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16.12.2007 Gourmetmesse Più Gusto in Lugano 2007: Rückblick
In der Deutschweiz nicht aktiv beworben und von der Fachpresse nahezu unbeachtet fand im Centro Esposizioni Lugano am ersten Dezemberwochenende die Publikumsmesse Fiera Internazionale del Gusto unter dem Motto „Piu Gusto“ statt. Noch bis vor wenigen Wochen wurde die auf drei Tage angesetzte Veranstaltung als „Il Salone del Gusto“ angekündigt. Wegen der Verwechsungsgefahr mit dem seit Jahren von Slow Food durchgeführten und international etablierten Salone in Turin musste kurzfristig ein neuer Name gewählt werden. Das Versprechen nach dem "Mehr" an gutem Geschmack wurde mit der ersten Auflage nur teilweise erfüllt. Von den rund 400 Ausstellern präsentierten etwa sechzig Prozent Wein und Olivenöl. Stark vertreten waren ferner Teigwaren, Würste und Konfekt. Rund achtzig Prozent der Aussteller kamen aus Italien, viele von ihnen hatten Gemeinschaftsstände von einzelnen Tourismusdestinationen wie Sardinien, Kalabrien und Apulien. Für den Gourmettourismus warben traditionsreiche Städte wie Siena, Ferrara, Florenz und Palermo.
Die Messe selbst wurde durch die Wirtschafts- und Tourismusförderung der grenzüberschreitenden Region Insubrica getragen. Dieser gehören neben dem Tessin die angrenzenden lombardischen Provinzen Como, Lecco und Varese an. Nicht wenige Aussteller erwarteten unter der Bezeichnung Fiera eine Fachmesse und nahmen nur Warenmuster für Degustationen mit statt genügend Produkte zum Verkauf an die Messebesucher. Die wenigen Schweizer Aussteller sind rasch aufgezählt. Die kleine Gemeinde Novazzano präsentierte auf einem eigenen Stand Merlot, Grappa und Honig. Ihr Angebot unterschied sich nicht von einem Dutzend anderer Gemeinden auf der italienischen Seite der Landesgrenze. Natürlich fehlte auch der traditionelle Zincarlin aus den Valle di Muggio nicht. Würste, Schinken und Trockenfleisch aus Poschiavo konnten preislich neben Produkten aus den italienischen Alpen und dem Süddtirol durchaus bestehen und waren bei Besuchern aus Italien begehrt. Vertreten war die Schweiz ausserdem mit einigen Weinproduzenten aus dem Wallis und der Westschweiz. Wildschweinsalami der Puschlaver Metzgerei Scalino. Das Val Poschiavo gehörte bis 1803 zum Veltlin und weist eine Reihe von regionalen Spezialitäten auf, die zur kulinarischen Kultur der Italienischen Alpentäler gehören. Mit einem Preis unter 4.-/kg sind Schweizer Wildschweinsalami auf italienischen Märkten durchaus konkurrenzfähig. Gourmets bezahlen in Italien für Spezialitäten oft bis zum Doppelten. Nicolà Madonia, Geschäftsführer der Agenzia Agricola Madonia aus der Nähe von Agrigento in Sizilien produziert exklusive, mit Orangen und Zitronen aromatisierte Olivenöle. Er zeigte sich enttäuscht darüber, dass die Deutschschweizer Gastronomen und Gourmets den Weg nach Lugano nicht fanden. Die zahlreichen Besucher aus Norditalien schätzten jedoch die Möglichkeit, auf Weihnachten exquisite Regionalprodukte und Delikatessen aus Mittel- und Süditalien degustieren und direkt beim Produzenten einkaufen zu können. Parmaschinken, in Olivenöl eingelegte Artischoken, Trüffel, lokaltypische Backwaren, Limonenlikör und fast alles, was das Herz des italienischen Gourmets höher schlagen lässt, war in aussergewöhnlicher Qualität verfügbar. Trotz Grenzöffnung und Zollabbau erhöhte sich das Angebot an italienischem Käse in der Schweiz seit Mitte des Jahres nicht spürbar. Nur ein kleiner Teil der Käsespezialitäten findet den Weg in den schweizerischen Engros- und Detailhandel. Ein Vertreter der Vertriebsorganisation Pecorino Toscano bezeichnete die Schweiz als Nischenmarkt, der von der Sortenorganisation nicht bearbeitet wird. Pecorino, der sich in der Deutschschweiz in italienischen Spezialitätengeschäften finden lässt, stammt aus dem italienischen Zwischenhandel.
Für Gorgonzola bestehen über die Grossverteiler etablierte Vertriebskanäle. Gorgonzola wird in der Schweiz nicht aktiv beworben. Auch für andere Hersteller und Kooperativen ist die Bearbeitung des Schweizer Marktes wirtschaftlich uninteressant. Sehr spezielle und hochwertige Käse sind zum Teil nur saisonal und in derart kleinen Mengen verfügbar, dass sie sich ausserhalb der Region nicht aktiv vermarkten lassen. Selbst beim Fleisch ist das Preisniveau für verarbeitete Qualitätsprodukte und regionale Spezialitäten in Italien zum Teil höher als in der Schweiz. Es fällt auf, dass Labels von eher untergeordneter Bedeutung sind. Für die Qualität bürgt der Name des Produzenten und das Renommée der Region. Der Gourmet kann davon ausgehen, dass Regionalprodukte sorgfältig und naturnah produziert werden, daher erübrigt sich eine Auszeichnung durch Slow Food. Der Brotproduzent CRM, Modena stellte unter dem Markennamen Casa Rimini eine Teigtasche (Piadina) vor, die sowohl als Boden belegt wie auch als Wrap gefüllt werden kann. Biologisch zertifizierte Mehle enthalten Anteile von Kamut und Emmer. Überraschend war die Vielfalt an Fladenbroten wie das sardische Pane Pistoccu oder eine „Schwiegermutterzunge“ auf der Basis von Maismehl, die sich wegen ihrer langen Haltbarkeit gut für den Export eignen. Die traditionelle italienische Küche legt wenig Wert auf leichte Ernährung. Bei Fleisch, Käse, Pasta und Antipasti steht die naturnahe, überlieferte Herstellung aus Produkten der lokalen Landwirtschaft im Vordergrund. Nach wie vor dominieren beim Feingebäck sehr süsse Biskuits und Kuchen. Die bekannte, in Florenz hergestellte Tortapistocchi gibt es nun auch glutenfrei und mit Hinweis der Eignung für Diabetiker. Auf den Produkten der Offeleria Tacchinardi, Lodi, die seit 1805 nach dem gleichem Rezept produziert werden, sind immerhin die Kalorien vermerkt. Das Patronat für die «Più Gusto» übernahmen die Stadt Lugano, hotellerisuisse und die Fachzeitschrift Gastronomie&Tourisme. Nicht dabei war GastroTicino. Bild: Lugano am Luganersee im Sommer mit Blick auf den San Salvatore und den Vorort Paradiso - eines der Schweizer Ferienparadiese. Auf dem Markt für italienische Qualitätsweine finden sich erst wenige Weine mit moderatem Alkoholgehalt. Im Gegenteil, mit der Verbesserung der Qualität gewinnen die schweren süditalienischen Weine Marktanteile im Export. Nicht wenige der Produzenten waren nach Lugano gekommen, um Vertriebspartner für die Schweiz zu finden. Es dürfte jedoch schwierig sein, auf dem stark fragmentierten Markt neue Produkte einzuführen, die nur ein ausgewiesener Kenner vom bereits bestehenden Angebot unterscheiden kann. Als Innovation stellte FLMS, Padova einen neuen Prosecco unter dem Markennamen PROSE’ vor. Der angenehm herbe Prosecco wird nach der seit dem 15.Jahrhundert überlieferten venezianischen Methode einstufig in der Flasche fermentiert. Durch die Nummerierung der Flasche ist ihr Inhalt über das Internet von jedem Käufer bis zum Produzenten der Trauben rückverfolgbar. PROSE’ ist als Qualitätsprodukt im oberen Preissegment positioniert und soll den etwas in Verruf geratenen Prosecco für die gehobenen Gastronomie aufwerten. Vermutlich erstmals in der Schweiz wurde in Lugano eine hochpreisige spanische Delikatesse präsentiert, die man bis anhin nur vom Hörensagen kannte. Seit 2001 wird nach nahezu zwanzig Jahren Zucht am Oberlauf des Guadalquivir Kaviar gewonnen. Gezüchtet wird der in der Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu ausgestorbene südeuropäische Stör. Heute werden pro Jahr etwa 1,5 Tonnen Kaviar produziert. Ein Teil wird als Frischprodukt innerhalb von Spanien an die Spitzengastronomie geliefert. In Büchsen konserviert ist der Caviar Riofrio in verschiedenen Qualitätsstufen ab Euro 1500 pro Kilo im Delikatessenhandel erhältlich. Seit Produktionsbeginn gewann das Unternehmen mehrere nationale und internationale Preise. Gemäss Kennern werden Geschmack, Konsistenz und Qualität eines guten Beluga erreicht oder sogar übertroffen. In der gleichen Preisklasse wurden an mehreren Ständen Trüffel angeboten und wie Diamanten in Vitrinen präsentiert. Der versprochene «gute Geschmack» an der «Più Gusto» zeigte sich nicht nur bei den Produkten selbst, sondern auch bei Präsentation, Degustationangeboten und Hygiene. Käse waren in Kühlvitrinen untergebracht, Würste vakuumiert. Parmaschinken wurde mit Handschuhen oder gewaschenen Händen geschnitten, die nicht zuvor mit Geldscheinen in Berührung waren. Trotz einer nicht durchwegs geglückten Kommunikation kann die erste Fiera Internazionale del Gusto in Lugano als Erfolg bezeichnet werden. Sie zeigte ein grosses Potenzial für grenzüberschreitende Publikumsmessen auf. Vergleichbare Veranstaltungen liessen sich auch am Bodensee, am Oberrhein oder im Jura durchführen. Für eine weitere Auflage in Lugano müssten vermehrt Schweizer Produzenten als Aussteller und vor allem Deutschweizer Gastronomen und Gourmets als Besucher gewonnen werden. (Text: Dr. David Meili. Bilder: David Meili und foodaktuell) Weiterlesen: Trouvailles der Gourmesse 2007 | ||||||||||