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14.12.2007 Bewertet Nutrient Profiling Käse als ungesund? Nutrient Profiling, eine moderne Nährwert-Deklarationsweise, bewertet den Einfluss von Lebensmitteln auf die Gesundheit statt Nährwerte nur in Gramm pro 100 Gramm anzugeben.
Bis heute gibt es kein vernünftiges System für die Nährwert-Deklaration und es sind schwer nachvollziehbare Ergebnisse zu erwarten, welche die Verunsicherung bei den Konsumentinnen und Konsumenten noch vergrössern werden. Trotzdem wird Nutrient Profiling mit grosser Wahrscheinlichkeit in vielen Ländern eingeführt. Dieses System kann sich sehr stark auf die Kaufanreize für Milch und Milchprodukte auswirken, da die meisten heute bekannten Systeme dazuführen, dass nur wenige Produkte als empfehlenswert eingestuft werden. Nutrient Profiling soll KonsumentInnen in der Auswahl der Lebensmittel für eine ausgewogene Ernährung unterstützen und verhindern, dass mit „ungesunden“ Lebensmitteln irreführende Gesundheitsanpreisungen gemacht werden. Das bekannteste System ist das Ampelsystem, in welchem die Lebensmittel in empfehlenswert (grün), bedingt empfehlenswert (orange) und nicht empfehlenswert (rot) unterteilt werden. Der diesjährige World Dairy Summit der International Dairy Federation (IDF) in Dublin hat klar gezeigt, dass Nutrient Profiling in vielen Ländern eingeführt wird. Nächstes Jahr werden Neuseeland und Australien den Anfang machen und auch in der EU und den USA sind die Weichen bereits gestellt worden, indem ein positiver Befund beim Nutrient Profiling eine zwingende Voraussetzung ist, damit für ein Lebensmittel eine Gesundheitsanpreisung (Health Claim) gemacht werden kann. Schweiz muss EU-Recht nachvollziehen Die Schweiz wird auch hier das EU-Recht nachvollziehen müssen. Die treibenden Kräfte bei diesem Prozess sind die Konsumentenorganisationen und die Politik. Die Wissenschaft ist allgemein sehr kritisch eingestellt, weil es bis heute kein vernünftiges System gibt und schwer nachvollziehbare Ergebnisse zu erwarten sind, welche die Verunsicherung bei den Konsumentinnen und Konsumenten noch vergrössern wird. So ist beispielsweise nach allen gängigen Profiling-Systemen die Muttermilch ein ungesundes Lebensmittel. Umgekehrt werden Gummibärchen je nach System als gesund eingestuft, da sie reich an Proteinen (Gelatine) sind und kein Fett enthalten. Nutrient Profiling widerspricht auch dem Grundsatz, wonach es keine ungesunden oder schlechten Lebensmittel gibt, sondern alleine die Menge, welche davon gegessen wird, massgebend ist. Die heute vor allem von privaten Anbietern angewandten Systeme stützen sich stark an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wonach wir zu viel, zu fett (gesättigtes Fett), zu süss und zu salzig essen. Entsprechend werden diese 4 Kriterien mit Negativpunkten bewertet. Bei einzelnen Systemen fliessen beschränkt auch positive Punkte (z.B. Protein, Kalzium, Eisen) in die Wertung ein. Die Gesamtsumme der negativen und positiven Punkte ist dann das Ergebnis vom Nutrient Profiling und bestimmt, in welche Kategorie ein Lebensmittel eingeteilt wird. Nutrient Profiling kann sich sehr stark auf Milch und Milchprodukte auswirken, da die meisten heute bekannten Systeme dazuführen, dass nur fettreduzierte Milch, künstlich gesüsste fettreduzierte Sauermilchprodukte und fettarme Frisch- und Weichkäse als empfehlenswert eingestuft werden und damit auch einen Health Claim tragen können.
Alle anderen Milchprodukte würden in einer Reihe stehen mit Junk Food, weil die Energiedichte nicht in Relation zur Nährstoffdichte gestellt wird und zudem positive Eigenschaften massiv weniger gewichtet werden. Dem Käse kann speziell zum Verhängnis werden, dass die Angaben häufig auf 100 g bezogen werden. Eine der wichtigsten Kalzium-Quellen in unserer Ernährung würde damit als ungesund eingestuft und es dürfte bei der Werbung nicht mehr darauf hingewiesen werden. Das Standing Committee Nutrition & Health der IDF hat in Dublin ein Positionspapier mit 13 Prinzipien verabschiedet: So soll ein Profiling-System wissenschaftlich fundiert sein, Produktinnovationen zulassen und positive wie negative Effekte von Nährstoffen berücksichtigen. Bei den Milchprodukten ist speziell von Bedeutung wie die Transfettsäuren definiert werden, wie die Lactose betrachtet wird und dass die Energiedichte in Relation zur Nährstoffdichte gesetzt wird. Auch die gesättigten Fettsäuren sind bezüglich ihrer physiologischen Wirkung keine homogene Gruppe. Zudem sollten die Angaben unbedingt auf die Portionengrösse bezogen werden. Wenn das Profiling-System dies nicht berücksichtigt, sind nicht nachvollziehbare Bewertungen absehbar, welche im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. In Anbetracht der grossen Bedeutung wird die IDF das Positionspapier den Nationalkomitees noch zur Vernehmlassung unterbreiten. Anschliessend sollen die Anliegen in die verschiedenen Gremien, welche sich mit Nutrient Profiling befassen, eingebracht werden. Das Nutrient Profiling kann auch bei anderen Lebensmitteln zu einer falschen Bewertung führen, wie z.B. bei hochwertigen pflanzlichen Ölen. Es müssen deshalb für bestimmte, von der Wissenschaft allgemein als gesund anerkannte Lebensmittel unbedingt angepasste Massstäbe definiert werden. Text: Hans-Peter Bachmann und Barbara Walther von der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Bern. Bild: foodaktuell Weiterlesen: Coop deklariert neuerdings Nährwertprofile | |||||||