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22.12.2007 Molke: vom Schweinefutter zur Babynahrung Molke erlebt eine Renaissance. Statt im Schweinetrog zu landen oder als Abfall entsorgt zu werden, wird sie zunehmend veredelt. Wo Käse produziert wird, fällt auch Molke an. Und wo Molke ist, sind Schweine meist nicht weit. Nach wie vor wird der grösste Teil der Schweizer Molke verfüttert. Im Gegensatz zum Ausland: Dort haben Ernährungswissenschafter und Lebensmitteltechnologen den wahren Wert der Molke schon länger entdeckt. Molke besteht zwar zu 94 Prozent aus Wasser, doch die restlichen sechs Prozent haben es in sich. Sie enthalten Milchzucker, Eiweiss und Mineralstoffe, Vitamine (B2, B5, B6, B12, C), Spurenelemente (Zink, Eisen, Jod, Kupfer) und spezifische Verbindungen wie Immunglobuline, Lactoferin oder Lactoperoxydase. Aus Molke lässt sich zum Beispiel hochwertiges Molkenproteinkonzentrat für die Sportlerernährung herstellen. Oder Milchzucker für Säuglings- und Kleinkindernahrung, für Sossen, Süss-, Back- und Wurstwaren oder für Tablettenrohstoff für die Pharmaindustrie. Zahlreiche Molkenbestandteile werden derzeit noch erforscht; doch es sieht ganz so aus, als hätten sie einen hohen gesundheitlichen Zusatznutzen. Sicher ist: Die Zukunft der Molke liegt vor allem in der Humanernährung. Auf diese Zukunft hofft die Firma Translait– ein auf die Verwertung von Koppelprodukten und die Logistik von flüssigen Lebensmitteln spezialisiertes Unternehmen im Kanton Freiburg. Translait will inskünftig Molkenkonzentrat für die Lebensmittelindustrie produzieren und hat Theo Kuypers engagiert, um den Markt dafür aufzubauen. Kypers: „Die Nachfrage nach Protein ist weltweit gestiegen und wir gehen davon aus, dass das auch langfristig nicht gross ändert.“ Die wachsende Weltbevölkerung will schliesslich auch in zehn Jahren noch ernährt werden. Derzeit versucht Kypers, Molkelieferanten mit Abnahmeverträgen über eine Laufzeit von acht Jahren und dreijährigen Garantiepreisen langfristig an sich zu binden. Das Interesse ist gross: „Wir haben sehr viele Anfragen, allerdings sind die Betriebe über die ganze Schweiz verteilt.“ Um die Transportwege zu optimieren, sind zwei Verarbeitungszentren vorgesehen, eines davon in der ehemaligen Nestléfabrik in Hirzel. Die Menge scheint weniger das Problem zu sein, die Crux liegt vielmehr in der Logistik: „Viele, vor allem kleinere Milchverarbeiterhaben keine Einrichtung, um die Molke zu kühlen – das ist jedoch die Voraussetzung für eine hohe Qualität.“ Im Gegensatz zur Futtermolke darf die Molke für die Lebensmittelindustrie nämlich nicht mit Ameisen-, Propionsäure oder Wasserstoffperoxid konserviert werden.
Eine weitere Herausforderung dürfte in den Preisen liegen, die sind im Moment nämlich äusserst volatil. „Zur Zeit liegt der Preis für Molkenpulver fünfzig Prozent tiefer als Anfang Jahr“, sagt Kuypers, „und niemand weiss, wohin sich der Preis entwickeln wird.“ Auf jeden Fall war letztes Jahr das Niveau noch deutlich tiefer. Im Moment werden für Molkenpulver in Europa rund 700 Euro pro Tonne bezahlt, Anfangs Jahr waren es noch 1‘400 Euro. Züger machts vor Was Translait erst vorhat, macht Markus Züger schon lange. Schon vor 12 Jahren, als die Produktion von Molkenkonzentrat in der Schweiz noch kaum ein Thema war, installierte die Züger Frischkäserei in Oberbüren eine Anlage, mit der Molke entsalzt, konzentriert und fraktioniert werden kann. Das geschah auch aus wirtschaftlichen Überlegungen. Züger: „Unter dem Preisdruck vom Detailhandel sahen wir uns gezwungen, alle Nebenprodukte so wirtschaftlich wie möglich zu verwerten.“ Ganz so einfach war das allerdings nicht, denn mit der Anlage wird Molkenkonzentrat hergestellt – die Lebensmittelindustrie verlangt Molke jedoch vor allem in Pulverform. Züger: „Bis heute ist die Pulverindustrie in der Schweiz nicht in der Lage, das Molkenkonzentrat so zu verwerten, wie das gefragt wäre.“ Seit das Familienunternehmen eine Bewilligung für den Veredelungsverkehr hat, lässt Züger das Molkenkonzentrat im Ausland trocknen und nimmt das Pulver zurück. Dass die Membrantechnologie zur Aufkonzentrierung von Molke in der Schweiz nicht sehr weit verbreitet ist, hat laut Züger mehrere Gründe: „Erstens hinken die Schweizer in der Technologie immer ein wenig hinterher. Zweitens lohnt sich eine solche Anlage erst ab einer gewissen Menge“, kostet sie doch zwischen 500’000 bis 800‘000 Franken. In Oberbüren werden pro Jahr rund 60 Millionen Kilo Milch verarbeitet. Die gesamte dabei anfallende Molke wird verwertet, darüber hinaus kauft Züger Molke von mehreren kleineren Milchverarbeitern der Region zu. Molkendrinks wenig beliebt Absatzprobleme kennt Züger beim Molkenpulver keine. Noch optimaler fände er es jedoch, wenn das Konzentrat direkt verwendet würde: „Dann müsste man es nicht erst trocknen und nachher wieder mit Wasser anrühren.“ Am allereinfachsten wäre es, die Molke selbst zum Produkt zu machen, zum Beispiel als Molkendrink. Doch: „Molkengetränke sind in der Schweiz sehr schwierig zu platzieren“, weiss Züger aus Erfahrung. Er vermutet, dass Molke bei den hiesigen Konsumenten immer noch mit Schweinefutter assoziiert wird. Ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo Molkendrinks im Wellness-, Diät- und Sportbereich boomen. Übrigens bekommen die Schweine des betriebseigenen Mastbetriebs der Frischkäserei Züger immer noch Molke. Allerdings nur noch jene, die die Anforderung an ein hochwertiges Produkt nicht erfüllt, weil sie zum Beispiel zu sauer ist oder zu viel Käsestaub enthält. Was für den Menschen nicht gut genug ist, kann den Schweinen immer noch recht sein. Der Lacto-Flop von Emmi Emmi wollte nicht zusehen, wie in anderen Ländern Molkendrinks boomten, sondern lancierte selbst ein Produkt. Sie ging dabei noch einen Schritt weiter und entwickelte einen „Performancedrink“, mit dem sie einen „Meilenstein in der Getränkegeschichte“ legen wollte. Vor gut einem Jahr präsentierte Emmi Lacto Tab als „Erfolgskombination aus Produkt und Verpackungsidee.“ Das Produkt: Aus Molke gewonnenes Milchserum. Die Verpackungsidee: Eine Nuckelflasche, in deren Drehverschluss sich eine Tablette befindet, die beim Öffnen in die Flüssigkeit fällt, sich dort auflöst und das Coenzym Q10, Vitamine und Mineralstoffe freisetzt. Lacto Tab wurde millionenschwer beworben, die Fachwelt jubelte, Emmi wurde mit Preisen für innovatives Verpackungsdesign überhäuft. Nur bei den Konsumenten blieb das Interesse aus. Das (teure) Brausegetränk erwies sich als unverkäuflich. „Vielleicht wurde gerade das innovative Konzept dem Produkt zum Verhängnis“, werweisst Stephan Wehrle, Pressesprecher der Emmi AG. Tatsache ist: Der Absatz von Lacto Tab blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Das änderte sich auch nicht, als die Werbestrategie und die Formulierung angepasst, das Getränk nicht mehr nur auf das Kühlregal beschränkt und der Ladenverkaufspreis für das 470 Milliliter-Fläschen auf unter drei Franken gesenkt wurde. Nun zieht Emmi einen Schlussstrich. Wehrle: „Per Ende Jahr wird die Produktion von Lacto Tab eingestellt.“ (Text: LID, Bilder: foodaktuell.ch) Weiterlesen: Molkendrinks aus Schweinefutter? | |||