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13.3.2008 Schlaraffia 2008 im Rückblick
Holger Boos führte mit einem ebenfalls in der Gourmetgastronomie tätigen Kollegen souverän durch den Abend. Wie man ein mehrgängiges Menu plant, das Timing einhält und die einzelnen Gänge mit den Gästen geniessen kann, vermittelte der Meister mit Lockerheit in der kleinen Gruppe. Auch die anderen Experimente im Event- und Showcooking waren mutig. So vermittelte die Show-Küche in der Ausstellung ein EURO-Duell zwischen Österreich und der Schweiz als Vorbote der EURO 08. Unbestrittener Star und Publikumsliebling war Gourmetkoch und Patissier-Weltmeister Ivo Adam, Rezepte-Rapper und bekannt aus dem so genannten Fettnäpfchen-TV-Spot über Coop Fine Food («Ivo, du solltest wirklich Koch werden»). Der 28 jährige machte ebenso eindringlich Werbung für sein neues Buch „Kochen, Kombinieren, Komponieren“ wie für sein Restaurant in Ascona und den Tourismuskanton Tessin. Offizieller Gastkanton war in diesem Jahr aber das Wallis - dies mit sehr guten Weinen von Ferdinand Cina und den bekannten Trockenfleisch-Spezialitäten und Würsten der Metzgerei Stephan Müller in Salgesch. Die Metzgerei überzeugte durch Alpenlamm-Trockenfleisch, das allerdings erst in kleinen Quantitäten zur Verfügung steht. Während wenig neue Delikatessen zu entdecken waren, war die Messe für Weinfreunde nicht uninteressant. Beispiele: Maya und Hansruedi Neukomm pflanzen an einem trockenen Südhang hinter Rafz einige hundert Quadratmeter der seltenen Walliser Sorte Heida an und vertreiben den trockenen und leichten Wein selbst in ihrem Erlebnis-Hofgut. Wein von 100jährigen Rebstöcken Am Gemeinschaftsstand präsentierten Karin und Roland Lenz, Iselisberg/TG ihre neuen Kreationen. Familie Lenz betreibt jahreszeitlich verschoben ein zweites Weingut 25 km südlich von Chillan in Chile und bietet somit Alt- und Neuweltweine aus eigenem Anbau und eigener Kelterung an. Eine Rarität war ein Wein aus hundertjährigen Rebstöcken in Chile. Es handelt sich um die gleiche Traubensorte, die Ende 19. Jahrhundert am Iselisberg der Reblaus zum Opfer fiel. Doyen der Mittelthurgauer Winzer war Willi Burkhart, der 2003 1,7 Hektar Bürgerreben der Gemeinde Weinfelden übernahm. Die von der Familie Burkhardt angebauten und mit modernsten Methoden zusammen mit anderen Winzern am Ottenberg gekelterten Weine sind mehrfach preisgekrönt. Burkhart regte für die Schlaraffia 2008 eine Weinprämierung an, bei der zu einem vorgegebenen sechsgängigen Menu die jeweils am besten passenden Weine vorgeschlagen werden sollten. Seine Erfahrungen als Selbstkelterer zeigen, dass die Qualität seiner Weine in der Gastronomie vom Service-Personal oft schlecht oder gar nicht vermittelt wird. Es mag ihn mit verdienter Genugtuung erfüllen, dass sein Sohn Michael als Jungwinzer zweimal die Goldmedaille gewann und in der Bilddegustation die geeignetsten Weine zu zwei Gängen auftragen konnte. Wie innovativ Selbstkelterer sein können, bewies Maya Reichling von Mühle Stäfa. Den Riesling x Sylvaner ihres Mannes Stefan kombinierte sie mit einer Trockensuppe zu einer Geschenkpackung. Die Weinsuppe nach Reichlingscher Familientradition wird mit zwei Deziliter angerührt, der Rest der Flasche reicht für ein gemütliches Tête-à-Tête. Erfolgreich aus dem gleichen Keller sind weisse und rote Glühweine im oberen Preissegment. Neuheiten bei Fruchtsäften und Bieren gab es kaum. Die Vertreter der Mosterei Möhl AG betonten, dass sich die Nachfrage nach dem alkoholfreien sauren Most (Bild) sehr gut entwickle. Zum gleichen Segment zählt das alkoholarme „Ghürotete“ der Thurella AG, das jedoch ausserhalb der Ostschweiz kaum Fuss fassen kann. Nur Insider kennen den in Egnach destillierten „Thursky“, der im Blindtest kaum von Whisky-Weltmarken unterscheidbar ist und vermischt mit Cola noch weniger. Durch innovative Produkte verzeichnet die Brauerei Locher in Appenzell Erfolge im wachsenden Markt der einheimischen Spezialbiere. Eine Neuheit ist der Schwarze Kristall. Mit 6,3 Volumenprozent Alkohol liegt dieses dunkle Bier unterhalb eines Starkbiers, schmeckt aber dennoch vollmundig. Thurgauer Käse und Backwaren untervertreten Der Thurgau hätte in Sachen Käse mehr zu bieten als an der Schlaraffia 2008 geboten wurde. Immerhin: die Handelsfirma Hermann Grob, Waldkirch kombinierte Käse aus lokaler Produktion mit Weinen. Gourmets fanden sich am Käse-Stand von „Natürli“ ein, auf dem neben preisgekrönten Produkten aus dem Zürcher Oberland, wie dem Hinkelstein das Sortiment von Willy Schmid in Lichtensteig präsentiert wurde. Aber Geheimtipp war der Blauschimmelkäse von Christoph Räz aus Detligen/BE am Stand der Bieleresee-Weine. Auch Natürli-Geschäftsführer Alfred Bieri konnte nicht widerstehen. Selbst die innovativen Thurgauer Bäckereien und Confiserien machten sich wieder rar. Ausnahmen: Die Holzofenbäckerei Lehmann in Lanterswil/TG stellte Bärentatzen mit Chilli vor. Und die Confiserie Wellauer in Amriswil bot eine verfeinerte Kombination von Edel-Schokolade mit ebenso exklusivem Whisky. Tilsit im Thurgau aber nicht an der Schlaraffia Bereits vier Monate vor Messebeginn waren die Ausstellerplätze an der Schlaraffia 2008 ausgebucht. Dies spricht für das vielseitige Konzept mit Gourmet- und Weinevents, die über die Region hinaus ein treues Stammpublikum ansprechen. In diesem Jahr waren es 9500 BesucherInnen - etwas weniger als erwartet. Doch die Schlaraffia verfügt über versteckten Charme und ein Potenzial weit über den Thurgau hinaus. Mit der Kauflust der BesucherInnen waren die meisten Aussteller zufrieden, sonst hätten sie nicht den Stand fürs nächste Jahr bereits wieder reserviert. Aber an der Schlaraffia 2009 würde man sich mehr regionale Produkte aus dem Thurgau und dem reichen Portfolio der Regionalmarke «Culinarium Ostschweiz» wünschen. So war beispielsweise die Tilsiterkäse-Sortenorganisation nicht als Aussteller präsent, obwohl Tilsit seit letztem Jahr im Thurgau liegt, wie die Werbestrategen entschieden hatten. Text: Dr David Meili. Bilder: David Meili und foodaktuell.ch Weiterlesen: Kurznews 31.7.2007: Neue Heimat für den Tilsiter im Thurgau | ||||