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26.2.2008 Den Biokühen fehlt Biofutter Obschon Bioprodukte boomen, zeichnet sich ein weiterer Rückgang der Biobetriebe ab. Schuld daran sind die verschärften Fütterungsrichtlinien, die seit Anfang 2008 gelten. Vier Prozent weniger Biobauern: Seit 2003 bewirtschaften immer weniger Bauern ihren Betrieb nach den Bio-Suisse-Richtlinien. Waren es 2003 gesamtschweizerisch 6'466 Betriebe, gab es 2006 noch 5'871 Biobauern. Zwischen 2005 und 2006 verschwanden 4 Prozent aller Biobetriebe, während die Anzahl der konventionellen Bauernbetriebe nur um 1,3 Prozent zurückging. Der Bio-Markt wächst doppelt so schnell wie der Markt für konventionelle Lebensmittel – so positiv tönte es bei Bio Suisse im letzten November. Heute, ein paar Monate später, freuen sich nicht mehr alle Biobauern über diesen Bio-Boom. Der Grund sind die verschärften Fütterungsrichtlinien auf Biobetrieben. Durfte bis Ende 2007 einer Kuh auf einem Bio Suisse-Betrieb der Anteil an nicht biologisch produziertem Futter maximal fünf Prozent betragen, darf dieselbe Kuh seit Anfang Jahr nur noch biologisch produziertes Raufutter fressen. So schreibt es eine EU-Richtlinie vor, welche die Schweiz übernimmt. Und so will auch Bio Suisse ihren Grundsatz „Ist die Knospe drauf - ist Bio drin” bekräftigen. Weil es an bestimmten Futterkomponenten wie etwa Maiskleber, Zuckerrüben und Melasse in Bioqualität mangelt, dürfen diese noch bis Ende März 2009 in konventioneller Qualität verfüttert werden. Insbesondere im Berggebiet könnte dies zu Problemen führen, weil Bergbauern das zusätzliche Futter wie etwa Mais auf dem steilen Land meistens nicht selber produzieren können, sondern es zukaufen müssen. Das Problem ist aber: Biomais ist knapp und teuer. Biofütterungsrichtlinien bringt Bergbauern in Bedrängnis Graubünden ist der Biokanton schlechthin. Über die Hälfte der Bündner Bauern sind Biobauern, 90 Prozent davon sind Bergbetriebe. Bio Grischun-Präsident Alfons Cotti will so schnell wie möglich das Angebot an Biofutter ausdehnen. Bis anhin hätten viele Biobauern die maximal erlaubte Menge an konventionellem Futter zugekauft und ihren Tieren verfüttert. „Darum wurde Bio-Zusatzfutter noch gar nicht nachgefragt und demzufolge auch nicht angeboten.” In Zukunft müsse das Biofutter halt von anderswo zugekauft werden. Cotti ist dennoch nicht ganz von den neuen Regeln überzeugt. „Von mir aus hätten die Fütterungsrichtlinien nicht verschärft werden müssen”, sagt er. Dieses Jahr würden sicher mehr Bündner Biobauern aussteigen als in den Vorjahren, zumal der Preis für konventionell produzierte Milch derzeit „verlockend hoch” sei. Gesundschrumpfung der Bioszene erwünscht Auch im Kanton Bern gibt es knapp 1‘200 Biobetriebe, von denen gut die Hälfte in höheren Lagen wie dem Berner Oberland und im Emmental liegen. Andreas Schneider, Präsident der Bärner Biobure, steht hinter der neuen Regelung, obwohl es auch im Kanton Bern einige Härtefälle gebe. „Dieses Jahr werden sicher mehr Biobauern aufgeben als letztes Jahr”, sagt auch er. Und bereits im letzten Jahr stiegen wegen verschärften Vorschriften mehr Berner Biobauern aus als in den Vorjahren. Schneider kann diesem Rückgang auch etwas Positives abgewinnen: „Es ist eine gewisse ‚Gesundschrumpfung‘ für die Bioszene.” Will heissen: Steigen die nicht restlos überzeugten Biobauern aus, gibt es mehr Platz für die anderen. Der gleichen Meinung ist Biobauer Jakob Knaus. Sein Betrieb liegt im St. Gallischen Unterwasser auf 1‘100 Meter über Meer, er hat 16 Kühe. Knaus baut bereits seit rund zehn Jahren 60 Aren Mais und 25 Aren Weizen an und kann seinen Tieren das eigene Bio-Kraftfutter füttern. Robuste Jersey-Kühe brauchen kein Kraftfutter Er verzichtet also bereits freiwillig auf zusätzliches konventionelles Kraftfutter, welches die Milchleistung der Kühe erhöhen würde. „Konsequenterweise musste ich auch die Milchleistung meiner Kühe drosseln.” Die Hälfte seiner Brown Swiss-Kühe habe er durch Jersey ersetzt. Die Rechnung gehe für ihn nach dieser Änderung erst recht auf. „Jetzt komme ich auf einen guten Verdienst”, sagt Knaus. Denn teures Kraftfutter müsse er nicht mehr zukaufen und den teuren Tierarzt nicht mehr so oft kommen lassen, womit er die Produktionskosten massiv senken konnte.
Andere Bergbauern wiederum haben Bedenken, ob im Winter genügend zusätzliches Futter in biologischer Qualität aufgetrieben werden kann. Vor allem biologischer Silomais ist schwer erhältlich. Bis anhin haben viele Biobauern ihr Zusatzfutter seit Jahren immer denselben Landwirten in der Nachbarschaft abgekauft, welche konventionell bauern würden. Nun ist dies nicht mehr möglich. Auch Bio Suisse-Präsidentin Regina Fuhrer ist sich bewusst, dass die neuen Richtlinien im Berggebiet Schwierigkeiten mit sich bringen können. Dennoch glaubt sie nicht, dass wegen den neuen Vorschriften überdurchschnittlich viele Biobauern aussteigen werden. Bei Demeter-Bauern klappts Für Felix Lang, Co-Präsident von Bio Nordwestschweiz, ist die Verschärfung der Richtlinien indes kein Problem. Er führt seinen Betrieb nach den strengeren Demeter-Richtlinien. Demeter-Kühe fressen bereits seit rund drei Jahren 100-prozentiges Biofutter. „Die Demeter-Bauern haben sich mit der neuen Regelung arrangieren können, bei den Bio Suisse-Bauern sollte dies in Normalfall also auch möglich sein”, meint Lang. Bereits eine alte Bauernregel besage, dass ein Bauer nie zu wenig Futter habe, sondern zu viel Vieh. „Und diese Bauernregel stammt übrigens nicht von einem Biobauern”, schiebt Lang nach. (Quelle: LID / H. Soltermann) Weiterlesen: Biomarkt wächst | ||||