notengebung (sehr gut bis ungenügend?). Auch soll die Notengebung die Resultate der vergangenen Jahre berücksichtigen. Dennoch, erachtet der Schweizer Cafetier Verband SCV dieses Vorgehen als einen Rückfall ins Mittelalter und fragt sich, ob tatsächlich der Nutzen für den Konsumenten höher zu bewerten ist als der Datenschutz. Die Veröffentlichung der Kontrollberichte kann den betroffenen Betrieben langfristig einen grossen finanziellen und Image-Schaden zufügen, was in der Regel in keinem Verhältnis zur Beanstandung steht. Es ist eine Verletzung des Prinzips der Verhältnismässigkeit.
Weiter ist es sehr störend, dass die Produktion nur von örtlich ansässigen Betrieben kontrolliert und an den Pranger gestellt würden. Grossfirmen mit dezentralen und/oder ausserkantonalen Produktionen müssen an den Verkaufsstellen die Kontrollberichte nicht aufhängen. Einmal mehr, werden die ortansässigen und meist kleinen Betriebe benachteiligt. Stellungnahme des Cafetierverbandes zur geplanten Veröffentlichung von Hygieneinspektionsberichten Rund 95 % aller Betriebe arbeiten sauber und einwandfrei. Viele Beanstandungen sind Bagatellen, oft auch nur im administrativen Bereich; festgestellte Mängel können in vielen Fällen noch während der Inspektion oder innerhalb kurzer Zeit behoben werden. Die Kontrollbehörden nutzen gesetzliche Freiräume nicht. Der Schweizer Cafetier Verband verurteilt klar die Widerhandlungen gegen die Hygienevorschriften, aber die Relationen sollten bewahrt werden. Mehr gesunder Menschenverstand wäre besser als immer mehr Bürokratie. Die buchstabengetreuen Kontrollen werden mittel- und langfristig Existenzen vernichten und die weitere Verbreitung von Convenience Food beschleunigen. Industrielle Betriebe werden grundsätzlich nach denselben Massstäben wie ein Kleinstbetrieb kontrolliert, was sicherlich auch auf die neu vorgeschriebene Zertifizierung der Kontrollbehörde zurückzuführen ist, da scheinbar nur noch nach Schema "F" kontrolliert wird. Die lebensmittelverarbeitenden Einzelunternehmungen sind eindeutig im Nachteil; die gleich langen Spiesse entpuppen sich als schwache, kurze Lanzen. Die reisserische Interpretation der Jahresberichte durch die Medien schadet dem Gastgewerbe, Und die Konsumentenstiftungen werden in einigen Jahren feststellen müssen, dass sie mit ihren Forderungen nach immer mehr Deklarationen und Kontrollen ein Eigengoal geschossen haben. SCV-Pressekonferenz. Von links: Johanna Bartholdi, Geschäftsführerin SCV. Hans-Peter Oettli, Zentralpräsident SCV. Carmen Wanner, GL-Mitglied und Präsidentin Zürcher Cafetierverband ZCV (Bild: David Meili) Johanna Bartholdi, Geschäftsführerin SCV fordert: Art. 15, Abs. 4 LMG sieht vor, dass der Bundesrat durch Verordnung Ausbildungsanforderungen im Bereich Hygiene festlegen kann. Diese Kann-Formulierung ist in eine Muss- Formulierung umzuwandeln. Leider spricht sich das BAG gegen eine solche Änderung aus. Diese Haltung des BAG ist unverständlich, gerade auch in Hinblick auf sein forsches Vorgehen beim Passivrauchschutz. Offenbar ist dem BAG der Magen weniger wichtig als die Lunge. Text: SCV. Bilder und Bildlegenden: foodaktuell.ch Weiterlesen: Hygienesünder anprangern? Einige Kommentare | ||||||||||